Corona-Maßnahmen: FDP-Politiker unterliegt vor Verfassungsgericht

Der liberale Abgeordnete Marcel Luthe wollte in Berlin klären lassen, ob die Covid-19-Eindämmungsmaßnahmen auch ohne Parlamentsbeschluss erlassen werden können. Die Richter lehnten eine einstweilige Anordnung ab – aus einem formalen Grund.

© Getty Images
Marcel Luthe, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, hatte vor dem Berliner Verfassungsgericht Organklage eingereicht, um klären zu lassen, ob der Berliner Senat seine Corona-Eindämmungsverordnung, die tief in Grundrechte der Bürger eingreift, auch ohne Parlamentsbeschluss und nur auf dem Behördenweg durchsetzen durfte (s. Interview auf TE).

Seiner Meinung nach bietet das Seuchenschutzgesetz Berlins keine ausreichende Basis für viele der derzeitigen Verordnungen. Laut Verfassung bedürfen Eingriffe in Bürgerrechte einer gesetzlichen Grundlage. Jetzt wies das Berliner Verfassungsgericht Luthes Antrag auf eine einstweilige Anordnung ab, mit der er die Verfassungswidrigkeit der Verordnung und damit die Verletzung parlamentarischer Rechte feststellen lassen wollte. Die Juristen entschieden überwiegend ohne inhaltliche Prüfung, sondern aus einem formalen Grund. Luthes Antrag im Organstreitverfahren sei nicht zulässig, befanden sie Richter, da ein einzelner Abgeordneter nicht antragsberechtigt sei:

„Die Organrechte des Abgeordnetenhauses kann der Antragsteller als einzelner Abgeordneter nicht prozessstandschaftlich für dieses geltend machen.“

Der FDP-Politiker hatte in seiner Klage auch die behördlichen Beschränkung für Tätigkeiten gerügt, die beruflich bedingt auch im Freien stattfinden – beispielsweise für Journalisten, Anwälte und andere, die einer mandatsbezogenen Arbeit nachgehen. Angehörige von Berufsgruppen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, dürften auch nicht polizeilich zu ihren Wegen befragt werden. Auch dieser Teil seines Antrags wurde durch das Landesverfassungsgericht zurückgewiesen. Allerdings änderte das Land Berlin seine Verordnung nach dem Urteil umgehend, und hob die Beschränkungen für bestimmte Berufsgruppen und Tätigkeiten wieder auf. Dass die Corona-Eindämmungsverordnung „unmittelbar nach dem Urteil eine erhebliche Veränderung erfahren hat“, begrüßt der FDP-Politiker.

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Kommentare ( 26 )

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tichoz
2 Jahre her

Der größte Webfehler in unserer Republik BRiD(BundesRepublik in Deutschland) sind die Landeslisten. Und zwar in der Art wie sie mit Kandidaten besetzt werden. Wer bestimmt, welcher Kandidat und an welcher Stelle auf die Landesliste kommt? Die Funktionäre jener Partei, die die Landesliste präsentiert. Und das ist auch der Grund, daß das BundesVerfassungsGericht alle Wahlen seit einschließlich 1956 für nicht rechtmässig erklärt hat. Hier stehlen die Parteifunktionäre dem Souverän(Wähler) Das Recht, seinen Abgeordneten zu bestimmen. Sie bevormunden den Souverän.
Was seit Thüringen die FDPler unternehmen, ist für mich nur Show, um Wähler für sich zu generieren.

Hannibal Murkle
2 Jahre her

In Tschechien kann ein Gericht auch was lockern:

https://www.welt.de/vermischtes/live206935325/Corona-live-Tschechien-hebt-ueberraschend-Ausgangsbeschraenkungen-auf.html

„… Kanzlerin Merkel will erst im Mai über weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen diskutieren. Tschechien hebt derweil alle Ausgangsbeschränkungen auf, nachdem ein Gericht diese für rechtswidrig erklärte …“

Leider gilt dies nicht für geschlossene Grenzen – als ob irgend ein Land in Europa kein Virus hätte.

Karl Schmidt
2 Jahre her

Die Entscheidung überrascht – auch in der Begründung – nicht. Sie zeigt aber, dass es unverändert eine Fehlkonstruktion ist, dass die Bürger nur schwer an die Verfassungsgerichte gelangen („Popularklage“). Die (linken) Politiker sind eifrig bemüht, Verbandsklagen in allen denkbaren Konstellationen in die Welt zu setzten, weil das ihren politischen Interessen nützt. Doch wenn die Grundrechte der Bürger eingeschränkt werden, brauchen wir Hilfe von anderen oder müssen Jahre warten und viel Geld investieren (Verfassungsbeschwerde nach Ausschöpfung des Rechtsweges). Deutschland ist unverändert ein stark autoritär geprägtes Land (Wo kommen wir denn da hin?): Der Zugang zu den Gerichten in Verfassungsfragen und die… Mehr

derAlte
2 Jahre her

Mir reicht das jetzt. Eine Menge Leute, die es besser gewußt hätten. Besser GEMACHT hat es keiner. Jeder kann und keiner macht, das ist unsere heutige „Intelligenz“. Damit ist das alles doch verdient!

Sagen was ist
2 Jahre her

Der Kläger unterliegt?

Wem oder was?

So wie das GG den Parteien unterlegen ist?

Im Parteienstaat (gemäß v.Weizsäcker) ist die Formalie der Goldstandard.

Wenn die materielle Rechtsfrage der Nomenklatura nicht passt, wird auf
Formalie geschaltet.

Sollte die Justiz (laut Büchner die „Hure der Fürsten“) nicht spuren, wird ein
Mitläufer direkt aus dem Parlament zumindest Verfassungsrichter.

Was für eine zynische Vergewaltigung der formell vorhandenen und so
vielbeschworenen Gewaltenteilung.

Reiner Mummenschanz.

Sonny
2 Jahre her

Brunnenvergifter wie Herr Luthe haben keine politische Zukunft. Außerdem gehört er einer Partei an, die ihre Mitglieder regelmäßig im Regen stehen läßt. Man könnte doch meinen, dass die FDP über genügend Juristen im eigenen Hause verfügt, die solch eine Ablehung aus formalen Gründen hätten vermeiden können. Wir haben mittlerweile Verhältnisse, in denen der „Deutsche Staat“ völlig entkoppelt ist von seinen Bürgern. Dieser neue Staat, dass sind die von der arbeitenden Bevölkerung alimentierten Politiker und Beamte nebst NGO- und Stiftungsentourage. Ein selbsternannter Polit-Hochadel, der bestimmt wo es langgeht und der alles kontrolliert. Medien, Gerichte, Wahrheiten und Meinungen. Gesetze, Bestimmungen und vor… Mehr

StefanB
2 Jahre her

Unabhängig von der Ablehnung dieser Klage aus formalen Gründen: Die Gerichte, insbesondere die Verfassungsgerichte, spielen eine äußerst unrühmliche Rolle bei der Abschaffung des Rechtsstaats inklusive der Grundrechte. Sie verstehen sich inzwischen offenbar eher als ein der Exekutive zuarbeitender Teil des Staates.

Hannibal Murkle
2 Jahre her

Hier und da sorgen Gerichte für Lockerungen:

https://www.welt.de/vermischtes/live206935325/Corona-live-Hamburger-Gericht-kippt-800-Quadratmeterregel.html

„… Nach Ansicht des Hamburger Verwaltungsgericht ist die vom Senat aufrechterhaltene Schließung von Läden mit mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche unzulässig. …“

Ich hoffe, danach dürfen nicht nur in Hamburg alle Läden unabhängig von der Fläche öffnen.

Juengling
2 Jahre her

Ach, wie mutig von einem FDPler. Aus formalem Grund abgelehnt. Das konnte der beratende RA natürlich nicht wissen. Dies ist eine Pseudodemokratie und ein Kasperletheater, auch die zugehörige Partei, die Wahlen rückgängig machen läßt. Sollte das der mutige Ausgleich sein? Was für eine elendige Farce…

Fulbert
2 Jahre her

Das ist nur noch eine Farce.