Bauern demonstrieren in Berlin

Nach den letzten Demonstrationen in Bonn und anderen Städten steigern die Landwirte ihren Druck und rollen aus vielen Teilen des Landes nach Berlin.

ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images

Quer durch Deutschland rollen seit dem Wochenende Tausende von Traktoren. Ziel: Berlin. In einer eindrucksvollen Bewegung kommen aus allen Teilen des Landes Bauern in die Hauptstadt. Die ersten hatten sich bereits am Samstag auf den Weg gemacht, um Berlin rechtzeitig zur Demo am Dienstag zu erreichen. Die Reisegeschwindigkeiten mit Traktoren sind eben nicht so hoch. Sogar kurz vor der holländischen Grenze wurden Trecker auf Tieflader verladen, um noch etwas beschleunigter nach Berlin zu kommen. Auf der A9 darf der Konvoi ab Triptis die Autobahn benutzen, um etwas schneller voran zu kommen.

Diejenige, die nicht nach Berlin fahren können, wollen aus Solidarität Mahnfeuer entzünden wie in der Eifel.

Ab 12 Uhr findet eine große Kundgebung vor dem Brandenburger Tor statt – veranstaltet von der Initiative »Land schafft Verbindung«. Rund 5.000 Traktoren und 10.000 Demonstranten werden erwartet. Vielleicht werden es auch viel mehr, denn nach Berichten von Beteiligten haben sich bisher überraschend viele Bauern auf ihre Traktoren geschwungen und in Richtung Berlin in Bewegung gesetzt.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat zugesagt, zur Kundgebung zu kommen und um 14 Uhr eine Rede zu halten. Sie hat vielleicht aus dem bemerkenswerten Auftritt ihrer bayerischen Kollegin Michaela Kaniber gelernt, die bei den massiven Demonstrationen vor vier Wochen vor den Bauern auftrat und die Politik der CSU beim bayerischen Volksbegehren verteidigte.

Doch die Sorge unter den Landwirten ist groß, dass ihre Bewegung von der Politik vereinnahmt wird; der handfeste Richtungsstreit in der Bewegung »Land schafft Verbindung« ist immerhin einigermaßen beigelegt.

CDU und CSU wiederum fürchten, dass ihnen nun auch die Bauern von den Fahnen eilen. Deswegen wettern Funktionäre seit längerem vorsorglich heftig gegen die AfD. Mit ein Grund, warum sich Medien eher zögerlich mit den Protesten der Bauern befassen. Bis auf die taz, welche die Bauern eilfertig als »neurechtes Milieu« diffamiert und der »Desinformation« als »typisches Instrument des neurechten Milieus aus AfD und dem rechten Rand der CDU« abqualifiziert.

Wie lange das funktioniert, bleibt abzuwarten. Denn die Landwirte haben die Nase gestrichen voll – sowohl von Parteien wie CDU und CSU als auch von ihren Bauernverbänden, die ihnen Theater vorspielen. Nicht umsonst treten die kaum öffentlich bei den vehementen Protesten in Erscheinung.

Die Landwirte müssen mit ansehen, wie laute NGOs, radikalisierte Tierschützer und städtische Grünen ihnen über Verordnungen ihre Betriebsweise vorschreiben wollen. Vor allem ist ein städtisches Publikum mit inhaltsleeren, aber hoch emotionalen Kampfbegriffen wie Klimawandel, Insektenschutz, Überdüngung, Massentierhaltung Landwirten gegen die Landwirte in Stellung gebracht worden. Eine Umfrage ergab, dass 40,3 Prozent der Bevölkerung die Landwirtschaft in Deutschland im Allgemeinen als »wenig umweltverträglich« bewertet, der Auswahl »eher umweltverträglich« stimmten 24,9 Prozent zu und zu »sehr umweltverträglich« konnten sich nur 7,2 Prozent der Befragten hentschließen.

Nach den letzten Demonstrationen in Bonn und anderen Städten steigern die Landwirte ihren Druck und rollen aus vielen Teilen des Landes nach Berlin.

In ihrem Aufruf heißt es:

»Das von den Ministerinnen Klöckner und Schulze präsentierte ›Agrarpaket‹ wurde überstürzt mit heißer Nadel gestrickt. Es gefährdet nicht nur unsere landwirtschaftlichen Betriebe, sondern ist auch eine Gefahr für die regionale Lebensmittelproduktion und für den Erhalt der ländlichen Räume. Das möchten wir verhindern und deshalb gehen wir auf die Straße und fordern einen Dialog zu folgenden Punkten:

  • Das Aussetzen des Agrarpakets und ergebnisoffene Neuverhandlungen
  • Einheitliche Richtlinien für die Landwirtschaft in der gesamten EU. Keine deutschen Alleingänge
  • Die neutrale Erforschung des Insektenrückgangs – trotz oder wegen immer stärkerer Auflagen? Welchen Anteil haben z.B. LEDs, Mobilfunkanlagen, Windräder, Flächenversiegelung daran?
  • Die unabhängige Überprüfung der Nitrat-Messstellen sowie die Anzahl der Messpunkte auf einen europaweiten Standard auszuweiten, den Anteil an beispielsweise kommunalen und industriellen Nitrateinträgen ins Grundwasser zu ermitteln und ebenfalls zu berücksichtigen
  • Importierte Waren, die nicht dem EU-Standard entsprechen, als solche zu kennzeichnen. Ebenso die Herkunftskennzeichnung bei Rohwaren und verarbeiteten Lebensmitteln
  • Bei politischen Entscheidungen zu Umwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen, den Erhalt der regionalen Lebensmittelproduktion in den Vordergrund zu stellen und zu stärken
  • Anstatt neue Tierwohllabel zu entwickeln, die bestehenden zu fördern und weiterzuentwickeln
  • Dass gesellschaftliche Wünsche wie z.B. mehr Tierwohl, extensivere Bewirtschaftung (und damit geringerer Ertrag und Gewinn), die Ausbreitung der Wölfe und Umweltmaßnahmen finanziell von der Gesellschaft getragen werden
  • Die Bürokratie und Dokumentationspflicht zu vereinfachen.«

In einem Interview mit dem Fachmagazin topagrar verteidigt die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Kompromisse im Agrarpaket, den fast alle Landwirte als Kuhhandel auf Kosten der Bauern bewerten. Klöckner mochte sich dieser Wortwahl nicht anschließen: »Ich habe im Sinne der Landwirte sehr hart verhandelt. Es lagen Forderungen auf dem Tisch, die viel weitergehende Belastungen bedeutet hätten. Bei der Erhöhung der Umschichtung in die zweite Säule sagen mir viele Landwirte, das sei verkraftbar. 90 % der Mittel fließen wieder zurück an die Landwirte. Unser Tierwohlkennzeichen ist ein Angebot für die Branche. Es kann genau die Wertschätzung transportieren, die die Landwirte einfordern. Beim Insektenschutz ist leider nicht durchgedrungen, dass wir ein Eckpunktepapier verhandelt haben, kein festgezurrtes Gesetz. Wir werden die Landwirtschaft jetzt bei der Umsetzung intensiv einbinden.«

Sie versteht durchaus, dass die Bauern auf die Straße gehen: »Ich habe mit vielen Demonstranten gesprochen, auch mit den Initiatoren von ›Land schafft Verbindung‹. Da kommt viel zusammen. Es ist ein Gemisch aus zu wenig Wertschätzung, pauschalem Bauernbashing, zu wenig Zahlungsbereitschaft von Verbrauchern und politischen Entscheidungen auf allen Ebenen, die den Bauern etwas abverlangen. Aber es gibt gesellschaftliche Entwicklungen, den Klimawandel, Insektenschwund, Regelungen aus Brüssel, Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag und Gerichtsurteile, die wir nicht ignorieren können. Es wird Veränderungen geben. Dabei werden wir die Landwirte unterstützen.«

Immerhin: Berliner Straßen werden nach der Bauerndemonstration nicht so verdreckt aussehen wie Straßen und Plätze, auf denen die Fridays-for-future-Kiddies demonstrierten und ihren Müll mancherorts einfach liegen ließen. Der Kundgebungsplatz der Bauern in Bonn dagegen war hinterher blitzsauber.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 66 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

66 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Juergen F. Matthes
5 Jahre her

Offensichtlich blenden die Rot-Grünen Besserwisser den Zusammenghang auf, daß eine evidente Korrelation zwischen Insektensterben und Energiewende besteht. Man kann das auch Kausalität nennen.

Lara Berger
5 Jahre her

Ich unterstütze die Bauernproteste vollumfänglich. Umfragen traue ich nicht, denn erstens ist die Versuchung bestimmter kleiner aber lautstarker Kräfte in der Bevölkerung riesengroß, diese gemäß der eigenen Ideologie zu färben, zweitens weiß ich aus bitterer Erfahrung, wie viele erhebliche Fehler bei Umfragen gemacht werden, die jedes Ergebnis vollständig verzerren. Jede quantitative Erhebung gibt die Richtung des Ergebnisses schon vor, also lieber Finger weg von Umfrageergebnissen. Nur soviel: sie sind bestellt. Es wird den Bauern nichts nützen, sich von der AfD zu distanzieren, denn wie man am Gesinnungs-Schmierenblatt taz sehen kann, werden die Bauern sogar schon mal vorsorglich mit braunem Dreck… Mehr

Kassandra
5 Jahre her
Antworten an  Lara Berger

Mein ehemaliger Kollege, seit diesem Sommer schlecht sehend, ist auf die Information der Anstalten angewiesen.
Heute sagte er, dass die einzig vernünftigen Vorschläge während der übertragenen Debatten aus dem Bundestag von den Alternativen kämen. Halleluja…

Andreas S.
5 Jahre her

Wenn Bauer sich zu Tausenden auf den Weg nach Berlin machen, anstatt sich um ihre Scholle zu kümmern, dann muss es wirklich sehr ernst sein. Traktoren sind schließlich nicht für die Autobahn gebaut worden… Bedauerlich, in welchem Tempo sich die Spaltung der Gesellschaft fortsetzt! Die Ignoranz der Regierigen macht mich fassungslos.

Kassandra
5 Jahre her
Antworten an  Andreas S.

Wahrscheinlich greift auch hier Merkels großer, uns noch immer vollumfänglich unbekannter „Plan“.
Die werden kein wichtiges Sachgebiet hinsichtlich der „Welt im Wandel – die große Transformation“ ausgelassen haben.

Son of Bezzerk
5 Jahre her

Ich würde am Liebsten alle Handwerker und Arbeiter und alle die diesen Staat mit ihrer Arbeit und mit ihren Steuern am Leben halten zum Streik aufrufen und diesen Arroganten Schwafelbacken mal zeigen wo der Hammer hängt und unseren Klimawandel Hysterikern heute schon mal zeigen wie das so Läuft wen alles Klimaneutral ist,immer noch mehr Bezahlen immer noch mehr Arbeiten,Keine Lust mehr auf Gesödere keine Lust mehr auf Gemerkel und keine Lust mehr auf dieses ganze Ja-Sager Pack und Punkt

Winni
5 Jahre her

Die Bauern, die heute demonstrieren sind nicht diejenigen, denen die Verschandelung unser Landschaft völlig egal ist und war, weil sie sich dumm und dusselig verdienen an den Windrädern auf ihren Feldern. Heißt: Landwirt sein ist nicht per se gut oder schlecht.

Schiffskoch
5 Jahre her

So ähnliche Gesetze gibt es in Russland unter Putin. Deswegen kommen die auch trotz übler Sanktionen des Westens ganz gut über die Runden. Aber das ist ja eine Diktatur, wir haben die Musterdemokraten Maas und Merkel…

AnSi
5 Jahre her

Die Bauern brauchen noch mehr Unterstützung! Ich bin der Meinung, alle Menschen mit klarem Verstand sollten mit ihnen gemeinsam auf die Strasse gehen und die amtierenden Politiker mit der Heugabel aus dem Land jagen!

Alfonso
5 Jahre her

Dass sehr viele Menschen dumm sind, ist ja allgemein bekannt. Aber wenn man die vielen negativen und beleidigenden Kommentare die es heute überall über die Bauern gibt und die hirnlosen Äußerungen bei Twitter liest, dann muss man doch feststellen, dass sehr viele Menschen noch viel dümmer sind, als man es sich überhaupt vorstellen kann. Hier sieht geradezu eine Explosion von Bildungsarmut.

Andreas aus E.
5 Jahre her
Antworten an  Alfonso

Man sollte dieses Bauerngesindel mit Wasserwerfern und Gummiknüppel zurück in ihre Schweineställe prügeln! Genau wie dieses Bergbaupack!

Moderne Menschen beziehen ihre Lebesmittel aus dem Bio-Supermarkt, nicht vom Glyphosat-Misthaufen, und ihren Strom aus der E-Energy-Steckdose, nicht aus dem Atom-Tagebau, jawoll!

Darum bei nächster Wahl beide Stimmen für Annalena und Robby!!!

(soll ich sicherheitshalber wieder Smiley machen?)

Kassandra
5 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Wenn ich an S 21 und die Wasserwerfer gegen die Demonstranten im Stuttgarter Schlossgarten denkt habe ich Bedenken, ob so was nicht dann irgendwann noch kommen kann.
Die wüste Bekämpfung der Gelbwesten in Frankreich, die jetzt schon 1 Jahr beständig auf die Straße gehen, kommt ja hier in den Nachrichten gar nicht vor – auf twitter schon.

Melli
5 Jahre her

Gestern abend kam mir ne ganze Kolone auf der B224 entgegen, am liebsten hätte ich laut gehupt und die angefeuert. ??

Kassandra
5 Jahre her
Antworten an  Melli

Überlegen Sie sich beim nächsten Mal, ob Sie nicht doch frei entscheiden können, das Signalhorn Ihres Autos bei solchem Anlass zu betätigen?

frechdachs50
5 Jahre her

Meine ganze Sympathie und Solidarität gilt den Bauer die sich mit solchen Aktionen wehren. Laßt mit euch reden und rede mit allen aber laßt euch nicht bevormunden. Bietet den grünen Ökofaschisten und deren roten und schwarzen Steigbügelhaltern die Stirn. Und, die bzw. wir Verbraucher, müssen endlich begreifen, dass für gute Arbeit und gute Waren auch entsprechend gezahlt werden sollte. Wie oft sind Einkaufskörbe mit billig gekauften Lebensmittel übervoll?! Wie viel landet davon im Abfall?! Verbraucher, helft bitte unseren Landwirten. Ich jedenfalls mach das.

Son of Bezzerk
5 Jahre her
Antworten an  frechdachs50

Wenn ich mal wieder Herr über mein eigenes Geld würde könnte ich viel mehr noch für unsere Landwirte unsere Arbeiter und alle die hier noch Produktiv sind ausgeben aber nein da sind schon unsere Steuer Eintreiber und sonstige vor und unsere komplett habgierige Regierung !