Benediktinerabt in Jerusalem aufgefordert Kreuz zu verstecken

Als 2016 deutsche Bischöfe am Jerusalemer Tempelberg ihre Kreuze versteckten, verteidigte Pater Nikodemus dies als eine Form von „Sensibilität“. Als er nun aber selbst dazu aufgefordert wurde, weigerte er sich und warnte stattdessen vor einem „blinden Auge“ der Regierung Israels gegenüber Extremismus.

Screenshot via Twitter

Der aus den deutschen Medien bekannte Abt der Jerusalemer Benediktinerabtei Dormitio, Nikodemus Schnabel, wurde am Mittwochmorgen beim Überqueren des Platzes der Jerusalemer Klagemauer im Beisein der deutschen Forschungs- und Bildungsministerin Bettina Stark-Wetzinger (FDP), sowie u.a. von einem Spiegel-Journalisten, von einer offiziellen Vertreterin der Western Wall Heritage Foundation zum Abnehmen seines Brustkreuzes aufgefordert. Der Austausch zwischen dem Abt und der Wächterin erregte auf Twitter die Gemüter, denn der katholische Geistliche weigerte sich dem Aufruf Folge zu leisten, da er sich einerseits nicht im offiziellen Gebetsbereich befand und sein Kreuz außerdem Teil seines „dress-code“ als Abt sei.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Tragen von Kreuzen christlicher Würdenträger am Jerusalemer Tempelberg für Aufruhr sorgt. Als 2016 eine Delegation deutscher Bischöfe (sowohl katholisch, als auch evangelisch) auf dem Tempelberg ihre Kreuze versteckten, hagelte es Kritik für die Intoleranz gegenüber Christen. Damals jedoch plädierte Pater Nikodemus (der damals noch nicht Abt war) in einem Interview mit Domradio für Verständnis angesichts der „aufgeheizten“ Situation in Israel.

„Jerusalem ist eine überaus sensible Stadt und der sensibelste Ort in dieser sensiblen Stadt ist eben der Tempelberg „Haram el-Sharif“. Ich würde den Kritikern gerne umgekehrt sagen: Was wäre denn das Gegenzeichen gewesen, wenn acht Bischöfe – alle mit großem Brustkreuz – und entsprechend auch einige Vertreter der Evangelischen Kirche – ebenfalls mit Pektorale – in die Moschee und zur Westmauer gegangen wären?

Hätten nicht dann die Einheimischen gesagt, die Kreuzfahrer seien wieder unterwegs? Mit großen Kreuzen stehen sie an unseren heiligen Stätten, dem heiligsten Ort des Judentums und an dem drittheiligsten Ort des Islam. Das würde ich gerne allen Kritikern entgegenhalten. Mal kurz durchatmen, mal kurz nachdenken, was das Gegenteil für ein Ausdruck und eine Zeichenhaftigkeit gewesen wäre.“

Die heilige Bedeutung des Tempelbergs für das Christentum – und nicht nur für das Judentum und den Islam – erwähnte Pater Nikodemus damals allerdings nicht. In dem Gespräch relativierte er stattdessen den symbolischen Kniefall durch die Kreuzesabnahme der Bischöfe, die angesichts der unsicheren Verhältnisse von Christen im Heiligen Land von vielen Menschen als schlechtes Zeichen gesehen wurde.

„Es ist immer interessant zu sehen, je weiter die Menschen von Jerusalem weg wohnen, desto stärker ist ihre Meinung. Ich lade ein, mich als Mönch, der kein Brustkreuz trägt, durch Jerusalem zu begleiten und zu erleben, welche Reaktionen ich da bekomme.

Die Bischöfe waren als solche mehr als erkennbar, ebenso die Vertreter der Evangelischen Kirche im Lutherrock. Hier wurde nichts verleugnet. Die Frage ist die, wie ich mich bewege. Bewege ich mich im Respekt vor den Heiligtümern der anderen?

Die Kreuze hatten die Würdenträger ja die ganze Zeit auf dem Tempelberg an. Nur beim Betreten der Moschee wurden sie verdeckt. Dasselbe betrifft unten die Westmauer, die heilige Stätte des Judentums. Noch einmal: Das ist für mich eine Frage des Respekts.“

Allerdings war auf den Fotos aus 2016 auch zu sehen, wie die Bischöfe bereits auf dem Platz, also noch vor oder nach dem Betreten der Moschee, ohne Kreuz zu sehen waren. Pater Nikodemus schloss damals mit einem Aufruf gegen Radikalität:

„Ich würde mir in dieser Diskussion weniger Emotionalität wünschen. Man sollte mehr auf die Jerusalemer hören, die sich vor Ort seit Jahren bewegen und dort leben. Man muss gerade den Radikalen keine Nahrung geben, weil sie umgekehrt – das prophezeie ich – die Pektorale angelassen hätten.“

Genau dieser Hinweis auf die Radikalität könnte auch im jetzigen Fall hinter dem Sinneswandel des nunmehrigen Abtes stecken. Denn obwohl sich die Israelische Botschaft auf Twitter offiziell für den Vorfall entschuldigte, bot Pater Nikodemus noch am selben Tag Domradio ein weiteres Interview zu dem Vorfall.

In dem Gespräch legte der Abt dar, dass er Forschungsministerin Stark-Watzinger eine Führung durch Jerusalem gegeben hatte und diese nur noch über den Platz zu ihrem Auto bringen wollte. Der Abt erklärte, sich dabei nicht im Gebetsbereich befunden zu haben, in dem er „auch immer sensibel“ wäre. Er verglich die Aufforderung damit, auf der Kölner Domplatte darauf angesprochen zu werden, sich so zu kleiden wie in der Kathedrale.

In all der Aufregung um die Auseinandersetzung mit der Dame der Western Wall Heritage Foundation ging allerdings unter, dass die Delegation der Ministerin und des Abts nach der Aufforderung einfach weiterging und den Platz wie geplant kreuzte. Abt Nikodemus betonte, dass er „keine Anstalten gemacht“ habe, sich der Westmauer zu nähern, da er sich dort als „Abt in voller Montur nicht einfach unter die jüdischen Beter stellen“ würde, da dies „tatsächlich provokativ aufgefasst werden“ könnte.

Der Abt gab Domradio zu Protokoll, dass es sich um eine „offizielle Beamtin“ handelte, die ihn „massiver Art und Weise angegangen“ war und zwar „nicht unbedingt höflich“. Allerdings berichtete er auch, es immer wieder zu erleben „angespuckt zu werden, verbal angegangen zu werden“. Dabei handle es sich aber um „private“ Vorfälle. Nun fürchte er, dass wenn er sich nicht mehr als Benediktinerabt im jüdischen Viertel bewegen dürfe, man dort landen würde, wo man nicht hin wolle, nämlich dass es eine „No-Go-Area“ für Christen würde.

Angesprochen darauf, ob dies mit der rechten Regierung Israels zu tun habe, gab der Abt unumwunden zu, eine „Atmosphäre“ zu bemerken, die er als eine Auswirkung der israelischen Regierung deutete.

„Diese Frau hat mir Unrecht getan. Sie hat keine Regeln befolgt. Sie sagte, die Verhüllung des Kreuzes sei eine Neuregelung. Damit hat sie gelogen. Es gibt keine neue Regelung, die mir verbietet, im öffentlichen Raum im jüdischen Viertel als Benediktinerabt rumzulaufen. Da hat man das Gefühl, dass die Wählerinnen und Wähler dieser rechtsextremen Parteien für sich selbst neue Regeln aufstellen.“

Die Entschuldigung der israelischen Botschaft hatte der Abt zum Zeitpunkt des Gesprächs zwar noch nicht gesehen, er betonte aber, dass er mit der Aufarbeitung der Situation der Christen in Israel zur Zeit nicht zufrieden sei.

„Wir haben so viele Übergriffe dieses Jahr im Kleinen und Großen gehabt. Hinterher wird das dann immer entschuldigt und als Einzelfall weggelächelt. Das ist einfach ermüdend.

Was es jetzt braucht und da warten wir Christen schon lange drauf, ist eine Reaktion von allerhöchster Stelle, vom Ministerpräsidenten, von der derzeitige Regierung. Es muss mal ganz klare Kante gezeigt werden, dass es so nicht geht. Da ist das Schweigen mehr als auffällig.

Ich habe mich auch gewundert, wie dieser eher kleine Zwischenfall auf einmal so groß Furore macht. Ich muss ganz andere Sachen erleben. Aber man merkt, dass die derzeitige Regierung nicht nur ignorant gegenüber dem Problem ist, sondern Teil des Problems.

Da vermisse ich sehr stark eine klare Haltung, dass man sich dieser Form von Extremismus und auch den Formen des jüdischen Terrorismus, den es ja auch gibt, klar entgegenstellt. Da hat man doch das Gefühl, auf diesem Auge ist man bei der derzeitigen Regierung sehr blind.“

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