Robert Habeck, sonst Anzeige-Influencer, erlebt den Blick von der anderen Seite des Aktenzeichens: 12.000 Euro, dann ist Ruhe. Anlass sind Aussagen bei einer Dresdner Wahlkampfveranstaltung über das BSW und Sahra Wagenknecht, die als „inhaltlich unzutreffende Tatsachen“ beanstandet wurden.
picture alliance/dpa | Christoph Soeder
In Dresden ist ein Ermittlungsverfahren wegen Verleumdung gegen Robert Habeck vom Tisch. Nicht durch Urteil, sondern durch die in Deutschland beliebteste Alltagsabkürzung im politischen Betrieb: Einstellung gegen Geldauflage. 12.000 Euro, verteilt an drei gemeinnützige Vereine.
Wichtig ist dabei das Kleingedruckte, weil es das Große erklärt: Das ist juristisch keine Geldstrafe und kein Schuldspruch. Es ist der Preis dafür, dass man sich den Prozess spart, mitsamt Bühne, Schlagzeilen und dem Risiko, dass ein Gericht später einen anderen Tonfall findet als die eigene Verteidigung.
Ausgelöst wurde das Ganze durch eine Strafanzeige des BSW und von Sahra Wagenknecht. Anlass waren Aussagen Habecks bei einer Wahlkampfveranstaltung in Dresden am 30. August 2024. Es ging um den Vorwurf, das BSW lasse sich „für seine Meinung bezahlen“, kaufe „Stimmen“ im Internet und baue „Trollarmeen“ auf.
Die Staatsanwaltschaft begründete die Einstellung auch mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit und die hohen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht bei Äußerungsdelikten setzt. Übersetzt: Nicht alles, was politisch grob ist, wird strafrechtlich fein säuberlich verurteilt.
Soweit ein normaler Streit in einem Land, in dem Wahlkampf oft wie eine Kneipendebatte klingt, nur mit besserer Lichtsetzung. Der eigentliche Reiz entsteht erst beim Blick auf den Absender. Denn Habeck ist nicht nur jemand, der austeilen kann, sondern auch jemand, der das Austeilen gegen sich regelmäßig aktenkundig macht. Der Bundestag listet für das Wirtschaftsministerium in seiner Legislaturperiode seit dem 26. September 2021 insgesamt 805 Strafanzeigen, jeweils wegen gegen Habeck gerichteter Beleidigungen oder Bedrohungen. Dazu kommt die zweite Zahl, die den Stil beschreibt: Seit April 2023 waren es laut Berichten mehr als 700 Anzeigen wegen sogenannter Hassnachrichten, gestellt über Ministerium und Abgeordnetenbüro, teils begleitet von spezialisierten Kanzleien und HateAid.
Das ist die Habeck Methode: nicht nur „klare Kante“ in Talkshows, sondern klare Aktenzeichen im Hintergrund. Wer an manchen Tagen glaubt, Politik bestehe aus Gesetzen, unterschätzt, wie viel Politik inzwischen aus Screenshots besteht. Und dann war da dieser Fall, der zum Symbol wurde, weil er so deutsch ist, dass man ihn eigentlich mit Stempelgeräusch erzählen muss: das „Schwachkopf PROFESSIONAL“-Meme. Die Staatsanwaltschaft Bamberg teilte damals mit, Habeck habe Strafantrag gestellt, es folgte eine Hausdurchsuchung.
Später präzisierte die Staatsanwaltschaft, wie es dazu kam: Der Vorgang wurde Habeck zur Prüfung eines Strafantrags zugeleitet, der Strafantrag sei am 12. September 2024 gestellt worden. Das ist diese moderne Arbeitsteilung: Der Bürger postet, die Behörde prüft, der Politiker kreuzt an, die Polizei klingelt. Parallel dazu wurde im Bundestag, in Redaktionen und unter Juristen lauter diskutiert, ob der besondere Schutz für Politiker bei Beleidigungen, etwa über § 188 StGB, nicht eine Schieflage erzeugt. Schutz der Demokratie hier, Selbstzensur dort, und dazwischen die Frage, ob der Staat gerade zu gerne zeigt, wie schnell er sein kann, wenn es um die Ehre der Mächtigen geht. Eine Kunst, in der Friedrich Merz Robert Habeck nach Recherchen von Welt zahlenmäßig auf die Bretter schickt.
Und jetzt also Dresden. Der Mann, dessen Apparat sonst gern den Weg vom Post zum Strafantrag kennt und Meldestellen auf Kurzwahltaste, lernt den umgekehrten Weg kennen. Erst die Rede, dann die Anzeige, dann das recht nüchterne Signal: Einstellung ja, aber nicht gratis.
Das kann man, bei aller politischen Härte, sogar fröhlich lesen, weil es eine dieser seltenen rechtsstaatlichen Pointen ist. Nicht, weil 12.000 Euro irgendwen ruinieren, sondern weil sie zeigen, dass das große Wort auch beim großen Sprecher nicht automatisch als sakrosankt durchgewunken wird.

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Nur 12.000 €? Hat man da eine Null vergessen, vor dem Komma, hintendran?
Ich kann mich meiner Schadenfreude nicht erwehren. „What goes around, comes around“, sagt man auf englisch: Was man nach außen verteilt, kommt irgendwann einmal zurück. Habeck-Karma.
Aber im Grund ist dies höchst bedauerlich: Politische Auseinandersetzung, die in der Sache so notwendig ist, ist zu einem Schlachtfeld mit blutig geschlagenen Seelen geworden. Die Beteiligten zahlen einen hohen Preis (deshalb will den Job keiner mehr machen, der woanders etwas werden kann), das Land aber noch einen höheren: Statt Politik bekommt es täglichen Käfigkampf.
Zu zahlen an drei gemeinnützige Vereine. – Welche das wohl sein werden. – Wird der „Schwarm aller Schwiegermütter/Oma’s gg Rechts“ die Spenden von der Steuer absetzen?
Und – fast vergessen, wieviel Tagessätze entspricht der Betrag? 89 oder 5, oder so?
Habeck ist laut Artikel für mehr als 1.500 Strafanzeigen verantwortlich, meist wegen § 188 StGB, „Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung“.
Ich wunder mich, wieso dieser Paragraph anscheinend nicht für ihn gilt. Denn schließlich ist auch Sarah Wagenknecht eine „Person des öffentlichen Lebens“.