Die Inflation ist an den Börsen angekommen

Auch diesseits des Atlantik scheint sich die Teuerung zu verfestigen. In der EU stieg die Inflationsrate im Mai nochmals deutlich und erreichte 8,1 Prozent. 7,9 Prozent waren es in Deutschland. Damit ist die Preissteigerung so wuchtig wie auf dem Rekordniveau von 1973/74.

IMAGO / Bihlmayerfotografie

„Ich glaube, ich habe mich geirrt, was die Entwicklung der Inflation anbelangt“, berichtete kürzlich die amerikanische Finanzministerin, Janet Yellen. Yellen, die von 2014 bis 2018 Präsidentin der US-Notenbank gewesen war, lieferte auch gleich eine Begründung mit: „Es gab unvorhergesehene und große Schocks für die Wirtschaft, die die Energie- und Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben haben, und Versorgungsengpässe, die unsere Wirtschaft stark beeinträchtigt haben, aber wir erkennen das jetzt.“

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Nun, es ist schön, dass die Finanzministerin und ihr Nachfolger im Amt des Notenbank-Chefs, Jerome Powell, glauben, den allgemeinen Preisauftrieb noch in diesem Jahr unter Kontrolle bringen zu können, aber das entspricht nicht der Erwartung der meisten Bürger. „Denken Sie wirklich, dass all die Lebensmittelunternehmen die erhöhten Preise senken werden, sobald die Lieferketten wieder in Ordnung sind? Glauben Sie, die Eier werden wieder günstiger werden? Diese hohen Preise werden bleiben“, zitiert die „Neue Zürcher Zeitung“ einen Passanten in der Hauptstadt. In der Tat lässt sich nicht mehr behaupten, dass Amerikas Inflationsproblem ein vorübergehendes Phänomen sei, wie Präsident Joe Biden und seine Minister das stets erklärt haben, sondern sie hält sich hartnäckig.

Auch diesseits des Atlantik scheint sich die Teuerung zu verfestigen. In der EU stieg die Inflationsrate im Mai nochmals deutlich und erreichte 8,1 Prozent. 7,9 Prozent waren es dabei in Deutschland. Damit ist die Preissteigerung so wuchtig wie auf dem Rekordniveau von 1973/74. Die Teuerungsprognosen wurden am Donnerstag auch von der Europäischen Zentralbank angehoben. Sie geht nun von einer jährlichen Inflationsrate von 6,8 Prozent im Jahr 2022 aus, bevor sie auf 3,5 Prozent im Jahr 2023 schrumpfen soll.

Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) nun schließlich auch angekündigt hat, das Inflationsthema künftig ernstzunehmen, fragt sich, ob die Inflation noch rechtzeitig gezähmt werden kann oder ob sie außer Kontrolle gerät. Gründe dafür gäbe es genug; die wichtigsten sind die Gefahr eines weiteren gegenseitigen Hochschaukelns der Preise in den Lieferketten und das Entstehen einer Lohn-Preis-Spirale.

Sowohl Biden als auch die europäischen Spitzenpolitiker machen in erster Linie „Putins Krieg in der Ukraine“ und die dadurch ausgelösten Probleme in der Lieferkette für die enormen Preissteigerungen verantwortlich, doch so einfach ist eben nicht. Jetzt wird auch die Rechnung für die überexpansive Geldpolitik der vergangenen Jahre bezahlt. Kein Wunder, dass die Inflations- und Konjunktursorgen am Freitag die jüngste Talfahrt der US-Börsen beschleunigten. Der Leitindex Dow Jones Industrial büßte 2,7 Prozent auf 31.393 Punkte ein. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Minus von 4,6 Prozent. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um 2,9 Prozent auf 3.901 Punkte nach unten. Der technologielastige NASDAQ 100 sank um 3,6 Prozent auf 1.833 Zähler ein. Alle drei Indizes verzeichneten damit jeweils den größten Wochenverlust seit Januar.

Politik an den Sorgen der Bürger vorbei
Jetzt ist sie halt da, die Inflation 
„Nachdem die US-Inflationsrate im April gesunken war, hatten die Spekulationen zugenommen, dass damit der Hochpunkt überschritten ist“, schreibt Analyst Christoph Balz von der Commerzbank. Mit dem erneuten Anstieg habe sich dies nun erledigt. Die Details der aktuellen Zahlen zeigten vielmehr, dass der Inflationsdruck breit angelegt bleibe. Viele Marktteinehmer rechnen inzwischen damit, dass die Fed bei der Sitzung im Juli den Leitzins sogar um 0,75 Prozentpunkte anheben wird.

Unter den Einzelwerten verzeichneten Bankaktien besonders deutliche Verluste. Anleger befürchten, dass die Notenbanken angesichts der immer weiter steigenden Teuerung zu einem noch strafferen geldpolitischen Kurs tendieren könnten – mit größeren Zinsschritten als bisher angenommen. Zwar gelten Banken als Nutznießer steigender Zinsen, doch kann andererseits eine zu harte Geldpolitik das Wirtschaftswachstum abwürgen und auch die Kreditnachfrage bremsen. So knickten die Papiere von Goldman Sachs unter den größten Verlierern im Dow um 5,7 Prozent ein und die von JPMorgan um 4,6 Prozent.

Die Anteilscheine von DocuSign sackten um fast ein Viertel ab und waren damit der klare Verlierer im Nasdaq 100. Die E-Signatur-Plattform hatte enttäuschende Quartalszahlen vorgelegt. Bei dem Unternehmen verschlechterte sich die Umsatzdynamik im ersten Geschäftsquartal erneut. Die Aktien des Kosmetikherstellers Revlon brachen sogar um 53 Prozent ein und verzeichneten damit den größten prozentualen Tagesverlust ihrer Geschichte. Händler verwiesen auf Spekulationen über einen bevorstehenden Insolvenzantrag.

Zeitenwende
Die Inflation ist Dynamit für die Politik
Zuvor hatten schon die Kurse am deutschen Aktienmarkt deutlich nachgegeben. Experten warnten vor sinkenden Unternehmensgewinnen, einer sich weiter eintrübenden Konsumlaune und letztlich einem Abrutschen der Wirtschaft in eine Rezession. Der Dax fiel angesichts dieser Szenarien unter die Marke von 14.000 Punkten und schloss 3,1 Prozent tiefer auf 13.762 Punkten. Es war sein vierter Verlusttag in Folge, sodass auch die Wochenbilanz mit minus 4,8 Prozent sehr schwach ausfällt. Der MDAX der mittelgroßen Börsentitel büßte drei Prozent auf 28.767 Punkte ein.

Sorgen um die Konjunktur angesichts der hohen Teuerung und steigender Zinsen belasteten europaweit Bankaktien. Banken profitieren eigentlich von höheren Zinsen, es nützt ihnen aber wenig, wenn sich gleichzeitig die Wirtschaft deutlich abkühlt. Die Papiere der Deutschen Bank verloren am Dax-Ende 5,9 Prozent. Die Anteile der Commerzbank gaben unter den schwächsten Werten im MDax um 5,6 Prozent nach. Vor dem Hintergrund der Zinswende in der Eurozone waren auch Immobilienwerte schwach. Vonovia büßten 3,3 Prozent ein, im MDax verloren TAG Immobilien 6,3 Prozent. Instone rutschten inklusive Dividendenabschlag im SDAX sogar um 13 Prozent ab. Knorr-Bremse kamen mit minus 0,8 Prozent noch relativ glimpflich davon. Eine frische Kaufempfehlung der Citigroup stützte die Aktie des Herstellers von Bremssystemen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 16 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

16 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
giesemann
1 Jahr her

Inflation heißt

  1. Aufblähen der Geldmengen.
  2. Teuerung, weil die Nachfrage größer ist als das Angebot.

Das sind zwei Paar Stiefel.
Teuerung kann passieren, wenn Warenmangel herrscht, auch ganz ohne vorheriges Aufblähen der Geldmengen. Was nützt mir Geld, wenn ich nichts dafür kaufen kann? Nenne das seit geraumer Zeit „DDR-Effekt“: Alle haben einen Job, alle haben deshalb auch Geld – aber weil keiner was tut für sein Geld, ist ebend nix da … .
Aktien sind Sachwerte – eigentlich müssten die Kurse steigen, wenn Inflation ist. Aber die Börse ist genauso verrückt wie alle/s anderen auch. https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/geldanlage/die-inflation-ist-an-den-boersen-angekommen/
 

Tizian
1 Jahr her

Weshalb sollte die Inflation an der Börse angekommen sein, nur weil die Big Player, die genug verdient haben, daß Geld vom Tisch nehmen, um in ein paar Monaten tief genug unten wieder einzusteigen?! Das ewig alte Spiel der Finanzmärkte wird gespielt, nicht mehr und nicht weniger. Das man jetzt die Luft aus dem Ballon rausläßt, den man Jahre lang aufgeblasen hat beschleunigt das sicher etwas, aber das Spiel ist immer dasselbe. Wer den guten alten Kostolany gelesen und verstanden hat, der ist weder irritiert noch ängstlich, sondern wartet geduldig ab, bis der Kreislauf wieder von vorn beginnt. Die Cleveren und… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Tizian
pcn
1 Jahr her

Wir sind ja erst am Anfang einer nun einsetzenden galppierenden Inflation. Wenig Ware, Leiferkettenprobleme, Wucherpreise auf dem gesamten Energiesektor, zu erwartende massive Lohnsteigerungen, Logistikprobleme bei den Spediteuren durch überhöhte Energiekosten, Mit Putins Krieg hat die Inflation nun wirklich nichts, oder nur sehr wenig zutun. Dann dieser Wahnsinn Energiewende, die das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wenn Herbst und Winter kommen werden, dann werden wir Deutschen lernen, was es heißt, mit Inflation zu leben. Obendrein noch Strom- und Gasrationierungen, wenn die Speicher bis dahin nicht bis zum Rand gefüllt werden konnten. Wir werden erleben, dass dann täglich und nicht nur wöchentlich… Mehr

erwin16
1 Jahr her

„Gegenseitiges Hochschaukeln“ ist gut!

Die Preise sind zur Zeit auf dem Erzeugersektor viel zu niedrig!
Die hohen Preise kommen nur bei den Händlern an!

Wenn das mit Putin so weiter geht bliebt das alles auch sehr angespannt und die richtige Spirale geht erst los, weil die Güter knapp werden!

Ante
1 Jahr her

Die Aufgabe der DM zugunsten des Euro war der Anfang vom Ende. Geschieht dem BRD-Bürger ganz recht, dass er jetzt an sein Ende kommt. Lieber ein Ende mit Schrecken als weiter Euro- und Russenknecht zu sein. Das beste an der BRD war die DM. Ihr alle habt sie sausen lassen. Jetzt lässt der Euro euch sausen.

Mausi
1 Jahr her

Es gab unvorhergesehene und große Schocks für die Wirtschaft, die die Energie- und Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben haben, und Versorgungsengpässe, die unsere Wirtschaft stark beeinträchtigt haben, aber wir erkennen das jetzt.“

Amüsant. Das haben unsere Politiker in weniger Worte gefasst:

Wir waren naiv.
Mit dem Wissen von Heute.
Aufgrund familiärer Situation überlastet.
…..

Autour
1 Jahr her

Also man kann mir ja noch 1000 mal erzählen, dass dies alles am Gelddrucken liegt und man die Inflation mit Finanztaschenspielertricks beheben kann, nur ist dies einfach nicht der Fall! Das gedruckte Geld kam ja beim Bürger gar nicht erst an! Oder hat hier irgendjemand in den letzten Jahren enorme Einkommenssteigerungen erfahren? Nur das Grosskapital hat profitiert. (Man schaue sich die Vorträge des Prof. Sinn an, der das sehr gut argumentativ dargelegt hat!) Das Problem und das haben all die ganzen Wirtschaftsexperten noch gar nicht auf dem Schirm ist, dass es momentan einfach nicht genug Waren gibt! (Manche nenen es… Mehr

Rosalinde
1 Jahr her

Die Spekulation an der Börse macht die Preissituation transparent und hilft dem Handel nicht überrascht zu werden!
Diese sind auf keinen Fall die Ursache, sondern nur die natürliche Reaktion der Marktteilnehmer auf die real existierende Inflation.

Mausi
1 Jahr her
Antworten an  Rosalinde

Danke dafür, dass Sie Ihre Ablehnung begründen!

Kuno.2
1 Jahr her

Ursache der Inflation ist immer dieselbe, egal ob 1923 oder hundert Jahre früher. Dieses ist die Geldausweitung, d.h. die wenig gebremste Kreditvergabe an Leute die später in der Krise den Kredit nicht mehr zurück zahlen können.
2008 hätte die Kreditkrise, oder Verschuldungskrise ausgeschwitzt werden müssen, stattdessen wurden die Zinsen weiter gesenkt.
Der Ministerin Yanett Yellen hätte auch ein Blick in ein Buch der Volkswirtschaftslehre vergangener Jahre helfen können.
Aber wie glaubwürdig ist das denn alles?

Last edited 1 Jahr her by Kuno.2
Mausi
1 Jahr her
Antworten an  Kuno.2

Wir haben bisher eine Inflation bei Aktien und Immobilien gehabt. Verursacht durch die Geldöolutk seit der Lehmann-Krise. Jetzt weitet sie sich aus. Durch grüne Politik wird seit Jahren weltweit weniger in den Abbau von fossilen Energieträgern gesteckt. Wenn also grüne Energie an ihre Grenzen stösst, dann gibt es kein Ausweichen und die Energie wird teuer. Das wird jetzt deutlich und durch die Maßnahmen im Ukrainekrieg eigentlich offensichtlich. Vertuschung funktioniert aber unverändert. Zum anderen sind durch die „Pandemie“Massnahmen die Lieferketten unterbrochen. In D kommt noch das “ Saubere LieferkettenG“ hinzu. Es fehlt an Angebot. Das treibt die Preise. Aber Vertuschung auch… Mehr

Ante
1 Jahr her

Falsch, die Inflation kommt einzig und allein vom Euro und aus dem Euro. EZB allein steuert Euro-Zinsen und Euro-Geldmenge. Seit Euro-Einführung wurden die Zinsen massiv gesenkt, die Geldmenge massiv erhöht, die Staatsverschuldung in allen Eurostaaten hochgetrieben. Deswegen galoppiert heute die Inflation. Alles andere spielt keine relevante Rolle, also weder Spekulanten noch Märkte, noch sonstige Gründe. Politik braucht ein Feindbild. Der Spekulant eignet sich dafür bestens. Falsch bleibt es trotzdem. Politik möchte das Volk glauben machen, Spekulanten seien verantwortlich. Verantwortlich für Inflation ist allein die EZB. Kein Corona, kein Ukrainekrieg verursachen Inflation. Inflation war und ist immer ein monetäres Problem. Nachzulesen… Mehr