Korruption in Kiew: Mehrheit der Ukrainer hält Selenskyj für mitverantwortlich

59 Prozent der Ukrainer sind der Ansicht, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich Verantwortung für die Korruptionsvorwürfe in seinem Umfeld trägt. Die aktuelle Umfrage, bei der 1.000 Personen befragt worden waren, zeigt eine deutliche Skepsis gegenüber der politischen Führung des Landes inmitten einer der größten Korruptionsaffären.

picture alliance / dts-Agentur | -

Während die meisten deutschen und österreichischen Medien nur kurz darüber berichtet haben, ist die Korruptions-Kriminalität in Kiew weiterhin ein viel diskutiertes Thema in der Ukraine: 77 Prozent der befragten Ukrainer gaben gegenüber den Demoskopen des ukrainischen Meinungsforschungsinstituts Kyiv International Institute of Sociology (KIIS) an, von den Ermittlungen gegen ein weit verzweigtes Korruptionsnetzwerk gehört zu haben (die Umfrage: Прес-релізи та звіти – Сприйняття антикорупційного розслідування в рамках «плівок Міндіча»)

35 Prozent fühlen sich darüber „vollständig informiert“, weitere 42 Prozent bestätigten, zumindest teilweise darüber Bescheid zu wissen. Unter denjenigen, die den Fall kennen, halten 71 Prozent die Anti-Korruptionsuntersuchung für gerechtfertigt und gehen davon aus, dass tatsächlich unrechtmäßige Praktiken stattgefunden haben.

Gleichzeitig bezeichneten 15 Prozent die Untersuchung der Korruptionsermittler als fragwürdig und äußerten Kritik an den Behörden.

Zur Frage, ob Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich für das Fehlverhalten des engen Vertrauten Timur Mindich – das ist der untergetauchte Millionär mit der goldenen Toilette – verantwortlich sei, antworteten 59 Prozent mit Ja, 30 Prozent lehnten dies ab, und 11 Prozent waren unentschieden.

Der Kriminalfall, der Selenskyj politisch belastet

Erst vor wneigen Wochen ist der Korruptionsskandal im staatlichen Energiesektor aufgeflogen, hauptsächlich betroffen ist dabei Energoatom, der staatliche Betreiber der ukrainischen Atomkraftwerke. Bei diesem Unternehmen, das etwa die Hälfte des ukrainischen Stroms erzeugt, soll über Jahre hinweg ein System von Bestechungsgeldern und illegalen Zahlungen existiert haben, mehr als 100 Millionen Euro dürften erbeutet worden sein.

Die Ermittlungen, die unter dem Namen „Operation Midas“ geführt werden, werden vom Nationalen Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) und der Speziellen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft über einen Zeitraum von mehr als 15 Monaten betrieben. Dabei wurden 1.000 Stunden abgehörter Gespräche ausgewertet und zahlreiche Hausdurchsuchungen durchgeführt, um ein Netzwerk aufzudecken, in dem Auftragnehmer von Energoatom gezwungen worden sein sollen, 10 bis 15 Prozent ihres Auftragswerts als Schmiergeld zu zahlen, um ihre Geschäfte fortsetzen zu können.

Im Zentrum dieser Ermittlungen steht der bekannte ukrainische Geschäftsmann Timur Mindich, ein früherer Geschäftspartner von Selenskyj und Mitbegründer des Produktionsstudios Kvartal 95, das der jetzige Präsident vor seinem Amtsantritt geführt hatte.

Mindich gilt als mutmaßlicher Kopf der Gruppe, die das System der Bestechung und Geldwäsche aufgebaut haben soll. Er ist einer von mehreren Beschuldigten, gegen die die Behörden Anklage erhoben haben. Nach offiziellen Angaben hat er das Land verlassen, bevor Ermittler ihn festnehmen konnten. Mindich soll entweder in Österreich oder in Israel untergetaucht sein. In der Ukraine wurde inzwischen in seiner Abwesenheit ein Haftbefehl erlassen, mögliche Maßnahmen über Interpol zur Sicherstellung seiner Rückkehr werden vorbereitet.

Neben Timur Mindich sind weitere hochrangige Personen aus Politik und Wirtschaft ins Visier der Ermittler geraten. Minister und frühere Amtsträger wurden suspendiert oder zum Rücktritt gedrängt. Das Nationale Antikorruptionsbüro hat gegen mehrere Personen Anklage erhoben.

Die politischen Folgen des Skandals sind gewaltig: Innenpolitisch wächst der Druck auf Präsident Selenskyj, Reformen zur Bekämpfung der Korruption entschlossener durchzusetzen. International wird der Fall genau beobachtet, weil Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit zentrale Bedingungen für politische und finanzielle Unterstützung durch westliche Partner sind.

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Kommentare ( 22 )

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Teiresias
3 Stunden her

Mindich ist auch der mit den goldenen Toiletten.

Er hat sich nach Israel abgesetzt, wo er dank seines israelischen Passes sicher vor Auslieferung ist (wie viele andere osteuropäische Mafiosi).

Nach einer Gerichtsaussage Kolomoiskys hat er dort mit Glück einen Mordanschlag überlebt, weil das Kommando sich in der Hausnummer geirrt haben soll.

Lucius de Geer
3 Stunden her

Rhetorische Frage: Wer würde einem politisierenden Schauspieler in Fantasieuniform (zuletzt mit Fascho-Einschlag) einen Gebrauchtwagen abkaufen?

Edwin
4 Stunden her

Ist nicht auch unser Korrupti Graichen im Energiesektor der Ukraine tätig? Gibt es da Schnittstellen zu unserer Regierung?

Unglaeubiger
4 Stunden her

Viel Getöns, bei dem wie immer nix rauskommen wird. Dieses korrupte Gesindel wird sich weiter bereichern, die Menschlein werden diese Sauerreien vergessen, es wird einfach mit anderen „Verantwortlichen“ genau so weitergehen wie bisher. Die Kühe werden gemolken, bis kein Tropfen mehr raus zu quetschen ist und die Menschlein werden achselzuckend, höchstens mit geballter Faust in der Tasche wie seit hunderten von Jahren auf irgendeine Art (Verlust von Wohlstand mit bitterer Armut oder Leben durch aufgezwungenen Krieg) bezahlen!

Siggi
4 Stunden her

Dazu reicht ei8n einfacher Vergleich seines Vermögens vor und nach dem Krieg.

Or
3 Stunden her
Antworten an  Siggi

Jep. Oder daß ein Selenskye nur den Friedensverhandlungen zustimmen will, wenn für ihn eine Generalamnestie rausspringt.

Chlorhahn
5 Stunden her

Nicht zu vergessen die Räuberpistole, wonach Selenski von der geplanten Sprengung von Nordstream 1/2 durch ukrainische „Spezialkräfte“ so spät erfahren haben will, dass er dann leider nichts mehr machen konnte.

Reinhard Schroeter
5 Stunden her

Was soll man sagen, die ukrainische Gesellschaft lebt nicht erst seit Selensky mit der Korruption. Wenige sehr gut, andere weniger gut. Man steht am Grenzübergang in der Schlange und wird wieder zurück geschickt , so lange bis man mitbekommen hatte, seinem Pass einen Geldschein beizulegen. Man kann 20 l Benzin im Kanister ausführen und ist erstaunt über jemanden, der gerade den 3. Kanister fülllt. Er verrät das Geheimnis, welches keines ist, Dem Zollbeamten bei der Ausreise einen Geldschein zuzuschieben und der Kofferraum muss nicht geöffnet werden. Es waren unkrainische Offiziere der sowjetischen Truppen im Osten, die vor der Wende meinem… Mehr

Endlich Frei
5 Stunden her

Ich meine, dass wir wenigstens die Hälfte der gigantischen Milliardenberäge an Kiev für „gemeinnützige Offshore-Konten“ in Panama & Co. werden abschreiben müssen, ist politisch – stellvertretend für’s Volk – gemeinhin längst akzeptiert.

Solange unsere heimischen Poliltiker nur hinreichend an dem Schwindel beteiligt werden, laufen diese aus der Ukraine importierten Usanzen sicherlich als ‚Kulturbereicherung‘ und ‚Förderung materieller Vielfalt‘.

Judith Panther
5 Stunden her

Sind Katholiken katholisch?
Wußte Goebbels, was Propaganda ist?
Weiß Putin, daß es in Rußland Oligarchen gibt?
Ist Selensky korrupt?

Lauter rhetorische Fragen an Radio Eriwan,
doch Radio Eriwan antwortet nicht …

Danton
5 Stunden her

Auch der letzte sollte doch mitlerweile begriffen haben, das die Ukraine ein Mafiastaat ist. Selenkyj wäre längst verschleppt worden würde er ein Wort gegen das organisierte Verbrechen in seinem Land sagen. Die drei Buchstaben ‚SBU‘ lassen jeden der Kritik versucht zusammenzucken. Das ist eine straff organisierte Mafia die in Geldwäsche, Waffenhandel, Pornographie, Killerkommandos und nicht zu letzt in internationalen Betrugssystemen ihr Auskömmen findet. Goldene Klos sind da nur ein Schmankerl. Es gibt nur deshalb keine erstzunehmende Opposition in der Ukraine, weil sie längst vom Geheimdienst gefoltert und vernichtet worden wäre. Wann zieht man denn die Brille mit den Scheuklappen ab?… Mehr

Ornhorst
4 Stunden her
Antworten an  Danton

Mafia? Ich denke, es handelt sich um Nazis. Hat Russia Today seine Linie geändert?
Mafia, OK, gibt es auch bei uns. Die schmuggeln Drogen, Frauen, und leben hier ein ruhiges Leben. Der deutsche Staat ist eben viel toleranter oder naiver als der italienische oder chinesische.