Wem sind bisher "diskriminierende Bilder" in unserer christlichen Weihnachtsgeschichte aufgefallen? Aktivisten in Berlin meinen jedenfalls, dass diese existieren und wollen darauf hinweisen.
picture alliance / Godong | Philippe Lissac
Die schönste Zeit im Jahr mit einer großen Vorfreude auf den Weihnachtsabend wird nun von einer Adventveranstaltung in Berlin etwas getrübt: Unter dem Titel „Decolonizing Christmas“ lädt ein Verein zu einer Führung durch den Weihnachtsgarten der Friedenskirche Charlottenburg. Das Ziel: „koloniale und diskriminierende Bilder“ in der Weihnachtsgeschichte sichtbar zu machen. Möglich wird das Projekt durch finanzielle Unterstützung der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wenig überraschend provoziert diese Veranstaltung Kritik: Zahlreiche Stimmen aus Politik, Religionswissenschaft und Zivilgesellschaft werfen den Organisatoren vor, ein christliches Fest zu problematisieren, statt sich mit dessen kultureller Bedeutung und jahrhundertelanger Wirkungsgeschichte korrekt auseinanderzusetzen. Die Frage steht im Raum, ob hier tatsächlich eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet – oder aber vielmehr eine schleichende Delegitimierung christlicher Traditionen.
Auch die Berliner Imamin und Frauenrechtlerin Seyran Ates, Gründerin einer liberalen Moschee, zeigte sich gegenüber WELT TV irritiert: „Ich habe lange gesucht, aber ich sehe keinerlei Zusammenhang zwischen der Weihnachtsgeschichte und kolonialer Unterdrückung.“ Die Geburt Jesu sei eine Erzählung von Frieden, Nächstenliebe und Hoffnung. Ates: „Sie mit Machtspielen zu verknüpfen, erscheint mir schlicht absurd.“
Besonders scharf kritisieren Experten den grundsätzlichen Trend, christliche Feste zu entkernen, während gleichzeitig andere religiöse Traditionen – etwa islamische – im öffentlichen Raum zunehmend sichtbar gefördert werden. Ates sprach von einem „merkwürdigen Ungleichgewicht“, wenn in staatlichen Einrichtungen Halal-Vorgaben, Geschlechtertrennung oder Kopftuchregelungen akzeptiert würden, während zugleich „versucht werde, Weihnachten zu deinstallieren“.
Sorgt ebenso für Debatten: Die gesichtslose Weihnachtskrippe
Der Streit reiht sich ein in eine breitere europäische Debatte: Erst vor wenigen Tagen sorgte die Stadt Brüssel für Schlagzeilen, als der dortige Weihnachtsmarkt eine „gesichtslose Krippe“ präsentierte – eine Installation, in der Maria, Josef und Jesus ohne Gesichter dargestellt werden. Kritiker warfen den Verantwortlichen vor, religiöse Symbolik aus übertriebener Sensibilität gegenüber Andersdenkenden zu verfremden und damit genau das abzubauen, was das Weihnachtsfest kulturell ausmacht: Identität, Geschichte und spirituelle Erzählung.
Auch die Frankfurter Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter warnt vor einer einseitigen Fokussierung: Es sei legitim, historische Verfehlungen religiöser Traditionen zu beleuchten, doch müsse dies „ehrlich, umfassend und nicht selektiv“ geschehen. Wenn man schon koloniale, rassistische oder antisemitische Elemente in religiösen Erzählungen thematisieren wolle, dann müsse das gleichermaßen für christliche wie muslimische Traditionen gelten. „Gerade jetzt, wo der Antisemitismus in Deutschland wieder explodiert, auch aus muslimischen Milieus heraus, ist diese einseitige Kritik nicht nachvollziehbar“, so Schröter.
Am 15. Dezember findet eine weitere mit Mitteln der Senatsverwaltung finanzierte „interreligiöse und rassismuskritische“ Führung durch den Berliner Weihnachtsgarten statt. Der Titel dazu auf der Homepage der Veranstalter: „Zwischen Tradition, Religion und Rassismus – Weihnachten neu denken!“


Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein