„IG BCE ist zu einer Vorfeldorganisation der SPD mutiert“ – Gewerkschaftsarbeit wird zu Parteiarbeit

TE-Autor Frank Hennig verlässt nach 53 Jahren die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Tichys Einblick veröffentlicht sein Kündigungsschreiben.

picture alliance/dpa | Hauke-Christian Dittrich

Nach 53 Jahren Mitgliedschaft kündige ich hiermit meine Mitgliedschaft in der IG BCE gemäß Satzung zum 31.1.2026. Mit Bedauern muss ich zur Kenntnis nehmen, dass die IG BCE nicht mehr primär die Interessen der Mitglieder vertritt, sondern parteipolitisch aktiv ist. Die politische Kraft der IG BCE wurde nicht eingesetzt, um die Deindustrialisierung des Landes zu verhindern.

Anstelle ein stabiles Energiesystem mit vertretbaren Preisen zu fordern und durchzusetzen, folgte IG BCE der Ideologie des Verknappens und Verteuerns von Energie aus „Klimagründen“. Sie ernannte sich zur „Transformationsgewerkschaft“, ohne Alternativen für eine stabile und preiswerte Energieversorgung nennen zu können, die Grundlage jedes wirtschaftlichen Erfolges ist.

Arbeitgeber werden beschuldigt, Arbeitsplätze abzubauen, ohne zu berücksichtigen, dass im wirtschaftlichen Umfeld die Bedingungen für eine soziale Marktwirtschaft erhalten werden müssen. Nur ein günstiges Umfeld erlaubt Unternehmen die Gewinne zu erwirtschaften, die nötig sind, um die Beschäftigten gut zu bezahlen. Die durch IG BCE offen gezeigte Unkenntnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen ist ideologisch motiviert und intellektuell flach.

IG BCE begrüßt den Industriestrompreis ohne Hinweis darauf, dass er nur die Hälfte des Verbrauchs betrifft und die Einsparung nicht wirtschaftlich frei verwendet werden darf. Mit dem weiteren Kohleausstieg (ohne jeden Ersatz durch gesicherte Leistung), der durch IG BCE diskussionslos hingenommen wird, erfolgt eine weitere Verknappung und Verteuerung von Strom. Nachdem über viele Jahre die energiepolitischen Fehlentscheidungen mehrerer Bundesregierungen mitgetragen wurden, bemerkt nun die Gewerkschaft die nachteilige Wirkung des europäischen Emissionshandels auf die Industrie. Guten Morgen.

IG BCE hat den Weg einer Gewerkschaft, in der die Mitgliederinteressen im Vordergrund stehen, verlassen und ist zu einer Vorfeldorganisation der SPD mutiert. Gewerkschaftsarbeit gerät zunehmend zu Parteiarbeit, bei der die Bekämpfung einer Oppositionspartei und der Machterhalt der SPD im Vordergrund stehen. Die Personalunion von IG-BCE-Funktionären und SPD-Mitgliedern bzw. -Funktionären konterkariert die Parteienneutralität der Gewerkschaft. Mitgliedsbeiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden dadurch für politische Zwecke missbraucht.

DGB und Schwestergewerkschaften wie IG Metall und Verdi marschieren nun Seite an Seite mit der Antifa und fordern zu Gewalt gegen Andersdenkende auf. Eine Distanzierung erfolgt durch IG BCE nicht. Offenbar wird Gewalt schweigend begrüßt, wenn sie von links kommt. IG BCE wird mit dieser Politik weiter Mitglieder verlieren.

Ich bedaure meinen Austritt, aber diese IG BCE ist nicht mehr meine. Sie vertritt nicht mehr die fundamentalen Interessen der Mitglieder. Die vertretenen Branchen Papier, Chemie, Keramik und Bergbau werden in Deutschland keine Zukunft haben und die IG BCE trägt daran Mitverantwortung.

Mir bleibt die Erinnerung an viele gute und qualifizierte Gewerkschafter und eine gute Tarifarbeit, die gegenwärtige Funktionärsgeneration hingegen versagt.

Trauriges Glückauf
2. Dezember 2025

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 33 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

33 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Karl Renschu
1 Tag her

Ich bin damals aus ähnlichen Gründen gar nicht erst eingetreten. Möge die IGBCE und ihre Schwestern im Geiste das gleiche Schicksal wie meinen damaligen Arbeitgeber ereilen!

Baron Fred
1 Tag her

Ein Schnellmerker! (Das war bei uns in der Klasse immer der, der von der Lehrerin alles noch ein paar mal erklärt bekommen musste). Kein Wunder das Schland so rasant den Bach runter geht. Ich selber bin 1990 nicht eingetreten.

Andres
1 Tag her

Und das hat der Herr Hennig erst jetzt gemerkt? Das war mir schon in meiner Jugend klar, dass – um es mal sehr vorsichtig zu formulieren – die Schnittmenge von SPD und Bergbaugewerkschaft nicht weit von hundert Prozent entfernt lag.

Zossener
1 Tag her

Das Anbietern an die SPD läuft doch schon seit 2005, als die DGB Gewerkschaften zum rot-grünen Wackeldackel verkam. Wann immer die Arbeiter ihren Anteil am Erfolg der Agendareformen ein forderten, hieß es „ist gerade nicht die Zeit für Lohnerhöhungen“ und der DGB machte brav den Wackeldackel. Jetzt ist D pleite und Du hörst die selben Phrasen wie 2005 wieder. Es bleibt also dabei, die Bosse füllen sich die Taschen, für uns nicht mal mehr die Krümel.

Niklot
1 Tag her

Genau deshalb war ich nie Mitglied in einem dieser FDGB-Clubs.

Axel Fachtan
1 Tag her

„Jetzt machen die Deutschland kaputt.“ Mein Vater war jahrzehntelang Mitglied der DPG Deutsche Postgewerkschaft (einem der 5 Vorgänger von Verdi). Auch als Pensionär noch. Als die Gewerkschaften in den 1980er Jahren die 35 Stunden Wochen einforderte, hat er sich zurückgezogen. Obwohl er durchaus nach wie vor mit vielen Kollegen und Pensionären befreundet war. Postler auch der 1980er Jahre waren untereinander noch sehr solidarisch. Eine Solidarität, die heute ganz und gar fehlt. Heutige Gewerkschafts“führer“ zerstören den Wohlstand und die Arbeitsplätze ihrer eigenen Mitglieder. In einem Umfang, der in den 80er Jahren völlig unvorstellbar war. Die Kriegsgeneration war froh und dankbar, dass… Mehr

Willi Stock
1 Tag her

Als ich vor 50 Jahren mit 14 eingetreten bin, war mir schnell klar, dass die SPD schon damals die dominierende Parte innerhalb der IGBCE war. Ohne Parteibuch kaum eine Chance auf ein Amt, gerade in den lukrativen montanmitbestimmten Unternehmen. Den Niedergang von Stahl, Kohle und Chemie hat insbesondere Vassiliadis als der große Strukturwandler vehement vertreten, in der Kohlekommission hat er das Totenglöckchen im Kreise der Ahnungslosen fleißig mit geläutet. Der Auftrag war ja klar. Vor 4 Jahren bin ich ausgetreten, eigentlich anhand der Heuchelei und Kumpanei mit der Macht viel zu spät. Mitglieder werden mit Tarifabschlüssen und sozialverträglichem Stellenabbau ruhig… Mehr

Retlapsneklow
1 Tag her

Rückfrage:
Gibt es in der IG BCE und anderen Gewerkschaften auch sonst einen Mitgliederschwund?

Die jetzige Führungsmannschaft tut, was sie tut, durchaus mit linken Absichten und weiß dies auch. „Versagen“ kann man das darum nicht nennen. Aber ihr wirtschaftlicher und damit auch sozialer Horizont ist doch sehr beschränkt.

Ombudsmann Wohlgemut
1 Tag her

Leider kann man sich in vielen Bereichen nicht gegen den Betriebsrat wehren.

Also Betriebsrat neu wählen, aber vorher Rundmail und Aushang am schwarzen Brett mit allen Kandidaten (mit Arbeitsplatz) und dass jeder AN z.B. 1 Woche lang diese mit Fragen zu Wirtschaft und Politik oder Sonstigem durchleuchten kann, damit sie wissen, wen sie wählen.

Da in der Arbeiterschaft die SPD schon lange durch die AfD ersetzt wurde, denke ich, dass der neue BR sicher arbeitnehmer- und geschäftsfreundlicher wird.

Olleobdu
1 Tag her

Besser spät als nie! Gut gemacht!