Die Chip-Krise: Neben VW auch Mercedes betroffen

Der Nexperia-Schock trifft nun auch Mercedes-Benz: Der Chip-Mangel könnte die gesamte Autoindustrie in Deutschland ausschalten.

picture alliance/dpa | Marijan Murat

Nach den Alarmmeldungen von VW und BMW kommt nun auch die Warnung von Mercedes: Die ohnehin angespannte Lage auf dem globalen Halbleitermarkt erreicht eine neue Dimension, nach einem spektakulären Eingriff der niederländischen Regierung in die Führung des Chipkonzerns Nexperia droht der deutschen Automobilindustrie ein kompletter Produktionsstillstand. Der bekannte Wirtschafts-Blogger Emanuel Boeminghaus kommentiert dazu auf X: „Der Nexperia-Schock trifft jetzt auch Mercedes-Benz. Mercedes-Benz warnt: Die gesamte Industrie sei betroffen. Prognosen seien kaum noch möglich. Die Aktie fiel um 2,6 Prozent auf 52,45 Euro.“

Nexperia produziert in Hamburg eine Milliarde Chips pro Jahr

Nexperia, einst ein Ableger des niederländischen Technologiekonzerns Philips, produziert in Hamburg jährlich 100 Milliarden Standardchips. Diese unscheinbaren Bauteile steuern zentrale Funktionen in modernen Fahrzeugen: von Airbags über Lichtsysteme bis zur Motorsteuerung. Doch die Fertigung ist komplex, ein Teil der Produktionskette findet in China statt. Genau dort hat sich nun ein gefährlicher Machtkampf entwickelt, der die gesamte Lieferkette zu zerreißen droht.

Die niederländische Regierung hatte vergangene Woche dem chinesischen Eigentümer Wingtech die Kontrolle über Nexperia entzogen. Grund: Sicherheitsbedenken und Verstöße gegen die Unternehmensführung. Ein Gericht setzte daraufhin einen Treuhänder ein, der das Unternehmen vorübergehend leitet. Der abgesetzte chinesische CEO Zhang Xuezheng soll laut Berichten Mitarbeiter in China angewiesen haben, Befehle aus Europa zu ignorieren – ein beispielloser Affront.

Der neue Nexperia-Chef Stefan Tilger warnte Kunden in einem Schreiben, man könne aktuell nicht garantieren, dass die Qualität der Chips aus China unverändert bleibe. Für die Autohersteller und Zulieferer in Deutschland ist das ein Schock: Bosch und Continental meldeten bereits, ihre Lagerbestände würden nur noch zwei Wochen reichen. Danach drohten massive Produktionsausfälle, ähnlich wie während der Corona-Pandemie.

Hinter der Eskalation steht ein geopolitischer Konflikt, der weit über Unternehmensfragen hinausgeht. Die USA drängen ihre Verbündeten seit Jahren, technologische Abhängigkeiten von China zu verringern. Washington hat Wingtech bereits auf eine Sanktionsliste gesetzt und droht, diese bald auf Nexperia auszuweiten. Dann wäre das Unternehmen von US-Zulieferungen und Wartungsdiensten abgeschnitten, berichtet dazu das Industriemagazin.

In einem internen Schreiben soll das US-Handelsministerium den Niederlanden klar gemacht haben, dass eine Ausnahme nur möglich sei, wenn CEO Zhang abgesetzt werde. Doch der Schritt kam spät – möglicherweise zu spät, um die Sanktionen noch zu verhindern.

Das juristische Fundament für den niederländischen Eingriff stammt aus einem fast 75 Jahre alten Gesetz, das ursprünglich für Krisenzeiten geschaffen wurde. Noch nie zuvor wurde es angewendet. Dass es nun aktiviert wurde, zeigt, wie ernst die Lage eingeschätzt wird.

Der Chip-Wirtschaftskrimi zeigt Europas Schwächen

Für Europa ist der Nexperia-Fall eine dramatische Mahnung: Zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit von China und dem Druck der USA gerät der Kontinent zunehmend in eine strategische Zwickmühle. Während Brüssel über eine „technologische Souveränität“ diskutiert, kämpfen die deutschen Autobauer um ihre Produktionssicherheit.

In den Chefetagen von Mercedes, BMW und VW herrscht Alarmstufe Rot. Sollte sich der Machtkampf bei Nexperia nicht rasch beruhigen, droht der deutschen Schlüsselindustrie der nächste große Schock. Und erneut könnten tausende Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verlieren.

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Kommentare ( 67 )

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BKF
25 Tage her

„Die USA drängen ihre Verbündeten seit Jahren, technologische Abhängigkeiten von China zu verringern. Washington hat Wingtech bereits auf eine Sanktionsliste gesetzt und droht, diese bald auf Nexperia auszuweiten.“ Und dort ist die eigentliche strategische Ursache, die Vasallen der USA sollen nicht nur militärisches Gerät möglichst nur noch in den USA kaufen, sondern auch Mikroelektronik. Es schon Mist, wenn man nur der Geopolitk des großen Bruders immer hinterherlaufen kann, Scholl-Latour hatte das schon richtig und auf den Punkt kritisiert, als er von blinder Vasallentreue sprach.

Last edited 25 Tage her by BKF
Harald Kampffmeyer
25 Tage her

Na und? Lastenfahrräder „Made in Germany“ brauchen keine Chips. Und das wollen wir doch ohnehin erreichen. Green Deal, Große Transformation, 15-Minuten-Fußweg-Stadt, Zero-CO2-Gesellschaft usw.
Flintsteine für Pfeilspitzen und Faustkeile finden wir noch in Good old Germany.

GefanzerterAloholiker
24 Tage her
Antworten an  Harald Kampffmeyer

Doch. In dem Motor sind Magnete und Steuerungen. Man hat nur die dreckige Gewinnung der Vorprduktion in die „dritte Welt“ schieben wollen. Diesen Stil nennt man Verantwortungslosigkeit. Heute ist das Ergebnis davon nur sichtbar.

JoergJ.
25 Tage her

Immer diese Sorgen um die deutschen Autobauer, die fallen alle weich und Jahre lang haben sie alle gut gelebt vom Steuergeld und werden es auch weiterhin. Daher keine Sorgen denen geht es allen gut.

Milton Friedman
24 Tage her
Antworten an  JoergJ.

> Immer diese Sorgen um die deutschen Autobauer
Diese Sorgen sind begründet. 19% des verarbeitenden Gewerbes und 17% aller Exporte entstammen der Automobilindustrie. 4% aller Erwerbstätigen hängen direkt und indirekt an den Autobauern.
Das Überleben dieser Branche entscheidet ob aus Bayern und Baden-Württemberg (ohne die der Bundesfinanzausgleich nicht funktioniert) ein Drittweltland wie NRW wird oder nicht.

alter weisser Mann
25 Tage her

Hat schon mal jemand zusammengestellt, was wir alles tun müssten, um den Entzug in den wichtigsten Dingen von der China/Asien-Abhängigkeit hinzubekommen, finanziell, materiell und personell?
Nicht das uns bzw. „den Westen“ das Ganze etwas überfordert, zumal wir ja auch noch dringend decarbonisiert, digitalisiert, kriegstüchtig, infrastrukturell frisch durchsaniert, besser gebildet und was auch immer werden wollen.

Kaesebroetchen
25 Tage her

In Europa werden also wieder wie in kommunistischen Zeiten oder während des NS-Regimes Firmen verstaatlicht, wenn der Inhaber nicht genehm ist. Wer will dann hier noch investieren, bei dieser Unsicherheit?

Marie M
25 Tage her

Also erstmal zur Richtigstellung: Nexperia wurde von den Niederländern auf Druck der Amerikaner enteignet. Der Mutterkonzern Wingtech reagierte mit Exportverbot, tit for tat eben. Die Befürworter einer Enteignung des PCK in Schwedt sollten den Vorgang genau beobachten. Vielleicht warten Gazprom und Rosneft nicht erst bis 2028? Bei nur zu 70% gefüllten Gasspeichern und einer zunehmend aggressiveren Rhetorik Polens, das Öl über Danzig nach Schwedt einmal leitet und dann wieder nicht? Ein Produktionsstop für Smartphones auf vier Rädern ist das eine, aber geschlossene Tankstellen für die rollenden Fahrzeugflotte oder gedrosselte Heizungen?

Peter Pascht
25 Tage her

Die Chinesen haben sich strategisch auf die Niederschlagung der westlichen Autoindustrie vorbereitet – schon seit 20 Jahren – kann ich bestätigen, ich habe es miterlebt.
Die deutsche Autoindustrie war so blöd den Chinesen das Start How Know zu liefern mit einer arogenten Unterschätzung – weiß ich, ich habe es miterlebt.
„Outsorcung“ – Raffgier-Managerlogik. Wer da nicht mitmachte ist geflogen.

Ich habe auf Anordnung des Managment ganze Produktionslinien nach China
und Indien verlagert, weil da die Produktion billiger war

Ich hatte schon vor 20 Jahren chinesische Ingenieur Studenten hier in Deutschland im Praktikum.

Last edited 25 Tage her by Peter Pascht
alter weisser Mann
25 Tage her
Antworten an  Peter Pascht

Zwischendurch waren die Automotives auch ganz froh, wenn Chinesen deutsche Zulieferer, z.T. echte Spezialisten, aus Insolvenzen kauften und es überhaupt weiterging und man nicht noch länger deren Geschäftsbetrieb zwecks Fortsetzung in der Insolvenz finanzieren musste.

Privat
25 Tage her

Ich habe heute gelesen, das der Diess, der Vernichter der VW Verbrenner Autos, seinen Vertrag damals mit einer Jahreszahlung von 11,2 Millionen Euro verlängert bekam.
Sind die denn alle irre geworden. Diess hat VW durch Merkels Elektrowahn
riesige Verluste eingebracht und die verlängern seinen Vertrag mit 11,2 Millionen Euro ?
Ich kaufe keinen Wagen mehr aus der VW Gruppe. So etwas beklopptes darf niemand unterstützen.

Berlindiesel
25 Tage her
Antworten an  Privat

Die Steuerelemente benötigt jedes Fahrzeug, egal ob es einen Verbrenner oder Elektromotor als Antrieb hat. Verwechseln Sie moderne Verbrennungsmotoren nicht mit denen des Käfers oder Trabi. Diese Steuerelemente benötigen auch die von Ihnen bevorzugten Importfabrikate. Das überzogene Gehalt von Diess hat damit nichts zu tun, das waren sprichtwörtliche Peanuts. Die konzertierte Kampagne der Amerikaner und DUH gegen VW, mit dem der Diesel diskreditiert und VW langfristig beschädigt werden sollte, hat den Konzern sehr viel stärker in Mitleidenschaft gezogen. Aber schicken Sie ihr Geld nach Rumänien oder Südkorea und hoffen auf viele Likes im Forum.

BoomSlang
25 Tage her

Eine Produktion auf nur einen Zulieferer zu stützen ist für mich absolut nicht nachvollziehbar! Die Fertigungsstätte könnte ja auch einfach mal abbrennen. Und dann?

Zum alten Fritz
25 Tage her

Warum werden überhaupt Schlüssel-Industrien nach außerhalb der EU verkauft? Auf jeden Fall weiß man jetzt warum der Genosse Xi immer so wissend lächelt.
Verkauft ist Verkauft, die Genossen können die Buden auch ausräumen und schließen.
Dann wird es lustig!