ifo-Studie: Bürokratie verursacht Kosten von 146 Milliarden pro Jahr

Seit Jahren sprechen Regierungen von Bürokratieabbau. Tatsächlich passiert das Gegenteil. Zusammen mit immer höheren Steuern, Lohnnebenkosten und steigenden Energiekosten treibt die wuchernde Bürokratie immer mehr Unternehmen in die Pleite oder ins Ausland.

picture alliance / Ulrich Baumgarten

Das ifo-Institut veröffentlichte unter dem Titel „Entgangene Wirtschaftsleistung durch hohen Bürokratieaufwand“ einen Bericht, der die Wirkung von Bürokratie auf die Wirtschaft beschreibt. Der Bericht sagt, dass ein umfassender Bürokratieabbau mit einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Leistung einhergehen würde. Das reale BIP pro Kopf würde um 4,6 Prozent steigen.

In Deutschland und der EU blieb der Abbau der Bürokratie nicht nur aus, sondern der bürokratische Aufwand stieg sogar noch weiter an. Während es anderen Länder gelungen ist, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, verharrt Deutschland weiter nur auf dem Niveau des internationalen Durchschnitts.

Screenprint: ifo-Institut

Der Bericht beschreibt folgendes Szenario. „Hätte Deutschland im Jahr 2015 einen umfassenden Bürokratieabbau durchgeführt, wäre das BIP pro Kopf 2022 um 2.449 € höher ausgefallen. Im Zeitraum von 2015 bis 2022 hätte dies einem jährlichen Zuwachs des realen BIPs pro Kopf von durchschnittlich 1.766 € entsprochen. Damit entging Deutschland eine Wirtschaftsleistung von durchschnittlich 146 Mrd. Euro pro Jahr.“

Der Bericht zeigt weiter, „dass ein Digitalisierungsschub in der öffentlichen Verwaltung das reale BIP pro Kopf bei unverändertem Bürokratieaufwand um 2,7 % steigern könnte. Der positive Effekt der Digitalisierung ist besonders ausgeprägt in Ländern mit hohem bürokratischem Aufwand. In der Zusammenschau deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein signifikanter Bürokratieabbau in Deutschland entscheidend zur Senkung der gesamtwirtschaftlichen Kosten beitragen könnte.“

Wirtschaftswachstum in der EU bleibt aus
Bürokratie, Vorschriften, Ideologie: Der deutsche Standort im EU-Korsett
Doch auch durch die vermutlich neue Koalition aus CDU, CSU und SPD wird die Belastung der Wirtschaft durch die Bürokratie noch weiter ansteigen lassen. Man redet zwar von Entlastung, plant aber neue Ministerien. Neue Ministerien bedeuten aber mehr Bürokratie. Das wiederum bedeutet noch mehr Berichtspflichten, noch längere Genehmigungsverfahren und noch mehr Regulierung. Kurzum, die Überregulierung wird noch schlimmer werden. Der Ökonom Daniel Stelter benennt es treffend, dass der „Verwaltungsstaat außer Kontrolle“ sei. Was Deutschland und die EU tatsächlich bräuchten, wäre endlich ein echter, ja sogar radikaler Bürokratieabbau. Und zwar mit umfangreichen Streichlisten und genauen Zielvorgaben. Weniger Staat, weniger Gesetze und Verordnungen, sondern mehr Vertrauen.

Leider sieht auch hier die Realität anders aus. Allein die EU verabschiedet im Durchschnitt 80 Richtlinien, 1.200 Verordnungen und 700 Entscheidungen pro Jahr. Das sind in den letzten zehn Jahren etwa 800 Richtlinien, 12.000 Verordnungen und 7.000 Entscheidungen.

All das muss von Firmen umgesetzt werden. Es müssen Mitarbeiter eingestellt werden, die nichts anderes zu tun haben, als zu prüfen, welche neue Vorschriften ab wann zu berücksichtigen sein werden. Nicht selten widersprechen neue Vorschriften den vorherigen Vorschriften, die aber durch die neue Vorschrift nicht ungültig geworden sind. Andere Mitarbeiter sind ausschließlich damit beschäftigt, den immer erheblicheren Berichtspflichten nachzukommen, die durch die ungehemmte Regulierungswut entstehen.

Diese nicht unerheblichen Kosten müssen zu den steigenden Preisen für Energie, den höheren Steuern und den immer weiter steigenden Lohnnebenkosten addiert werden.  In der Folge wird es für Firmen, die sich im internationalen Wettbewerb behaupten müssen, immer schwerer, sich gegen ihre Konkurrenz behaupten zu können. Firmen die nur national tätig sind, könnten die Kosten auf ihre jeweiligen Produkte umlegen. Da den Konsumenten aber immer mehr Geld vom Staat abgenommen wird, und sie weniger für Konsum übrighaben, bedeuten höhere Preise vermutlich geringere Verkäufe. Legen die Firmen diese Kosten aber nicht auf ihre Produkte um, bedeutet es geringere Gewinne. Und das führt wiederum, genauso wie weniger Umsatz, zu Einsparungen bei Investitionen und Personal.

Bürokratieblockade:
Regelungswut schwächt Wirtschaftsleistung: Arbeitszeit und Umsatz fallen Bürokratie zum Opfer
Der Bericht des Ifo-Instituts schließt mit einer Empfehlung an die Politik. Ein umfassender Bürokratieabbau würde entschlossenes politisches Handeln erfordern.

„Dabei besteht jedoch häufig ein politökonomisches Anreizproblem. Setzt eine Regierung in der aktuellen Legislaturperiode weitreichende Reformen durch, wird sie meist nur mit den unmittelbaren negativen Folgen, wie etwa Arbeitsplatzverlusten, in Verbindung gebracht. Die positiven Effekten solcher Reformen, wie auch in dem hier betrachteten Fall von Verwaltungsreformen, treten hingegen oft erst zeitverzögert ein – möglicherweise erst unter einer neuen Regierung, die dann die positiven Effekte für sich beanspruchen kann, ohne mit den negativen Begleiterscheinungen zu Beginn der Reform in Verbindung gebracht zu werden. Dieses Anreizproblem erschwert die Umsetzung notwendiger Reformen und macht deutlich, dass eine erfolgreiche Reform hin zu einer schlanken und effizienten Bürokratie nur als ein langfristiges politisches Ziel realisierbar ist. Vor diesem Hintergrund verdeutlichen die vorliegenden Ergebnisse die wirtschaftlichen Kosten einer verschleppten Bürokratiereform.“

Ob diese Koalition den Mut dazu aufbringen wird?

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 18 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

18 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Silverager
26 Tage her

Ob diese Koalition den Mut dazu aufbringen wird?“
Einfache Antwort: Nein. Natürlich nicht!

Nibelung
26 Tage her

Der sozialistische Unverstand versorgt sich grundsätzlich selbst, denn könnten sie rechnen, so wie einst Friedrich Wilhelm I. oder Bismarck, dann hätten sie zwar einiges unter Kontrolle, aber nicht zum Preis der Vergeudung von Volksvermögen, was ja geradezu abartig ist und der alte Spruch in diesem Zusammenhang immer noch gilt, sage mir mit wem du umgehst und ich sage dir wer du bist. Aus dem ehemaligen Prekariat kann man einfach keine Edelleute machen, auch wenn sie im Armani-Anzug daher kommen und dennoch nie die Sozialisation erfahren haben, die man einfach in sicht trägt, bezogen auf das erlernen wichtiger Normen, mit durchdachter… Mehr

teanopos
26 Tage her

Vielen Dank für diesen Artikel – Sie haben das, was jeder Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutschland fühlt einfach mal in Zahlen ausgedrückt. Aber eines haben Sie vergessen: den Faktor 2 Sie können die Kosten locker mit dem Faktor 2 multiplizieren, denn Sie haben die unter diesen Bedingungen massiv wirkende bzw. zunehmend fehlende Motivation aller Wirtschaftsteilnehmer außer Betracht gelassen. Das heißt die Wirtschaft wird nicht nur inneffizienter, es gibt von vornherein vielfach garkeinen Anreiz mehr überhaupt noch wirtschaftlich bzw. produktiv tätig zu sein bzw. zu werden. Schauen wir nach China, in China will jeder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber Teil des wirtschaftlichen Erfolges… Mehr

Last edited 26 Tage her by teanopos
puke_on_IM-ERIKA
26 Tage her
Antworten an  teanopos

„diese Schulden müssen von denen bedient werden die Merkel und ihre Nachfolger in dieses Land gekarrt haben“
DIE werden sich totlachen und sonst gar nichts. Wie hoch ist nochmal der wirtschaftliche Beitrag der bisher hier Hereinmigrierten seit 2015 ?
Dafür gibt es -oh Wunder- keine offizielle Statistik. In dem Land, das seine Bauern unter Strafandrohung zur minutiösen Auflistung jedes Gramms Dünger verpflichtet……..

WGreuer
27 Tage her

So so, da hat sich das IFO aber mächtig angestrengt um herauszufinden, was 90% der Deutschen auch ohne IFO wissen: die Bürokratie zerfrisst das Land, sie blockiert jegliche Innovation, sie bremst und vertreibt die Willigen, sie zerstört dieses Land von innen, sie frisst es auf. Bürokratie ist wie Korruption, nur noch schlimmer. Die angeblichen 146 Mrd. „Schaden“ sind lächerlich angesichts dessen, was die Bürokratie im Lande wirklich anrichtet. Es ist ja nicht nur der Schaden in den Betrieben direkt, nein, der Schaden, das entstandene Problem ist systemisch. Egal wohhin man blickt: Arztpraxen, Krankenhäuser, Pflege, Verwaltung, Bauanträge, der Bau selber, Projekte,… Mehr

MT
27 Tage her

Ich nenne es Kontrollwahn und habe auch mit der Sachbearbeiterin beim Finanzamt wiederholt Tacheles geredet. Das nutzte mehr der eigenen Druckentlastung zog aber mutmaßlich diverse Aussenprüfungen nach sich. Ich kann nur bestätigen, dass es an Selbstkasteiung grenzt sich selbständig zu machen. Ein Leben unter Druck und Repressionen.

Last edited 27 Tage her by MT
Dr_Dolittle
27 Tage her

Ich als Souverän dieses Landes würde die Staatsquote an die FDP-Wahlergebnisse knüpfen. Wenn ich großzügig bin meinetwegen mit Faktor Drei.

Autour
27 Tage her

Die 150Mrd sind von einem Politdämagogischen Institut komplett unbrauchbar!
Man kann sie mit mind. 3 multiplizieren und kommt dann wohl gerade auf die untere Schwelle der Kosten!
Was in dieser Irrenanstalt für Zeit drauf geht um irgendwelche irrwitzigen Genehmigungsverfahren zu bearbeiten oder komplett sinnfreien Anträge auszufüllen, deren Ausfüllen KEIN Normalsterblicher in der Lage ist … Es ist alles nur noch Schikane und Arbeitsbeschaffungsmassnahme für deren Wählerklientel!
Und wer glaubt, dass die Rampel hier auch nur EIN Gesetz abschwächt hat die Kontrolle über sein Leben bereits verloren! Es werden nur weiter Irrwitze Gesetze erlassen und Bürokratenstellen geschaffen!

teanopos
26 Tage her
Antworten an  Autour

Wir hatten/haben den gleichen Gedanken – ich hatte „nur“ Faktor 2 angesetzt.
Aber ob Faktor 2 oder 3 was macht das unter diesen Bedingungen noch für einen Unterschied…
Ich bin also völlig daccord mit Ihnen!

BBHamburg
27 Tage her

Ob diese Koalition den Mut dazu aufbringen wird? Das unterstellt doch tatsächlich den Willen und ist somit weit weit neben der Sache.

Innere Unruhe
27 Tage her

Und wie soll man denn die Bürokraten beschäftigen?
Wir bildet Theaterwissenschaftler, Soziologen, Sozialarbeiter, Politologen und sonstige Humanisten ohne Ende und fragen.
Haben wir so viel Bedarf an Dramaturgen? Politikwissenschaftlern?
All diese Leute wollen auch arbeiten und sind auch Hochschulabsolventen mit Gehaltsvorstellungen.
Beschränken wir den Zugang zu den brotlosen Studiengängen und bilden nach Bedarf aus.
Würden wir die Hälfte der Amtssachbearbeiter kündigen, wäre der Fachkräftemangel gelöst.

P.Schoeffel
27 Tage her

Es ist, soweit ich weiß, noch nie vorgekommen, daß Bürokratie durch den Staat wieder abgebaut wurde. Argentinien ist vielleicht die erste Ausnahme. Insofern hoffe ich fast auf einen Zusammenbruch, denn das scheint mir die einzig realistische Chance auf eine wirkliche Korrektur zu sein.
Opfer sind da leider wohl unvermeidlich. Aber:
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.