Habeck will Coronahilfen von Unternehmen zurück

Der Wirtschaftsminister macht Druck. Die Corona-Soforthilfen sollen von Unternehmen schnellstmöglich zurückgezahlt werden. Offenkundig gehen dem Minister die finanziellen Mittel für seine Klimaprojekte aus. Kritik kommt von der Opposition und von Steuerberatern. Von Samuel Faber

IMAGO / Sven Simon

Juristen, aber auch Historiker, nutzen gerne das Wort „präzedenzlos“. Hierbei ist ein Vorgang zu verstehen, den es so noch nicht gab und der bislang ohne Vergleich in die Jurisprudenz bzw. in die Geschichte eingeht. So bezeichnete der Historiker Rolf Peter Sieferle Merkels Grenzöffnung als präzedenzlos, da kein Staatschef eine solche Entscheidung zuvor jemals getroffen hatte.

Es ist gut möglich, dass Juristen, aber auch Historiker die Maßnahmen in der sogenannten Corona-Pandemie als präzedenzlos bezeichnen werden. Einige tun das bereits heute. Die Auswirkungen gestalteten sich als enorm und betrafen neben den Bürgern selbst auch Unternehmen. Vor allem die Lockdowns rissen viele Unternehmen in echte Probleme. Einige verschwanden vom Markt, andere haben bis heute mit den Nachwirkungen der politischen Entscheidungen zu kämpfen.

„Soforthilfen“ kamen gar nicht immer sofort

Gerade die Lockdowns, konkret die Schließung sogenannter „nicht notwendiger Geschäfte“, Restaurants und Kultureinrichtungen, veränderten das Land. So erlebte Deutschland im Jahr 2020 die schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte. Gegenüber 2019 sank das Bruttoinlandsprodukt um 4,9 Prozent, während Ende 2022 Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen mit 2,68 Billionen Euro in der Kreide standen.

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Berücksichtigt werden in dieser Statistik nur Verbindlichkeiten gegenüber dem nicht öffentlichen Bereich, also etwa Banken sowie privaten Unternehmen im In- und Ausland. Der Bund war alleine im Jahr 2022 mit 1620,4 Milliarden Euro verschuldet, was einen Anstieg von 4,6 Prozentpunkten bedeutet.

Die Politik reagierte auf den Abschwung unter anderem mit Soforthilfen. Betriebe ab einer Belegschaftsgröße von zehn Mitarbeitern erhielten bis zu 50 Millionen Euro Soforthilfe. „Soforthilfe“ ist hierbei relativ zu sehen, denn je nach Bundesland konnte es mehrere Monate dauern, bis die Subventionen auch wirklich ausgezahlt wurden.

Steuerberater halten wenig von Habecks Vorstoß

Nun müssen alle bis spätestens 31. März Rechenschaft ablegen, wie BILD berichtete. Darauf drängt der Wirtschaftsminister Robert Habeck in einer E-Mail, die die betroffenen Unternehmen in den letzten Tagen erhalten hatten. Die Schlussberechnung muss zwingend ein Steuerberater aufsetzen. Wenn diese nicht bis zum Enddatum digital eingereicht wird, können „die vorläufig bewilligten Anträge abgelehnt und die Beträge in voller Höhe zurückgefordert werden“, so das Ministerium. Zusätzlich will Habeck für den zurückzuziehenden Betrag ab dem Zeitpunkt der Auszahlung fünf Prozent Zinsen berechnen.

Kritik kommt indes von Steuerberatern selbst. Die Steuerberaterkammer Hamburg beklagt in einem Brief an Habeck, dass das aufgemachte Drohszenario „nicht erforderlich“ und „unvertretbar“ sei. „So werden selbst bei kleinen Förderbeträgen zum Teil sämtliche Belege, auch die bereits bei Antragstellung eingereichten Belege, angefordert“, heißt es in dem Schreiben. Zum Teil würden auch „unsinnige Rückfragen“ gestellt und zunächst gewährte Fixkosten nun doch als „nicht betriebsnotwendig“ abgelehnt.

Auch die Opposition hält von dem Vorgehen wenig. „Wirtschaftsminister Habeck muss diesen Bürokratie-Wahnsinn umgehend stoppen und für eine pragmatische Lösung sorgen. Es kann nicht sein, dass Unternehmen, die staatliche Corona-Hilfen rechtmäßig erhalten haben, jetzt vor finanziellen Rückforderungen wegen Fristablaufs bangen müssen und gleichzeitig lässt sich der Staat mit der Bearbeitung der Schlussrechnungen viele Jahre Zeit“, teilt Christoph de Vries der BILD-Zeitung mit.

Der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmen nimmt zu

Es besteht der Verdacht, dass Habeck das Geld auch deswegen einzutreiben versucht, weil seinem Ministerium in Zukunft finanzielle Mittel fehlen werden. Laut Spiegel sollen im Bundeshaushalt 2025 bis zu 30 Milliarden Euro fehlen. Die schwache Konjunktur macht sich offenkundig auch bei den Steuereinnahmen bemerkbar. Es ist denkbar, dass die Lücke durch Einsparungen in den Ressorts geschlossen werden muss. Zusätzlich will Lindner einen Ausgabendeckel etablieren. Dieser sorgt dafür, dass das Finanzministerium den Ministerien je nach Haushaltslage Geld zuweist. Für den Plan benötigt der FDP-Politiker jedoch die Unterstützung vom Kanzler.

Wie auch immer Scholz entscheidet: Robert Habeck braucht für seine Klimaprojekte finanzielle Mittel. Offenkundig sollen diese Vorhaben ausgerechnet die Unternehmen mitfinanzieren, die aufgrund der Corona-Maßnahmen besonders gebeutelt wurden. Eine langanhaltende Rezession wird damit immer wahrscheinlicher, während eine neue Präzedenzlosigkeit geschaffen wird: Immer mehr Betriebe, gerade im Einzelhandel, werden aus den deutschen Innenstädten verschwinden.

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Kommentare ( 66 )

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66 Comments
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joly
1 Monat her

Tja – da müssen dann halt einige Unternehmen einfach mal aufhören marktwirtschaftlich aktiv zu sein – halt so lange wie es nötig ist wieder zu gesunden.
Ein echter Habeck

Lafevre
1 Monat her

Die Amtsführung von Herrn Habeck lässt mittlerweile kaum einen anderen Schluss zu als dass sich das Land zwischen Marktwirtschaft mit Chance auf Wohlstand für Viele und grüner Regierungsbeteiligung entscheiden muss.

A rose is a rose...
1 Monat her

Ich wundere mich über die eher hämischen Kommentare hier, die von „selber schuld“ bis „so ist das eben“ reichen. Leute, hier geht es nicht mehr um persönliche Befindlichkeiten, weil man während der Corona Krise ausgesperrt wurde. Hier geht es um finanzielle Hilfen, damit die schlimmsten negativen Auswirkungen der Politik abgefedert werden konnten, Löhne und Mieten irgendwie weiter bezahlt. Leider haben dennoch unzählige Betriebe aufgegeben bzw aufgeben müssen, mit schlimmen Folgen. Wer jetzt hier meckert, bzw den Betrieben diese Unterstützung mißgönnt, der muss sich die Frage gefallen lassen, wofür Steuergelder denn eigentlich ausgegeben werden sollten. Was wir jetzt brauchen, ist Solidarität… Mehr

elly
1 Monat her

sonst kommt wieder das Bundesverfassungsgericht um die Ecke und knallt es ihnen erneut um die Ohren, so wie vor einem Vierteljahr erst geschehen.“
dazu bräuchte es erstens Kläger und zweitens wieder mutige Richter. Beides ist unwahrscheinlich nach der medialen Hatz gegen Kläger und das Urteil.

Teiresias
1 Monat her

Nicht trotz, sondern wegen Rezession schlägt Habeck jetzt zu.

Jetzt sind sie schwach, jetzt kann man sie am härtesten treffen.
So geht archaische Kriegsführung seit Urzeiten.
Schon unter Naturvölkern gilt es als der ideale Zeitpunkt zum Angriff, wenn der Gegner z.B. durch Ernteausfälle geschwächt ist.

Der Mittelstand soll weg, die Konzerne sollen übernehmen.
Hinter Habeck steht u.A. Agora Energiewende, hinter Agora die US-Hochfinanz.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
1 Monat her
Antworten an  Teiresias

Sie überschätzen den Herrn Klimaminister. So strategisch kann ein Robert Habeck nie und nimmer denken. Der Grund für die Aktion ist ganz trivial und wird auch im Artikel erwähnt: wir haben Rezession, und es kommen viel weniger Steuern rein. Mangels Kohle „isch over“ mit der Party. Das ist alles.

BellaCiao
1 Monat her

Gerade wollte ich fragen, wie gut das wohl mit Olaf Scholz‘ Ausspruch „You’ll never walk alone.“ zusammenpasst? Aber einen winzigen Moment später war es mir klar. Natürlich passt es prima zu des Kanzlers politischem Leitspruch! Denn die Ampel hat nicht zu viel versprochen: Man hat sie ständig an der Backe. Man wird sie nicht los, nein, man muss sich jetzt dauerhaft mit deren erratischer Politik herumschlagen. Wie gut, dass Schnuffi Habeck den betroffenen Unternehmen noch satte 3½ Wochen Zeit gibt, um den »Rechenschaftsbericht« über die Verwendung der edlen staatlichen „Corona-Spenden“ digital einzureichen. Als ob die Ansprüche bei der Vergabe der… Mehr

Last edited 1 Monat her by BellaCiao
Buck Fiden
1 Monat her
Antworten an  BellaCiao

„You´ll never walk alone“ muss nicht bedeuten, dass jemand mit Dir geht. Es kann auch sein, dass es jemand ist, der hinter Dir hergeht, um Dir später die Taschen zu leeren.

Carl22
1 Monat her

Um welche Gesamtsumme an „rückforderungswürdigen“ Coronahilfen es sich handelt, kann ich nicht im Artikel finden. Wenn ein 2025-Loch von 30 Milliarden im B.haushalt winkt – was 30.000 Millionen oder 30.000.000.000 € entspricht – sollte das ja eine Menge Geld sein……..Bitte um Aufklärung. Danke

Maja Schneider
1 Monat her

Keine Sorge, wenn der offensichtlich gewollte Niedergang Deutschlands in naher Zukunft vollendet sein wird, gibt es ohnehin kaum noch Steuergelder, die diesen ganzen Wahnsinn weiter finanzieren könnten, da der Mittelstand, das Rückgrat dieses Landes, dann wegradiert sein wird und und die Zahl der Arbeitslosen in schwindelerregende Höhen steigen wird.

Albert Pflueger
1 Monat her

Man frage mal die Steuerberater, ob sie überhaupt in der Lage sind, diese Fristen zu stemmen. Sie leiden unter extremer Personalknappheit, bei nach wie vor ausgeweitetem Home-Office. Wer kein Home-Office anbietet, bekommt keine Leute. Ich habe bisher die Bilanz 2022 noch nicht, die Finanzämter haben die Abgabefristen generell bis zur Jahresmitte 2024 verlängert.

elly
1 Monat her
Antworten an  Albert Pflueger

„Wer kein Home-Office anbietet, bekommt keine Leute.“
zu Recht. Genau diese Jobs können sehr gut im Homeoffice erledigt werden und auch Steuerberater sollten fähig sein Ergebnis orientiert und nicht Präsenz orientiert zu führen. 

DrRobertFord
1 Monat her

Habeck ist ein großer Meister. Er findet jedes Fettnäpfchen, tritt in jeden Haufen, stößt heute dieser und morgen jener gesellschaftlichen Gruppe vor den Kopf. Mit ihm gibt es keine Nachsicht mehr. Bei aller mangelnden Kenntnis kann er die Konsequenzen seiner Fehler nicht übersehen. Folglich ist er ein Überzeugungstäter, ein ökonomischer Terminator, ganz wie seine Parteifreundin Baerbock, die Deutschlands Ruf in der Welt willentlich zerstört.