Im Rahmen eines EU-Projekts suchen Wissenschaftler Materialien, die die seltenen Erden aus einer Fülle von anderen Materialien gezielt herauspicken und festhalten, bis sie in einem Aufbereitungsschritt abgetrennt werden. Wenn es gelingt, ein solches Trennverfahren zu entwickeln, lässt sich auch die Endlagerung von radioaktiven Abfällen sicherer gestalten. Von Wolfgang Kempkens

117 der weltweit 120 meistgenutzten chemischen Elemente und Mineralien finden sich in der Ukraine, darunter strategische wichtige Seltenerdmetalle und Lithium. Diese sind unabdingbar für die moderne Elektronik und für die Energieversorgung der Zukunft. Ohne diese Rohstoffe fährt kein Elektroauto, dreht sich kein Windgenerator und funktioniert weder Smartphone noch Laptop. Vor allem seltene Erden sind begehrt, die weitgehend in China gewonnen werden. Mit dem wieder schärfer werdenden Handelskrieg drohen die Industrieländer vom Nachschub abgeschnitten zu werden, vor allem die USA.
US-Präsident Donald Trump weiß sich zu helfen, scheinbar jedenfalls. Er will die Ukraine gegen den Aggressor Russland nur noch unterstützen, wenn er Zugang zu den wertvollen Rohstoffen bekommt, die im ukrainischen Boden schlummern. Vielleicht ist das ja, wie so oft bei ihm, nur eine vorübergehende Laune. Tatsache aber ist, dass viele Jahre vergingen, ehe die Ukraine ihre Rohstoffe erschlossen hat und liefern könnte. Bisher sind sie nur lokalisiert, doch bis zur Förderung würde noch eine ganze Weile vergehen. Trump wird dann wohl nicht mehr im Amt sein. Immerhin läuft er mit seiner Forderung bei Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj offene Türen ein, denn die Erschließung der wertvollen Rohstoffe ist Bestandteil seines „Siegesplans“.
Mittel- bis langfristig könnten zumindest die Rohstoffpläne Selenskyjs aufgehen. Ebenso lange dürfte es dauern, bis die Lösung realisiert ist, die die Europäische Union anstrebt, um die drohende Krise um die Versorgung mit Seltenerdmetallen wie Yttrium, Cer, Terbium, Neodym, Lanthan, das der Gruppe den Namen „Lanthaniden“ gibt und gut einem Dutzend weiterer Elemente abzuwenden. Lanthaniden entstehen auch bei der Uran- und Plutoniumspaltung in Kernkraftwerken. Diese verbleiben im Atommüll und werden nicht einmal bei der Wiederaufarbeitung abgetrennt, die in Frankreich, Großbritannien, den USA und Russland praktiziert wird, um Uran und Plutonium als Reaktorbrennstoffe zurückzugewinnen, teilweise auch, um Nuklearwaffen zu bauen.
Das Projekt MaLaR (Materials for Lanthanide Recovery from nuclear waste, Entwicklung von Materialien zur Rückgewinnung von Lanthaniden aus Nuklearabfällen) hat, wie der Name schon sagt, eine andere Stoßrichtung, obwohl die Abtrennung von Plutonium und Uran zur weiteren energetischen Verwertung gewissermaßen als Nebeneffekt nicht ausgeschlossen ist. Doch der EU und der Physikerin Kristina Kvashnina vom Helmholtz-Zentrum-Dresden-Rossendorf (HZDR), der Koordinatorin des Projekts, geht es ausdrücklich darum, die Versorgung mit Lanthaniden sicherzustellen. Nebenbei sollen mit der neuen Methode auch Nuklearabfälle aus der Medizin entschärft werden.
Gelingen soll das mit einem physikalischen Phänomen namens Sorption. Darunter versteht man die Anlagerung von Schadstoffen an Materialien, die diese ähnlich stark anziehen wie Magnete Eisenpulver. Ein Beispiel für Sorption: Bei der Entfernung von Kohlenstoffdioxid (CO2) aus Rauchgasen von Kraftwerken und Industrieanlagen werden Amine eingesetzt, die das Klimagas aufsaugen und festhalten.
Bei MaLaR geht es dagegen um die Sorption von Wertstoffen, eben den seltenen Erden. Kvashnina, die auch eine Professur für Physik an der Université Grenoble Alpes in Frankreich innehat, sucht mit ihrem Team Materialien, die die seltenen Erden aus einer Fülle von anderen Materialien gezielt herauspicken und festhalten, bis sie in einem Aufbereitungsschritt abgetrennt und der Industrie zur Verfügung gestellt werden.
In jüngster Zeit hat sich gezeigt, dass Graphenoxide – poröse Materialien auf Kohlenstoff-Basis – die Leistung der derzeit wichtigsten industriellen Sorptionsmittel deutlich übertreffen können. Bestimmte Veränderungen an deren elektronischer Struktur steigern die Sorptionsleistung weiter. Im MaLaR-Projekt wollen Kvashnina und ihre Partner die zugrundeliegenden chemischen Reaktionen systematisch untersuchen und daraus gezielt neue Materialien auf Graphenoxid-Basis entwickeln, die genau die gewünschten Wertstoffe an sich binden. Im Rahmen des Projekts wird die Physikerin auch die Experimente an der vom HZDR betriebenen Rossendorf Beamline (ROBL) am Europäischen Synchrotron (ESRF) in Grenoble leiten, die intensives Röntgenlicht erzeugt. Dieses wird genutzt, um die Strukturen der neuen Materialien sichtbar zu machen, wichtig für deren industrielle Herstellung.
Wenn es gelingt, ein solches Trennverfahren zu entwickeln, lässt sich auch die Endlagerung von radioaktiven Abfällen weitaus sicherer gestalten. Langlebige Isotope, die den Müll über Jahrtausende zu einer Gefahr machen, könnten abgetrennt und gesondert gelagert oder in schneller zerfallende Elemente umgewandelt werden.
Das europäische EURATOM-Programm finanziert das gerade gestartete Vorhaben, das auf drei Jahre veranschlagt ist, mit 2,3 Millionen Euro. Beteiligt sind neben dem federführenden HZDR sechs Forschungsinstitute in Frankreich, Schweden und Rumänien.
Wolfgang Kempkens studierte an der Technischen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aachener Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Energie und Umwelt.
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Zumindest ein hoffnungsvoller Ansatz. Ausserdem wird hier Steuergeld für sinnvolle Forschung eingesetzt, die einen möglichen großen Nutzen für die Allgemeinheit hat, wenn es gelingt. Es gibt noch Hoffnung für dieses Land