Die schleichende Abschaffung von Münzen und Scheinen kommt voran

„Bargeld ist geprägte Freiheit“, wusste Dostojewski. Eben deshalb möchte eine Allianz aus Politik und Wirtschaft es Schritt für Schritt zurückdrängen. Es gibt nur eine Instanz, die dabei stört

IMAGO / Wolfgang Maria Weber
Bargeld braucht niemand mehr in den stationären Läden, die der Handelsriese Amazon betreibt. Noch nicht einmal eine Plastikkarte, jedenfalls nicht an der Kasse. „Deine Handfläche ist alles, was du brauchst“ – so wirbt der Konzern für eine futuristische Zahlungsmethode. Dabei speichert ein Rechner die Muster der Hand, die zum Bezahlen nur noch über einen Scanner gehalten werden muss. Beim Betreten des Supermarkts zieht der Kunde seine Karte allerdings einmal durch, von der das Unternehmen den Einkaufsbetrag abbucht https://one.amazon.com/
. So richtig lässt sich der Vorteil gegenüber dem konventionellen Karteneinsatz nicht erkennen. Aber auch diese neuste Zahlungstechnik dürfte vor allem junge Verbraucher sanft auf den Weg in eine bargeldlose Zukunft schubsen.

An der Verbreitung bargeldloser Systeme arbeitet die weitgehend unbekannte, aber einflussreiche „Better Than Cash Alliance“, gegründet 2012. Bei der Organisation handelt es sich um einen eigenartigen Homunkulus aus UNO, nationalen Regierungen, Stiftungen und Großunternehmen. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem die Bill and Melinda Gates Foundation, die Clinton Global Initiative, die Bekleidungskette H & M, der Drogerie-und Lebensmittelkonzern Unilever – und das deutsche Entwicklungshilfeministerium, das die Allianz aus welchen Gründen auch immer finanziell unterstützt, obwohl sie dank solventer Mitglieder eigentlich nicht unter Geldmangel leiden dürfte. Die „Better Than Cash Alliance“ betont, Münzen und Scheine nicht abschaffen, sondern nur Alternativen fördern zu wollen.

Allerdings weisen viele parallele Initiativen ziemlich klar in Richtung einer weitgehend bargeldfreien Welt. Hier treffen sich Interessen mehrerer großer Spieler: Zum einen würden Technologie-Plattformen enorm davon profitieren, wenn die Möglichkeit anonymer Transaktionen verschwindet, und stattdessen jeder Bezahlvorgang eine Datenspur legt. Konsumdaten gehören zu den wertvollsten überhaupt, denn auf ihrer Grundlage lässt sich Werbung zielgenau steuern. Für Staaten, die ihre Bürger gern kontrollieren, bieten sich ebenfalls traumhafte Möglichkeiten, wenn der Geldtransfern nur noch elektronisch stattfindet. Damit lassen sich Untertanen überwachen – und bei Bedarf vom gesellschaftlichen Leben abschneiden, indem man sie von den Bezahlsystemen aussperrt. Drittens kommt die neue Bezahl-Welt auch Transformationsideologen wie dem früheren PiK-Chef Hans Joachim Schellnhuber entgegen, der von CO2-Budgets für jeden einzelnen Bürger träumt. Um dieses Zuteilungssystem zu etablierten, müsste jeder Erwerb von Waren und Dienstleistungen dokumentiert werden – vom Brötchenkauf bis zur Flugreise.

Eines der größten Projekte zur bargeldlosen Bezahlung treibt die Europäische Zentralbank mit der Einführung des Digital-Euro voran. Die Testphase endet offiziell im Oktober 2023. Daran, dass der E-Euro danach Schritt für Schritt kommen soll, lässt die EZB wenig Zweifel.

„Wir überlegen, digitales Zentralbankgeld in Europa einzuführen. Damit wollen wir auf die steigende Nachfrage nach sicheren und zuverlässigen elektronischen Zahlungsmitteln reagieren“, heißt es auf der Website der Zentralbank: „Digitales Geld, das die Zentralbank ausgibt, wäre ein Stabilitätsanker für das Zahlungs- und Währungssystem. Ein digitaler Euro würde außerdem die geldpolitische Souveränität des Euroraums stärken und den Wettbewerb sowie die Effizienz im europäischen Zahlungsverkehr fördern.“

Ein digitaler Euro bliebe immer Zentralbankgeld, auch wenn er sich in Umlauf befindet. Eine Zentralbank könnte damit sehr viel stärker in die Wirtschaft eingreifen, weil sie die Geschäftsbanken dann nicht mehr als Mittler bräuchte.

Während sich – durch Politik wie Unternehmen gefördert – elektronische Bezahlmöglichkeiten ausbreiten, per Karte, mit implantiertem Chip, eingescanntem Handmuster, demnächst möglicherweise auch durch Iris-Scan, werden die Räume für Bargeld ganz allmählich enger. Münzen und Scheine verschwinden nicht über Nacht, sondern in kleinen und von vielen unbemerkten Schritten und Schrittchen. Das beginnt mit dem Framing: Als der österreichische Kanzler Karl Nehammer kürzlich ankündigte, er wolle das Recht auf Bargeld in der Verfassung verankern, meldete die Nachrichtenagentur Reuters, der Politiker unterstütze damit eine „rechtsextreme Idee“ https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/reuters-bargeld-oesterreich-nehammer-sicherung-rechtsextrem/ Von da aus ist es nicht mehr weit zu der Behauptung: Wer mit Bargeld zahlen will, macht sich politisch verdächtig.

Mehrere Medien bereiteten im Frühjahr 2023 für ihr Publikum Ekel-Geschichten über das schmutzige Bargeld auf. „Igitt! Was so alles an Geldscheinen haftet“, erschreckte beispielsweise das ZDF seine Zuschauer: „Bakterien und Viren: Fäkalbakterien, Salmonellen, aber auch Erreger für eine Euter-Entzündung bei Kühen fanden Wissenschaftler des Essener Uni-Klinikums auf 5-Euro-Scheinen. Allerdings in einer für Menschen ungefährlichen Anzahl.“ Der „Merkur“ assistierte: „Keime auf Bargeld – wie schmutzig sind unsere Münzen und Scheine?““

Gleichzeitig reduzieren sich sowohl die Möglichkeiten, an Bargeld zu kommen, als auch die Gelegenheiten, es auszugeben. In Deutschland gilt eine Bargeld-Obergrenze von 10 000 Euro – wer mehr mit Cash zahlen möchte, kann es nicht mehr anonym tun, sondern muss seinen Ausweis vorlegen. Beim Goldkauf greift diese Pflicht schon ab 2000 Euro. Die EU plant derzeit, die allgemeine Grenze für Barzahlungen auf 7000 Euro abzusenken. Erste Handelsketten, die besonders fortschrittlich erscheinen wollen, schafften die Barzahlungsmöglichkeit schon ganz ab – etwa die Computerhandelskette Gravis.

Auch der zweite Teil des Projekts nimmt Formen an: der Zugang zu Barem verschlechtert sich stetig. Die Reduzierung kommt von den Rändern: erst beendete die EZB den Druck von 500-Euro-Scheinen, die nach und nach aus dem Verkehr gezogen werden. Im Sommer 2023 fiel der CDU-Haushaltsexperte Andreas Mattfeld mit dem Vorschlag auf, die ein- und zwei-Cent-Münzen abzuschaffen. Und die EU-Kommission erwägt gerade, Kleinmünzen generell zu verbannen. Begründung: der hohe Aufwand der Herstellung. Auch die Zahl der Gelautomaten geht deutlich zurück: seit 2015 verschwanden in Deutschland gut 6000 Stück. Die Anzahl der Bankfilialen halbierte sich in den vergangenen 10 Jahren ungefähr. Viele Filialen geben außerdem überhaupt kein Bargeld mehr aus. An etlichen Automaten können nur maximal 500 Euro pro Tag und Person gezogen werden. Viele Supermärkte, die an der Kasse einen Barauszahlungs-Service anbieten, begrenzen die Summe von vornherein auf 100 Euro. Und selbst dann, wenn das Limit theoretisch höher liegt, befindet sich oft praktisch zu wenig in der Schublade, um den Wunsch nach 200 baren Euro zu befriedigen.

Es gibt nur eine Größe, die sich nicht recht in die neue Bezahlwelt fügen will: die Normalbürger. In Umfragen erklärt in Deutschland regelmäßig eine Dreiviertelmehrheit, an den angeblich so schmutzigen und irgendwie verdächtigen Münzen und Scheinen festhalten zu wollen. Selbst dann, wenn sie nie Fjodor Dostojewski gelesen haben, kennen die meisten zumindest sinngemäß dessen Satz: „Bargeld ist geprägte Freiheit.“

Wenn es um gesellschaftliche Transformation geht, nehmen Politiker und Technokraten allerdings grundsätzlich keine Rücksicht auf Bürger. Das Unternehmen Bargeldabschaffung zeigt: es kommt auch gegen die Bevölkerungsmehrheit gut voran.

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Kommentare ( 88 )

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88 Comments
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Fryda
8 Monate her

Ich zahle gern bar, aber niemals Bar. Und ich hätte nichts dagegen, wenn 1- und 2-Cent-Münzen abgeschafft würden; sie machen nur das Portemonnaie schwer.

Sani58
8 Monate her

Fakt ist, wo ich nicht Bar bezahlen kann, gehen wir nicht hin. Glücklich wer grenznah wohnt. Von uns bekommt dieses Staat nur das absolut nicht umgehbare an Steuern. Ist immer noch zu viel und wird meistenteils nicht in unserem Sinne verwendet.

WandererX
8 Monate her

Geld ohne Münzen und Scheine würde (nicht nur, aber insbesondere) den Kindern das Weltgeschehen substanzlos und zufällig erscheinen lassen: es wäre die totale Herrschaft der angelsächsischen Seeräuberkultur und ihres Haupt- Prinzips, des Nominalismus: alles Reale sei real hauptsächlich über seinen Namen (nomen!), über seine Bezeichnung, über das Symbol, also bereits vor der Feststellung des Substanziellen: damit wird der Verstand überbewertet, das Materielle verachtet und dem Letzteren zugleich gefrönt! Wor sollten endlich mal kapieren, dass der Erste Weltkrieg nichts anderes war als die Zurückweisung der zuvor hoch anerkannten deutschen Kultur, indem sie sie propagandistisch als kindermordende Bestienkultur in der engl. Commenwealth-… Mehr

Ralph Sauer
8 Monate her

24 Stunden ohne Strom (Blackout, Brownout, Rainbowout, iwas mit dunkel) wird zwar viele Opfer bringen, aber einiges richtig stellen. Die meisten Einzeller wissen nicht mehr, wieviel Einmachgläser ein Brot kostet. Aber das Dingens mit Hand zeigen, ey ist sowas von cool!

Reinhard Peda
8 Monate her

Nicht Meckern sondern anders Wählen.
Direkte Demokratie einfordern, und wenn die dann da ist, ändert kein Politiker mehr etwas gegen den Willen des Volkes.

Manfred_Hbg
8 Monate her

Zitat: „Umfragen erklärt in Deutschland regelmäßig eine Dreiviertelmehrheit, an den angeblich so schmutzigen und irgendwie verdächtigen Münzen und Scheinen festhalten zu wollen.“

> Ich vermute mal stark, dass unter dieser Dreiviertelmehrheit vor allem die alten kriegserfarenen Bürger und die sog. Nachkriegsgeneration wie auch ich zu finden sind.

Außerdem bin ich auch gegen alles was der -vor allem heutigen grünlinken und woken- Politik zentrale Steuerungsmöglichkeiten(inkl einer angestrebten „Brüsseler Zentralregierung“) und den „Gläsernen Bürger“ erlaubt.

Axel Fachtan
8 Monate her

Ist doch nützlich, wenn man schon mal einen Handabdruck abgespeichert hat. Das hilft auch bei der Fahndung. Normalerweise darf solche biometrischen Daten nur die Polizei und die Staatsanwaltschaft erzwingen. In der schönen Welt gibst du alles ganz freiwillig her. In der 15 Minuten Stadt wirst Du dann eben nur noch U Bahn fahren dürfen, kein Auto. Und du wirst, smart wie du bist, eben nur noch in den Läden kaufen dürfen, die für dich freigegeben sind. In Coronazeiten sind dir ja sowieso schon interessante Beschränkungen auferlegt worden.Da haben die schon mal geübt. Wenn Du Dich geimpft hast, hattest Du Sozialkredit.… Mehr

Michael Palusch
8 Monate her
Antworten an  Axel Fachtan

Deswegen nennt man das was kommen soll auch „Smarte Diktatur“.
Und wie allenthalben zu beobachten, die Leute machen begeistert mit.
Es gibt z.B. kaum noch Leute die eine herkömmliche Uhr tragen, alle mit Smarwatch, das persönliche Überwachungsgerät wird zum unverzichtbaren Begleiter. Sie kann bezahlen, telefonieren, Vitalfunktionen und Aufenthaltsorte aufzeichnen und selbständig Notrufe absetzen. Natürlich, aber dass wollen die Leute nicht wahrhaben, können diese Daten -auch wenn es noch sooft bestritten wird- ebenso von unbekannten Dritten eingesehen und ausgewertet werden.

Juergen P. Schneider
8 Monate her

Wir alle können dazu beitragen, den links-grünen Despoten ihre Allmachtsphantasien abzugewöhnen, indem wir sooft wie möglich bar zahlen und Geschäfte meiden, die Barzahlung nicht mehr akzeptieren wollen. Man kann versuchen im eigenen Umfeld auf unsere Mitbürger dahingehend einzuwirken, dass sie sich wo immer möglich, dem von den Kartellparteien forcierten links-grünen Wahn entgegenstellen. Es ist das Bohren dicker Bretter, aber man muss einfach weitermachen, auch wenn man manchmal an der Beschränktheit vieler Zeitgenossen verzweifeln könnte.

Scholaf Olz
8 Monate her

Wenn jeder seine Ersparnisse abhebt werden wir sehen, ob es überhaupt für alle reicht …

Michael Palusch
8 Monate her
Antworten an  Scholaf Olz

Reicht nicht, reicht bei weitem nicht. Wer aufmerksam bei der Griechenlandkrise hingeschaut hat weiß das. Denn genau das wollten die Griechen damals tun, sich ihre Bankeinlagen in bar unters Kopfkissen legen. Und schneller als man Bargeld rufen konnte, waren die Banken geschlossen und die GAA strikt und auf Minisummen bei ihrer Auszahlung begrenzt.

Peter Pascht
8 Monate her

Gemäß BGB ist der Verkäufer zur „Angebotannahme“ verpflichtet, wenn er ein Waren – „Angebot“ öffentlich anbietet.
Das heißt, bietet ein Händler im Laden eine Ware zum Verkauf an und es kommt ein Käufer der diese haben will, ist der Käufer verpflichtet ihm diese Ware zu verkaufen.
Auf Vertragsfreiheit kann er sich nicht berufen um damit den Kauf abzulehnen.
Der Verkäufer oder Händler hat aber kein „einseitges Leistung Bestimmungsrecht“, sh. dazu BGB-Schuldrecht.
Er muss also Barzahlung = mit Geldscheinen, akzeptieren.

Michael Palusch
8 Monate her
Antworten an  Peter Pascht

Kann er doch. Und zwar dann, wenn er ausdrücklich darauf hinweist, das er seine Ware nur gegen bargeldlose Zahlung abtritt. Bestes Beispiel: Ein Biohof in meiner Nähe bietet seine Produkte über Automaten, in einem eigens zu diesem Zweck errichteten Laden an. Dieser „Laden“, ca. 40qm, hat 24/7 geöffnet und gibt seine Produkte nur gegen Kartenzahlung heraus. Sie schrieben es doch selbst in Ihrem Kommentar weiter unten: „…außer, beide Parteien haben sich vorab auf eine andere Zahlungsweise geeinigt“ Wenn sich Händler und Verkäufer nicht auf eine Zahlungsweise einigen können, dies kann auch stillschweigend erfolgen, kommt eben das Geschäft nicht zustande. Der… Mehr

Last edited 8 Monate her by Michael Palusch