Von der Leyen hat gegen ein Grundprinzip der EU verstoßen

Ursula von der Leyen hat eingeräumt, dass die Impfstoffbeschaffung durch einzelne Länder schneller gegangen wäre als durch die EU – und gibt damit zu, dass sie bei der Impfstoffbeschaffung gegen einen zentralen Grundsatz der EU-Verträge gehandelt hat.

imago Images/Hans Lucas

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in einem Beitrag für die FAZ geschrieben: „Auch ich stelle mir diese Fragen jeden Tag: Hätten wir schneller sein können? Und wäre ein einzelner Mitgliedstaat schneller gewesen? … Ja, es dauert vielleicht länger, Entscheidungen zu 27 zu treffen als allein. Aber stellen Sie sich vor, was passiert wäre, wenn am Anfang nur ein oder zwei Mitgliedstaaten Impfstoffe erhalten hätten. Das wäre für einige große Staaten wie Deutschland denkbar gewesen. Aber was hätte das für unsere Einheit in Europa bedeutet? Diese Abkehr von unseren europäischen Werten hätte nicht wenige gestärkt, sondern alle geschwächt. Das wäre an die Grundfesten Europas gegangen.“ In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am 5. Februar sagte sie, mit Blick auf Kritik, die EU habe den Impfstoff zu zögerlich bestellt: „Natürlich: Ein Land kann ein Schnellboot sein. Und die EU ist mehr ein Tanker.“

Mit diesen Äußerungen hat von der Leyen zugegeben, dass die Impfstoffbeschaffung durch einzelne Länder schneller gegangen wäre als durch die EU. Tatsächlich hatten Frankreich, Italien, die Niederlande und Deutschland schon im Sommer begonnen, mit den Impfstoffherstellern, zu verhandeln.

Merkel verhinderte die schnellere Lösung

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung hatten die Minister Hugo de Jonge (Niederlande), Jens Spahn (Deutschland), Olivier Véran (Frankreich) und Roberto Speranza (Niederlande) schon im Juni 2020 massive Zweifel daran, dass die EU in der Lage ist, rechtzeitig genug Impfstoff zu beschaffen. Sie wurden aber von ihren jeweiligen Regierungschefs – in Deutschland von Bundeskanzlerin Angela Merkel – gedrängt, das Verfahren an Ursula von der Leyen zu übertragen.

Die Bild-Zeitung veröffentlichte als Faksimile einen Brief vom Juni 2020, der belegt, wie die vier Minister aus Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden die Beschaffung des Impfstoffs an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abtreten und sich in demütigem Ton für ihre Bemühungen bei der Impfstoff-Beschaffung entschuldigen mussten. Nach Informationen der Zeitung war es sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch von der Leyen wichtig, dass die Minister den Brief in möglichst unterwürfigem Ton verfassen. Hintergrund: Die Minister hatten sich zu viert um genug Impfstoff für alle Europäer bemüht, Angela Merkel aber wollte die Impfstoff-Beschaffung als große Geste in die Hände der EU und ihrer Freundin Ursula von der Leyen legen.

In dem gemeinsamen Brief der vier Minister vom Juni heißt es unterwürfig: „Leider haben die zeitgleichen Verhandlungen unserer Allianz Sorgen verursacht. Deswegen glauben wir daran, dass es von herausragender Wichtigkeit ist, einen gemeinsamen Ansatz gegenüber den verschiedenen Pharmakonzernen zu verfolgen. (…) Wir sind uns einig, dass Geschwindigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Deswegen halten wir es für sinnvoll, wenn die Kommission die Führung in diesem Prozess übernimmt. Natürlich bieten wir weiter unsere Unterstützung und Expertise an.“

Verstoß gegen Subsidaritätsprinzip

Mit diesem Vorgehen hat von der Leyen gegen eines der wichtigsten Prinzipien der EU verstoßen, gegen das Subsidaritätsprinzip. Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und das Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit besagt: Im Rahmen der EU dient das Subsidiaritätsprinzip als Maßgabe zur Regelung der Ausübung der nicht ausschließlichen Zuständigkeiten der Union. Es schließt ein Tätigwerden der EU aus, wenn eine Angelegenheit auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene wirksam durch die Mitgliedstaaten selbst geregelt werden kann. Es ermächtigt die EU, ihre Befugnisse nur dann auszuüben, wenn die Ziele einer in Betracht gezogenen Maßnahme von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und die Maßnahme auf der Ebene der Union zu einem Mehrwert führen kann.

Hoher Preis für Angst vor „Nationalismus“

Ursula von der Leyen hat selbst zugegeben, dass genau das Gegenteil der Fall war: Durch die Übertragung der Impfstoffverhandlungen an die EU wurde alles langsamer und komplizierter. Das Ergebnis davon ist, dass viele Tausend Menschen in EU-Ländern sterben mussten, weil sie nicht rechtzeitig einen Impfschutz bekamen. Das Ergebnis ist, dass durch Lockdown-Maßnahmen zusätzliche Milliarden-Beträge ausgegeben werden mussten und die Existenz von Tausenden Selbstständigen in Europa vernichtet wurde. Und warum dies alles? Weil Angela Merkel und Ursula von der Leyen von einer irrationalen Angst vor „Nationalismus“ geleitet werden. Man sieht das an von der Leyens Formulierung, eine nationale Impfstoffbestellung „wäre an die Grundfesten Europas gegangen“. Das ist natürlich völlig abwegig. Dahinter steht die sozialistische Neid-Idee, dass es besser ist, wenn es den Europäern in allen Ländern gleich schlecht geht, als wenn einige Menschen eher einen Impfstoff bekommen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 53 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

53 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
beko
3 Jahre her

Grundsätzlich hatte ich mir schon Gedanken über das Wirken dieser Frau gemacht, als sie noch Familienministerin … Arbeitsministerin etc. war. Allerdings dachte ich immer noch, sie ist eine Frau und wird wissen was sie macht. Dann der Schock! Sie wurde Verteidigungsministerin. Wohl wegen der Frauenquote? In der Politik scheint wirklich alles möglich zu sein? Sicherlich gibt es auf der Welt Frauen, die diesen Posten ausfüllen und erfüllen können – problemlos. Aber Frau von der Leyen? Die Bundeswehr, an deren „Weiterentwicklung“, Ausrichtung, Einstampfung oder auch Zukunft sich bereits diverse Vorgänger die Zähne ausgebissen hatten? Einer Bundeswehr die mittlerweile von diversen Kräften… Mehr

Bummi
3 Jahre her

Gegenteil von Impfsolidarität: Soldidaritätssterben. Danke FvdL für dieses Desaster. Der EU Bürokratenstaat der um sich selber kreist. Schwerfällig, selbstgefällig, unfassbar bürokratisch und handlungsunfähig. Weltweit abgehängt. Auflösen diesen überflüssigen Saftladen.

schwarzseher
3 Jahre her

Jetzt muß ich Frau v. d. Leyen mal in Schutz nehmen, die keinesfalls gegen EU Grundprinzipien verstoßen hat, die da lauten:
Wie können wir den Steuerzahlern noch mehr Geld abknöpfen?
Wie können wir von diesem Geld noch mehr für uns abzweigen?
Wie komme ich zu einem noch üppiger vergüteten Posten?
Wie kann ich meine Freunde und Verwandten in der EU unterbringen?
Die Bürger der EU sind mir ……egal

klaus riedel
3 Jahre her

Für die Einheit der meist Europa genannten EU müssen Opfer gebracht werden. Da sind auch Menschenleben zu opfern, die vielleicht bei zeitiger Impfung  zu retten gewesen wären. Für „Europa“ geht Frau von der Leyen Arm in Arm mit „Mutti“ über Leichen.

Walter Knoch
3 Jahre her

Subsidiarität – ein großes Wort. Was sagt es anderes, als das die große Einheit nur entscheidet, was die Möglichkeiten der kleinen übersteigt. Doch zum Wahlspruch des Europas von Brüssel und Straßburg, des Europas der Merkels und Macrons, gilt die Tonnenideologie, des immer Mmehr, immer Größer, immer Mächtiger. Die Ideologie des Aushandelns, des Konsens‘, des kleinsten gemeinsamen Nenners (unter Vetorecht der big Two allerdings). Wer den Wettbewerb der kleineren Einheiten vor sich sieht, die größeren Mitspracherechte des Staatsbürgers, den fairen Wettbewerb zwischen diesen kleineren Einheiten, der gilt doch als nationalistisch angehaucht, wenn nicht gar verdorben. Das Impfstoffversagen ist ein Beispiel in… Mehr

Mimung
3 Jahre her

Eine große Einheit (EU) kann genauso gut und schnell Handeln wie viele Kleine (Staaten). Am Ende ist die Frage, ob die eine Ministerin X in der EU oder die 4 Minister Y in den Nationalstaaten es tatsächlich besser machen. Die EU als große Einheit hätte mehr Marktmacht, könnte bessere Preise und schnellere Lieferungen aushandeln als sagen wir mal Luxemburg als Einzelstaat. Dass jetzt die EU schlechter gearbeitet hat als die einzelnen Staaten, zeigt nicht dass die EU ein Fehler ist, es zeigt dass die Minister und die Leitung der EU überfordert und unfähig ist. Wer aber ist davon noch überrascht?… Mehr

Don Nicolas
3 Jahre her

Sorry, Herr Zitelmann, aber der Tenor Ihres Artikels ist irgendwie schief. Alles richtig, was Sie schreiben über Subsidiarität in den Verträgen. In den Verträgen! Aber um Entscheidungen, die man auf Grund von Sachlage und nationalen Erfordernissen besser vor Ort in der kleineren Einheit trifft, ist es nie gegangen. Weder bei den Regierungen noch bei den Bürokraten in Brüssel. Was glauben Sie denn, warum die Briten ausgetreten sind?
In allen Belangen möchte man doch great, big, eine geopolitische Macht sein. Diese Mischung aus Großmannssucht, Inkompetenz, Selbstüberschätzung und fehlendem Realitätssinn zerstört m. E. das EU- Projekt.

Ronaldo
3 Jahre her

Natürlich wurde gegen das Subsidaritätsprinzip verstoßen. Aber das entscheidende ist doch: Der Corona-Lockdown wird doch immer damit begründet, man müsste jedes Menschenleben retten. Das ist das „Totschlägerargument“ an jeder Kritik gegen den Lockdown. Demnach klebt doch jetzt Blut an den Händen von Merkel und vdL. Wenn es um die EU geht, können anscheinend schon ein paar Menschen mehr über die Klinge springen, wenn der Impfstoff später kommt.

Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Vielleicht merkt durch das Impfdesaster wenigstens der eine oder andere verträumte Wähler, zu welchem unsinnigen Haufen die EU herangewachsen ist. Migration und Finanzen reichen wohl noch nicht…

199 Luftballon
3 Jahre her

Ursula von McKinsey und Merkel sind längst ein Fall für die Justiz, leider ist in der Merkel Diktatur alles gleichgeschaltet auch die Justiz und der EuGH ist zum Kren reiben, der meldet sich nur wenn es gegen Russland oder andere unliebsame Staaten geht zu Wort.