Thilo Sarrazin: Zur Entscheidung der Bundesschiedskommission der SPD im Parteiordnungsverfahren

Die Bundesschiedskommission der SPD wies am 31. Juli 2020 die Berufung Thilo Sarrazins gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission zurück. Hier sein Kommentar.

Die Bundesschiedskommission der SPD wies am 31. Juli 2020 meine Berufung gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission zurück. Damit bin ich nicht mehr Mitglied der SPD.

Die schriftliche Urteilsbegründung ging mir am 15. September zu. In dem 40-seitigen Text wird als der maßgebliche Ausschlussgrund der Inhalt meines im August 2018 veröffentlichten islamkritischen Buches Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht benannt. Ergänzender Ausschlussgrund ist der Umstand, dass ich im Rahmen meiner rd. 60 Lesungen zu dem Buch am 14. März 2019 auch eine Lesung in der Liberalen Akademie in Wien (einer Fortbildungseinrichtung der FPÖ) abhielt.

Die Schiedskommission gesteht zwar zu, dass im Verlauf des Verfahrens dem Buch keinerlei „Faktenfehler“ nachgewiesen werden konnten. Sie hält dies aber nicht für „entscheidungsrelevant“, da es „maßgeblich“ darauf ankomme, „dass eine erhebliche inhaltlich-programmatische Differenz zwischen den Grundsätzen der SPD und den öffentlichkeitswirksamen Forderungen des Antragsgegners als Parteimitglied festgestellt werden kann.“ (S. 31 f.)

Zum Rassismusvorwurf äußert sich die Schiedskommission nicht, „da es letztlich nicht entscheidend ist, ob die Äußerungen des Antragsgegners in Feindliche Übernahme als rassistische Äußerungen zu qualifizieren sind oder nicht.“

Zum Inhalt des Buches hält die Schiedskommission sieben Vorwürfe für ausschlussrelevant:

1. Die Äußerungen und Forderungen in dem Buch stünden „mit den Grundsätzen der Sozialdemokratischen Partei so erheblich in Differenz, dass sie zum Schutz des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der SPD die dauerhafte Trennung von dem Antragsgegner rechtfertigen.“ Das gelte „vor allem im Bereich der Flüchtlings- und Migrationspolitik“. (S.26)

2. Der Vorschlag, bei der Steuerung von Einwanderung auch die kulturelle Kompatibilität zu berücksichtigen und die künftige Einwanderung religiöser Muslime gezielt zu begrenzen, sei eine unzulässige Diskriminierung von Muslimen bei der Einwanderung“. (S.27)

3. Der Vorschlag, im Rahmen einer Reform des Asyl- und Aufenthaltsrechts Asylverfahren aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu nehmen, verstoße „gegen die rechtsstaatliche Tradition der Sozialdemokratie“. (S. 28)

4. Der Vorschlag, die Genfer Flüchtlingskonvention zu ändern und Flüchtlinge anderer Kontinente nahe ihrer Heimat zu betreuen, verstoße gegen das Grundsatzprogramm der SPD, soweit es sich bei den Flüchtlingen um politisch Verfolgte handelt. (S. 28)

5. Der Vorschlag, illegal Eingereiste ohne Aufenthaltsstatus notfalls auch unter militärischem Schutz in ihre Herkunftsländer zurückzubringen, verstoße gegen die
Aussage des SPD-Grundsatzprogramms „Der Einsatz militärischer Mittel bleibt für uns Ultima Ratio“. (S. 28 f.)

6. Die Forderung, bei der Steuerung von Einwanderung die wirtschaftliche Nützlichkeit der 
Migranten zu berücksichtigen, sei eine Diskriminierung und verstoße gegen das Gebot 
der Menschenwürde.“ (S. 29 f.)

7. Obwohl die Schiedskommission die von mir umfangreich angeführten Fakten nicht 
bestreitet, ist sie der Meinung, „dass die Äußerungen des Antragsgegners über Muslime dem Menschenbild und den Grundsätzen der SPD widersprechen“. (S.31)

Nach meinem Verständnis kann Politik, aber auch das gesamte auf die Wirklichkeit gerichtete menschliche Handeln, nur dann erfolgreich sein, wenn man sich dabei auf die Tatsachen und Zusammenhänge der uns umgebenden Realität bezieht. Über Fakten, Ursachen und kausale Zusammenhänge kann man sich streiten. Wer sie bei seinen Entscheidungen ausblendet oder sie tabuisiert, weil sie ihm nicht gefallen, wird in Schwierigkeiten kommen und gerät in Gefahr, an der Realität zu scheitern. Das gilt im Privatleben, in der Wirtschaft und in der Politik.

Meine Entfernung aus der SPD rettet die Partei nicht vor der Wirklichkeit und schafft keine einzige der von mir in Feindliche Übernahme beschriebenen Tatsachen und Zusammenhänge aus der Welt. Man wird sehen, auf welche (Ab)Wege das Prinzip der geschlossenen Augen diese einst große Partei noch führen wird.

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Kommentare ( 63 )

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Manfred_Hbg
3 Jahre her

Zitat 1: „dass sie zum Schutz des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der SPD die dauerhafte Trennung von dem Antragsgegner rechtfertigen.“ > Ähm, „dass sie zum Schutz des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der SPD“?? Hahaha……, also „des Ansehens und der Glaubwürdigkeit“ wegen! Hier hat die Schiedskommission ja wohl vergessen die nur noch „15%“ der SPD zu beachten. Denn diese heutigen nur noch 15% der SPD sagen doch wohl mehr als genug über das Ansehen unf der Glaubwürdigkeit der SPD aus. – – – – – Zitat 2: „Zum Inhalt des Buches hält die Schiedskommission sieben Vorwürfe für ausschlussrelevant:“ > VORSCHLÄGE machen… Mehr

Talleyrand
3 Jahre her

Fakten passen halt nicht zum Weltbild der SPD. Auch nicht zum Weltbild der meisten anderen Parteien. Vielleicht passen auch Parteien nicht mehr zur Welt ?

Ananda
3 Jahre her

Wirtschaftliche Nützlichkeit von „Migranten“ sei DISKRIMINIERUNG und verstoße gegen die Menschenwürde. Es scheint es ist Zeit die (SPD??) Richter einzuweisen. Jede Amöbe hat mehr Rechte als ein Deutscher. Offensichtlich besteht unsere „Menschenwürde“ daraus für Jeden auf diesem Planeten zwangszuzahlen. Moderne Sklaverei.

RA.Dobke
3 Jahre her

Gemäß LTO ist der ordentliche Rechtsweg noch begehbar! Herr Sarazzin muß für sich entscheiden, ob er die Überprüfung des Urteils der SPD-Schranzen will! Falls er sich entscheidet, hier die SPD nochmal so richtig in die öffentliche Verantwortung ihres Treibens zu bringen, er sollte nicht nur von mir, sondern von vielen anderen jedwede Unterstützung erfahren!

RA.Dobke
3 Jahre her

Ich habs nicht glauben wollen!!! Und heute war der Olaf Scholz in Detmold. Hätte ich das vorher gewußt …

Corvus
3 Jahre her

Wie wäre es denn, wenn Herr Sarrazin einfach eine neue Partei gründen würde, wenn es rechtlich irgendwie möglich ist? Ich kenne mich da nicht aus, aber es müsste doch möglich sein!?

j.heller
3 Jahre her

Es geht IMMER um Interessenabwägung: 1. Das Interesse der deutschen Bürger, weiterhin in einem sicheren, wohlhabenden und friedlichen Land zu leben, in dem alle die bisherigen Grundwerte teilen, und auf dieser Basis Solidarität üben, steht auf der einen Seite. 2. Auf der anderen stehen die Interessen x-beliebiger Leute aus aller Welt, darunter in großer Zahl Kriminelle und Verfassungsfeinde (Erschleichung von Leistungen, Scharia, usw.), sich dauerhaft in das Land dieser deutschen Bürger zu begeben, um dort von deren Werte- und Solidarsystem zu profitieren. Außerdem das Interesse von Hohlköpfen und Zerstörern, sich mit einem extremistischen, undifferenzierten Humanitätsbegriff zu schmücken. Soll jeder wählen!… Mehr

Kaltverformer
3 Jahre her

So wie sich die Entwicklung beschleunigt, haben wir in 10 bis 15 Jahren sowieso einen Religionskrieg in Europa: Islam gegen alle anderen.

Was die Türken in Jahrhunderten nicht schafften, dass haben die Sozialisten, in allen ihren Schattierungen, binnen 70 Jahren zu Stande gebracht.
Respekt vor dieser herausragenden Negativleistung!

RA.Dobke
3 Jahre her

Ist schon was anderes ausgeschlossen zu werdenb oder auszutreten! Ich bin ausgetreten und hadere natürlich nicht! Herrn Sarrazin kann ich nur bestärken, denn es wird ihn viel Kraft kosten. „Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergeblich!“ Ich weiß nicht, ob es Ihnen hilft, wenn ich das Zitat bringe. Lassen wir die alte Tante SPD doch vielleicht besser einschlafen? Es ist seit Jahren im Führungskader keine Intelligenz mehr. Wenn man das, was früher einmal nicht zuletzt auch mit Ihnen war, durch Dummheit und Selbstsucht ersetzt, dann muß man das hinnehmen. Ich besitze den Anstand zur Beerdigung der SPD zu gehen. Das tue… Mehr

Resultant
3 Jahre her

In den 1990er Jahren studierte ich zuerst in Hamburg. Das Denken, das heute die SPD beherrscht, beherrschte damals bereits die Universität. Ich war schockiert, mit welcher Aggressivität die davon „infizierten“ Personen gegen Andersdenkende vorgingen. Ich wußte damals nur von Studenten, aber inzwischen weiß ich auch von Professoren, die Opfer wurden. Bis Dietrich Schwanitz 1995 seinen Campus veröffentlichte, waren die Vorgänge außerhalb der Universität kaum bekannt. Mir wurde auch nicht geglaubt – übrigens am wenigsten von älteren Anhängern der SPD (die sich die SPD noch vorstellten, wie sie sie in der Zeit der Kanzlerschafts Helmut Schmidts erlebt hatten). Die jüngeren Anhänger… Mehr