Konservative in der CDU suchen ihre Aufstellung nach einem halben Jahr Merz

Friedrich Merz führt seit einem halben Jahr die CDU an. Doch die konservative Revolution blieb aus – weswegen seine eigentlichen Anhänger jetzt auch nicht mehr weiter wissen.

IMAGO / Political-Moments

Wir haben in Deutschland bald nicht mehr genug Energie, um warm zu duschen. Selbst Urgroßväter können sich an eine solche Situation nicht erinnern – obwohl sie ihren Kindern und Enkeln immer erzählt hatten, dass sie ja nichts gehabt hätten. Eigentlich müsste es ein Goldenes Zeitalter für die Opposition sein. Doch die Union dümpelt in Umfragen bei unter 30 Prozent und schafft es nicht, sich einen nennenswerten Vorsprung vor den Grünen zu verschaffen.

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Die Gründe für diese Schwäche liegen offen: Der offensichtlichste trägt Grün und besucht nur noch Wohlfühl-Termine wie die Wagner-Festspiele in Bayreuth. Die Ampel mag nicht gut im Management von Energiekrise, Fachkräftemangel, vernachlässigter Infrastruktur, fehlender Wehrtüchtigkeit der Armee oder dysfunktionaler Verwaltung sein. Aber verursacht hat all diese Probleme Angela Merkel. Weil sie in 16 Jahren Kanzlerinnenschaft von der Substanz des Landes gelebt hat, statt sie zu mehren. Weil sie nach Meinungsumfragen regiert hat. Was letztlich nur bedeutet, dass ihr schon im Amt das eigene Wohlgefühl wichtiger war als der Wohlstand des Landes. Angela Merkel hat 16 Jahre weniger Mühe daran gesetzt, das Land zu regieren, als innerparteiliche Gegner klein zu halten.

Allen voran Friedrich Merz. Um dessen Comeback zu verhindern, hat Merkel sogar xtklassige Politdarsteller installiert wie Armin Laschet oder Annegret Kramp-Karrenbauer. Um sich angenehme Restjahre ihrer Kanzlerinnenschaft zu sichern – zum Schaden ihrer Partei, die Merkel in einem ebenso verheerten Zustand hinterlassen hat wie das Land, das diese Partei über 50 Jahre regiert hat.

Nun ist seit einem halben Jahr Friedrich Merz Vorsitzender dieser Partei. Also alles wieder gut? Oder wenigstens auf dem Weg dahin? Das fragen sich auch Berliner Kreis und Sächsische Werte-Union, die zu einer digitalen Diskussionsrunde eingeladen haben. Merz bezeichnen die Konservativen als „unseren Mann“. In dieser Runde hält Professor Werner J. Patzelt das Hauptreferat. Mit einem durchaus hellsichtigen Blick auf die Welt. Doch Patzelt muss am Ende eingestehen, dass er keinen Einfluss auf Merz habe. Er sei nicht mal im Gespräch mit ihm. Und auch die anderen Teilnehmer der Runde müssen einräumen, dass ihre Vertreter in der Partei keine aktive Rolle spielen. Weder in den Gremien, noch bei der Arbeit an der programmatischen Erneuerung, die Merz angeschoben hat.

In seinem Referat beschreibt Patzelt das Dilemma der Konservativen in der CDU recht genau: Die Merkel-Leute säßen noch an den Schalthebeln. Sie seien es auch, die in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein die Wahlen gewonnen hätten, was Merz weder helfe noch darin ermutige, Reformen in der CDU anzuschieben. Zumal sich die Partei in einer strategisch schwierigen Position befinde: Koalitionspartner finde sie derzeit nur in den Parteien der Ampelregierung, weshalb sie zu diesen entsprechend inhaltlich anschlussfähig bleiben müsse. Die AfD schließt Patzelt als Partner aus, da diese sich selbst in die rechte Schmuddelecke gearbeitet habe.

Im späten Herbst ihrer Existenz
Auch ein Merz macht keinen CDU-Frühling
Die Analyse Patzelts ist präzise. Doch er leitet daraus nur eine strategische Hilflosigkeit ab: der CDU insgesamt. Vor allem aber der Konservativen in der CDU. Sie könnten Merz am besten unterstützen, wenn sie nicht zu lautstark aufträten, vor allem nicht in der Kritik an Merz. Kommunizieren sollten die Konservativen am besten, indem sie komplexe und vielfältige Inhalte unter einem erklärenden Begriff vereinen: Patzelt schlägt als solchen „Nachhaltigkeit“ vor. Ein Begriff, den die Grünen schon vor über 20 Jahren besetzt haben – und der seit über zehn Jahren als abgenutzt gilt. Ansonsten empfiehlt Patzelt der Runde, auf (weitere) Fehler des politischen Gegners zu warten. Das hört sich mehr nach Merkel als nach Aufbruch an.

Dazu passt, dass Patzelt und andere Teilnehmer der Diskussion eine Übermacht grün-linker Medien beklagen. Was schließen sie daraus? Es sei Merz daher gar nicht möglich, deutlich konservative Positionen zu beziehen. Was ist mit einer eigenen Medienstrategie? Am tragfähigsten ist noch Patzelts Idee, den Begriff „Konsvervative“ positiver zu besetzen. Als Menschen, die den Fortschritt begrüßen, aber erst testen wollen, dass das Neue besser ist als das Alte.

Doch zum Umgang mit den Medien selbst gibt es keinen konkreten Vorschlag: Kein Einwirken auf nach links abgedriftete Medien, kein Stärken bürgerlicher Medien. Am Ende bleibt Patzelts „Auf (weitere) Fehler des politischen Gegner warten“ als bester Handlungsansatz. Eine Partei reformieren durch Abwarten, eine Industrienation retten durch Abwarten – 16 Jahre Angela Merkel haben auch ihre politischen Gegner verheert.

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Kommentare ( 105 )

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105 Comments
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Freige Richter
1 Jahr her

Sorry, ich habe den Artikel nur bis „Kanzlerinnenschaft“ gelesen. Werde nun ersatzweis die Kommentare durchlesen um zu erfahren, was im Artikel steht.

jorgos48
1 Jahr her

Friedrich Merz-Quo vadis. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

RauerMan
1 Jahr her

„Die Afd habe sich selber in die Schmuddelecke gearbeitet“, damit hat Herr Patzelt in Teilen der Partei sicher recht. Er vergißt aber die Konservativen i.d.AfD,bzw.deren Wähler, welche trotzdem die AfD alsdie z.Zt. einzig wählbare Partei ansehen. Das hängt mit den Sachfragen zusammen, welche diese Partei leider alleine vertritt. Nicht zuvergessen z.B. die EURO-EZB-EU-Fragen mit den Ergebnissen die uns jetzt auf die Füße fallen. Dazu gehört/e auch eine vernunftbegabte RU-Politik. Eine Kehrtwende der derzeitigen Sanktionen, die vor allem uns selbst schaden, wird kommen. Auf die Begründungen der Kehrtwenden darf man gespannt sein. Selbstverständlich ist der Ukraine-Krieg RU`s zu verurteilen, aber die… Mehr

Johann Thiel
1 Jahr her

Das ganze Gerede eines Prof. Patzelt ist so dumm, sinnentleert und irrelevant wie die ganze Union. Merz ist ein angepasster Vollversager mit dem wir als Kanzler längst den Impfzwang hätten und im aktiven Kriegszustand mit Russland wären.

Das einzige was die Union noch machen kann um wenigstens die Untergrenze des Anstandes zu erreichen, ist der Ampel beizutreten um endlich die wirklichen politischen Verhältnisse in Deutschland sichtbar werden zu lassen.

Mausi
1 Jahr her

Die westlichen Werte in der Ukraine verteidigen, aber im eigenen Land keinen Mut aufbringen für einen Beraterwechsel, um die westlichen Werte zu verteidigen. Unsere „westlichen Werte“ sind so am Ende, dass die CDU noch nicht mal Werte für die Beraterfirma formulieren könnte. Daher gibt sie als Wert „Wahl gewinnen“ an. Grün/rot hat mit Erfolg die „westlichen Werte“ in der veröffentlichten Meinung umgedeutet. Nur bei Ausrutschern wie der Sendung zum Gendern, kommt die unveröffentlichte Meinung zum Ausdruck. Aber die zu bespielen, da fehlt es an allen Ecken und Enden. Völlig egal, ob mit oder ohne Herrn Merz. Die Partei der Kompromisse… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Mausi
Dissident
1 Jahr her

Merz will Kanzler in einer Koalition mit den Grünen werden, das ist wohl das Ziel. Er scheint zu glauben, sich an die Grünen anbiedern zu müssen, weil diese es sind, die die Massenmedien, insbesondere den BRD-ÖRR, im Hinblick auf positive Darstellung dominieren. Die tatsächliche Politik der „Ampel“ ist katastrophal, also wird bei der nächsten Wahl die Kanzlerpartei, also die SPD, abgestraft. Schon jetzt wandern viele lernresistente Wähler wieder zur Union zurück. Die Taktik von Merz könnte aufgehen, und er tatsächlich nochmal im Herbst seiner Karriere Kanzler werden. In einer Koalition am Gängelband von B90/Grün, die leicht abgeschwächt die selbe Politik… Mehr

Klaus Kabel
1 Jahr her

Am Horizont leuchtet für die CDU das Schicksal der italienischen DC. Ein Staat, in dem es keine Opposition gibt ist kein Rechtsstaat mehr. Die AfD ist verbrannt und diskreditiert. Und die CDU, anstatt sich von den Merkelgrünen, zu befreien und energisch gegen den Grünlinken Wahn zu opponieren, dümpelt unglaubwürdig im Grünen Fahrwasser. 45% Nichtwähler, die meisten ohne politische Heimat, warten auf ein Zeichen. Jagt Merz vom Hof und fangt neu an. Das muss doch eine Aufgabe sein, an der eine Partei wachsen kann. Die Chancen wären groß wie nie! Und zu verlieren hat die CDU auch nichts mehr. Aber die… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Klaus Kabel
Mausi
1 Jahr her
Antworten an  Klaus Kabel

Herrn Merz vom Hof zu jagen hilft nicht, wenn die Machtpositionen mit grünen sozialistischen CDUlern besetzt sind. Das ist weder erfolgversprechende Stratgie noch erfolgversprechende Taktik.

Last edited 1 Jahr her by Mausi
Johann Thiel
1 Jahr her
Antworten an  Klaus Kabel

„Die AfD ist verbrannt und diskreditiert.“ Das genau, ist das brave nachplappern, das Altparteien und Medien herbeimanipuliert haben. Aber träumen Sie ruhig von den Chancen für die CDU.

Return
1 Jahr her

Hat jemand von Merz etwas anderes erwartet ?
Warum galt Merz denn jemals als „Konservativer“ !?
Weil er in den 1980ern den Begriff „Leitkultur“ popularisiert hat?! Dieser Begriff war in Wahrheit bereits eine Anpassung an die linke „Multikulti“-Ideologie. Bis in die 1980er galt Deutschland – zumindest offiziell – für die CDU noch als Ethnostaat oder Volksstaat. Ausländer waren nach dieser Vorstellung „Gäste“ (ausländische Mitbürger wie der damalige politisch-korrekte Sprachgebrauch lautete); die mussten sich daher auch nicht „integrieren“ oder sich einer „Leitkultur“ anpassen.

Merz ist ein Neoliberaler und ein Transatlantiker – gesellschaftspolitisch ist er biegsam.

Last edited 1 Jahr her by Return
Rene 1962
1 Jahr her

Wo ist denn die CDU Opposition?
In der ehemaligen DDR war sie eine Blockpartei. Nichts anderes sind die heute.
Bestenfalls ein Oppositiönchen.

Bernd Blau
1 Jahr her

Ich bin inzwischen zur Auffassung gelangt, dass mit sogenannten Bürgerlich-Konservativen wie Prof. Werner Patzelt überhaupt kein Staat zu machen ist. Sie rümpfen ritulisiert die Nase über eine notwendige Partei wie die AfD, um sie pauschal für koalitionsunfähig zu erklären, weil sie sich selbst in eine Schmuddelecke gestellt hätten. Gleichzeitig bejammern diese feinen Herrschaften die linken Medien, die alles Konservative in die rechte Ecke bugsieren. Sollte dann die AfD verschwinden, wovon ich aber nicht ausgehe, heisst von diesen Kreisen dann, die sich wie Vera Lengsfeld oder Norbert so gerne abseits verhalten, man müsste mal, man sollte mal etwas neues konservatives Seriöses… Mehr