Hamed Abdel-Samad zu Christchurch

Im Westen wird die Moderne und Aufklärung teilweise relativiert, um inflexible und zum Teil radikale Lebensweisen zu integrieren. Das beflügelt sowohl die white supremacists als auch die muslim supremacists sowie andere radikale Strömungen, und schwächt die Vernünftigen.

imago/Stefan M Prager
Hamed Abdel-Samad spricht klare Worte zu den Reaktionen und Interpretationen der Bluttat in Neuseeland.

„Die, die nach einem islamistischen Terroranschlag immer betonen, dass der Terror keine Religion hat, haben nach dem Anschlag auf der Moschee in Neuseeland festgestellt, dass der Terror doch eine Rasse hat. Die gleichen Leute, die zurecht verlangen, Muslime nicht unter Generalverdacht zu stellen, reden nun ungehemmt vom „weißen Mann“ als Kategorie.

Wir neigen oft dazu, eine ganze Gruppe entweder als Opfer oder als Täter abzustempeln. Doch Selbstüberhöhung, Selbstgeißlung und Opferhaltung sind Mechanismen, um vor der Realität zu fliehen.

Jeder Mensch, egal aus welcher Rasse oder Religion, ist zu allem fähig, im positiven wie im negativen Sinne. Es gibt jedoch Faktoren und Denkstrukturen, die Hass und Ausgrenzung befördern, wie z,B. zu glauben, dass die eigene Gruppe auserwählt und über der Menschheit steht. Dieses Denken ist sowohl unter Muslimen als auch unter weißen Männern verbreitet. Die „white supremacists“ unterscheiden sich nicht viel von den „Muslim supremacists“. Beide sind exklusiv, glauben an eine Weltverschwörung gegen sie. Beide haben ein kolonialistisches Projekt und träumen davon, die Welt unter ihrer Kontrolle zu bringen. Beide hassen sich nach außen hin, doch in Wirklichkeit beflügeln sie sich gegenseitig und liefern einander Argumente für den Fortbestand.

Die Moderne hat drei Säulen der klassischen Identitäten massiv geschwächt: Nation, Religion, Männlichkeit. Sie hat uns in die Lage versetzt, uns von diesen Identitätsankern zu distanzieren oder sie zu relativieren. Die white supremacists und muslim supremacists führen nun eine Konterrevolution gegen die Moderne und wollen diese Dreifaltigkeit zur alten Stärke zurückbringen.

Die Frage ist nun, was haben wir an Identitätsmodellen in der islamischen Welt und im Westen als Antwort auf diese Konterrevolution?

Die wirtschaftliche, politische und kulturelle Asymmetrie zwischen Ost und West wächst und bietet den Extremisten auf beiden Seiten mehr Brennstoff für den Hass. Die Bildung in der islamischen Welt schafft es nicht, sich von diesem exklusivistischen Denken zu lösen und sich für moderne, flexible Identitätsmodelle zu öffnen. Im Westen dagegen wird die Moderne und Aufklärung teilweise relativiert, um inflexible und zum Teil radikale Lebensweisen zu integrieren. Das beflügelt sowohl die white supremacists als auch die muslim supremacists sowie andere radikale Strömungen, und schwächt die Vernünftigen.

Das Problem liegt daran, dass unser Bekenntnis zur Freiheit so schwach ist wie seit langem nicht mehr!“


Der Beitrag von Hamed Abdel-Samad ist zuerst auf seiner FB-Seite erschienen:

Nachtrag: 

„Mich erreichen seit gestern viele Hassnachrichten, die mich für den Anschlag auf die Moschee in Neuseeland mitverantwortlich machen. Manche davon sind wüste Beschimpfungen, manche unterschwellige Vorwürfe. Hassnachrichten bekomme ich täglich. Ich kann daraus ein Buch machen, wenn ich will, aber das habe ich nicht nötig. Denn ich nehme diese Nachrichten meistens nicht ernst, weil dahinter oft junge Muslime stecken, die nicht wissen, was sie sagen. Aber wenn Akademiker, die im Dialoggeschäft immer von gegenseitiger Toleranz reden, mir schreiben „Bist du jetzt zufrieden?“ oder „ich hoffe du kannst ruhig schlafen“, muss ich antworten:
1. Wenn ihr zwischen Kritik gegen Elemente des Hasses im Islam und Hass gegen Muslime nicht unterscheiden könnt, dann seid ihr Teil des Problems.
2. Wenn ihr nicht den islamistischen Terror, die Integrationsmisere, die Unterwanderungsversuche der Islamisten im Westen, die ungesteurte Migration, die Globalisierung und die Angst vor dem Abstieg, sondern alleine die Islamkritik für Hass gegen Muslime verantwortlich macht, dann werdet ihr weder den Hass im Islam noch den Hass gegen Muslime jemals bekämpfen können.
3. Ihr versucht seit dem 11. September die Debatte um den Islam zu mäßigen und jede Kritik an diese Religion als Islamophobie abzustempeln. Was hat das gebracht? Weder ist der Terror noch der Hass gegen Muslime dadurch weniger geworden! Im Gegenteil, je mehr ihr die berechtigte Kritik in der Mitte der Gesellschaft kriminalisiert, desto mehr wandert sie zu den rechten Rändern ab und wird dort für Hass und Gewalt instrumentalisiert!
4. Ich werde mit meiner Islamkritik nicht ein Bisschen leise werden, genauso werde ich jede Form von Intoleranz, Unfreiheit und Unmenschlichkeit kritisieren.
5. Ich lass mich weder moralisch, noch politisch, noch durch Morddrohung erpressen. Lebt mit meiner Kritik oder verbietet die Meinungsfreiheit!“


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Kommentare ( 132 )

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Th. Radl
4 Jahre her

Es gibt wahrlich nicht Viele, von denen ich das sage, aber diesen Mann bewundere ich! Respekt!

Ali
5 Jahre her

Ein Artikel der voll ins schwarze trifft!

bfwied
5 Jahre her

Ich schrieb schon, wahrscheinlich wird damit die nächste Eskalationsstufe möglich. Irgendwann wird dann aufgerechnet und ein offener Krieg, der Clash of civilization beginnt. Aber eines ist klar, der Westen muss beginnen, die Lage so zu sehen, wie sie ist. Die Aggression kommt vom Islam, und sie kommt von Afrika. Der Islam fühlt sich zurückgesetzt, weil er nicht teilhat an Wissenschaft/Technik und die Bevölkerung alle Grenzen des Zuträglichen sprengt, Afrika fühlt sich aus demselben Grund zurückgesetzt, und es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass alles Übel auf die Kolonien zurückzuführen wären. Das Grundübel ist die überbordende Bevölkerungsexplosion. Es gibt einen Punkt,… Mehr

bfwied
5 Jahre her

Abdel-Samad ist voll und ganz zuzustimmen, und der Massenmord ist in vielerlei Hinsicht eine menschliche – und politische – Katastrophe. Die Sozialisten/Globalisten reden gerne von „Hass“, weil sie sich nicht mit der Wirklichkeit auseinandersetzen wollen/können. So ist einen rationale Kenntnisnahme der Lagen/der Situationen und eine Auseinandersetzung damit vollkommen verunmöglicht. Da infolgedessen nur noch denunziert und von Hass gesprochen wird – die sogenannte Elite scheint nicht zu wissen, was sie anrichtet -, jede rationale Kritik gesetzlich sogar als „Hate Speech“ klassifiziert und geahndet wird, bleibt die Vernunft entweder auf der Strecke, was das Ziel ist, oder sie verhärtet sich tatsächlich zur… Mehr

Walter Knoch
5 Jahre her

Dass brutaler Terror, Überlegenheitsgefühle, Allmachtsphantasmen keine exklusiven Kategorien sind, die einer Ideologie, einer „Rasse“, einer Religion alleine zugeschrieben werden könnten, ist eine Banalität. Man schaue nur auf die Säkularreligionen des 20sten Jahrhunderts, was da Säkularreligionen angerichtet haben! Dass das Christentum seine schwarzen Flecken hat, ist eine weitere Banalität. Da wurde auch gefoltert, verbrannt, gehängt, gevierteilt. Aber: Wer schwerste Verbrechen begeht, schlägt als Christ, ich bin Agnostiker, seinen Religionsgründer, seinen Jesus zum zweiten Mal ans Kreuz. Als Moslem, Karl May durfte noch Mohammedaner schreiten, darf und kann er sich auf die Untaten seines Religionsstifters berufen. Seines Religionsstifters, der eine als Religion… Mehr

Kassandra
5 Jahre her

Neuester Abdel-Samad-Tweet: „Islamists in the West are afraid that right wing extremists might treat them the way they treat minorities in Moslem countries!“
https://twitter.com/hamed_samad/status/1106966397454827520

Erdogan hingegen gießt Öl ins Feuer und zweigt das Video aus Christchurch in voller Länge auf einer Wahlkampfveranstaltung: https://www.krone.at/1884590

Kaltverformer
5 Jahre her

Wo sollen denn die „white supremacists“ denn eigentlich sein, bis auf eine kleine Minderheit im Promillebereich? Ich sehe das eher so, dass hier eine Gegenbewegung einsetzt. So weit ich das Überblicke hat die schweigende Mehrheit der Australier und Neuseeländer, genauso wie wir Europäer, es einfach satt, wie hier „Flüchtlinge“ sich bei uns ansiedeln, wir diese aus Steuergeldern auch noch verköstigen dürfen, unsere Bräuche und Sitte ablehnt und sich völlig abschottet. Wie man in dieser Welt sehr schön beobachten kann, ist es nun einmal Fakt, dass wenn die Anhänger des Islams (und dann ist es völlig egal, welcher Richtung sie angehören!)… Mehr

Abraham
5 Jahre her

So wie 2011 ein ca. 13.000 km entferntes Naturereignis zum Abschalten von zahlreichen Kernkraftwerken und dem bald abgeschlossenen „totalen Atomausstieg“ in Deutschland geführt hat, muss auch das Ereignis von Christchurch (Distanz: über 18.000 km) einschneidende Folgen haben.

Der Kampf gegen Rechts ist jetzt noch entschiedener zu führen, und zwar durch die Abschaltung von Hass und Hetze mit allen rechtlichen und administrativen Mitteln. Hier ist dann auch die Legislative gefordert: Artikel 5 GG passt ganz offensichtlich nicht mehr zur aktuellen Bedrohungslage. Da die Guten im Bundestag noch die Mehrheit haben, sollte eine entsprechende Grundgesetzänderung so schnell wie möglich durchgezogen werden.

Bummi
5 Jahre her

Ich war vor Kurzem in der indischen Provinz. Was dort an religiösen Fanatismus abgeht ist gewaltig. Völlig verrückt. Das betrifft den Islam und auch den Hinduismus. Und man kann sehen wie rückständig das alles ist. Und Deutschland wirft die Erfolge der jahrhundertelangen Aufklärung über Bord. Multikulti als Lebensziel mit intoleraten Religionen und Ethnien. Und das sorgt für eine Stärkung der Ränder und Extremisten. Dümmer geht es nicht. Aber man schaue sich nur diese christliche Pfarrerstochter als Hausmutti im Kanzleramt an. Und der Clon 2.0 ist keinen Deut besser.

Donostia
5 Jahre her

Unsere Globallisten wollen immer alles tolerieren. Wieso eigentlich? Wieso sollen wir Muslime, die im Westen leben und sich die Scharia-Gesetze in unserem Land wünschen, tolerieren? Ein Muslim, der nach der Scharia leben will, soll sich bitte in die entsprechenden Ländern begeben. Auch im Westen geborene Leute, die sich ein Leben wie in muslimischen Ländern wünschen, bitte ich, auszureisen um sich in einem muslimischen Land niederzulassen – mit allen Konsequenzen die das nach sich zieht. Frau Roth, vielleicht fühlen Sie sich angesprochen? Umgekehrt würde ich jeden Menschen, der in einem Land lebt, wo die Scharia Gesetz ist und der selbst die… Mehr