Erstes Gerichtsurteil gegen einen Ex-Offizier wegen „Delegitimierung des Staates“

Das Ruhegehalt eines früheren Soldaten wird für die Dauer von 24 Monaten gekürzt. Das Urteil könnte Leitfunktion für weitere Fälle haben. Hier wird deutlich, wie übergriffig der „Rechtsstaat“ mittlerweile geworden ist. Muss der Merkel-/Ampel-Staat etwa vor Grundgesetz und Rechtsstaat geschützt werden?

IMAGO / Schöning
Das Urteil gegen den Ex-Offizier wurde vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 14. Juni 2023 gefällt

Im April 2021 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den neuen sogenannten Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ erfunden, um gegen „demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“ nachrichtendienstlich tätig werden zu können. Objekt der Begierde der Schlapphüte sollte – auf einer Ebene wie linker, rechter und islamistischer Extremismus – die Querdenker-Bewegung sein, sollten also die Kritiker der Corona-Politik und deren „Verschwörungstheorien“ sein. Dass manche der damals offiziell als Verschwörungstheorie inkriminierte Kritik an Lockdowns, Maskentragen, Impfzwang usw. sich mittlerweile als berechtigt erhärtet hat? Das spielt für Legislative, Exekutive und Judikative offenbar keine Rolle mehr. Mit der Aufarbeitung der Corona-Politik hapert es ohnehin.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Nun hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) mit Sitz im Gebäude des früheren Reichsgerichts in Leipzig ein Urteil gegen einen vormaligen Hauptmann der Bundeswehr gesprochen. Das Urteil (BVerwG 2 WD 11.22) stammt zwar schon vom 14. Juni 2023, es wurde aber jetzt erst durch einen tendenziösen Bericht der „Süddeutschen“ unter der Überschrift „Harte Linie gegen Corona-Leugner“ (sic!) vom 4. Dezember 2023 bekannt.*

Vorausgegangen war ein im Netz nicht mehr auffindbares Urteil der 8. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 28. Juli 2022. Dort waren heftige Äußerungen des Ex-Offiziers gegen die Corona-Politik als Ausdruck der Meinungsfreiheit qualifiziert worden. Gegen dieses Urteil war die Wehrdisziplinaranwaltschaft in Berufung gegangen.

Das Urteil des BVerwG lautet nun: Das Ruhegehalt des früheren Soldaten wird für die Dauer von 24 Monaten um 1/10 gekürzt. Das ist doch keine Staatsaffäre, würde man auf den ersten Blick sagen. Doch, ist es, denn hier wird in einem vermeintlich kleinen Fall überdeutlich, wie übergriffig der (sogenannte?) Rechtsstaat mittlerweile geworden ist. Das Urteil könnte Leitfunktion für weitere, ähnliche Urteile haben.

Was hat der Ex-Offizier gepostet?

Der Ex-Hauptmann, der in seiner aktiven Zeit als untadeliger und vorbildlicher Soldat beurteilt worden war, hatte sich ab April 2020 in Netzwerken heftig gegen die Corona-Politik geäußert. Er hatte diese als „diktatorisch“ bezeichnet und von einer „aufkommenden Diktatur“ geschrieben. Auf Facebook hatte er im April 2020 gepostet: „Ich schäme mich für diesen Staat, dem ich über 30 Jahre treu gedient habe.“ Im Mai 2020 schrieb er: „Ich verstehe nicht, warum meine Kameraden nicht gegen diese geplante Diktatur vorgehen?“ Die Bundesregierung hatte er wahlweise als „kommunistisch“ wie auch „faschistisch“ bezeichnet, und er hatte eine Fotomontage von Angela Merkel mit Hitlergruß geteilt.

Über den Microsoft-Gründer Bill Gates und den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), einen gelernten Bankkaufmann, hatte er auf Facebook gepostet: „Die ganze Welt lässt sich von einem Software-Freak, der die Weltherrschaft übernehmen will, verarschen. Und wir in Deutschland lassen uns von einem Bankkaufmann unsere Menschenrechte nehmen. Sind wir denn alle bescheuert?“

Ist der Verfassungsschutz verfassungswidrig?
Der Inlandsgeheimdienst delegitimiert sich selbst
Das Bundesverwaltungsgericht sagt nun, dass solche Kritik ein Verstoß gegen die dienstliche Pflicht zur Verfassungstreue darstelle. Der Staat dürfe den Ex-Offizier sanktionieren, indem er dessen Ruhegehalt kürzt. Das Bundesverwaltungsgericht stellt zwar klar: Kritik an der Regierung oder auch an bestehenden rechtlichen Regelungen sei auch für Staatsdiener grundsätzlich legitim. „Denn weder der Staat noch die Gesellschaft haben ein Interesse an unkritischen Beamten und Soldaten.“ Dann jedoch das große ABER: Eine Grenze sei erreicht, wenn jemand „die Staatsorgane nicht lediglich kritisiert, sondern ihre demokratisch gewählten Repräsentanten diffamiert, ihnen die Legitimation abspricht, ihre Absetzung in verfassungswidrigen Verfahren befürwortet oder gar zum gewaltsamen Sturz auffordert“.

Man muss sich nicht mit jeder Äußerung des Ex-Soldaten identifizieren. Aber man hätte erwarten können, dass das Gericht auf das Beamten, Richtern und Soldaten obliegende „Mäßigungsgebot“ abhebt. Dieses Gebot kommt im Urteil des BVerwG aber nicht vor. Nein, es wird gleich die große Keule der Verfassungswidrigkeit und des Extremismus herausgeholt. Politisierte Rechtsprechung ist das. Andere Gerichte standen da eher auf Seite der Meinungsfreiheit. Das Oberverwaltungsgericht NRW hatte einem Lehrer im Jahr 2011 (online nicht mehr verfügbar) zugestanden, dass er im Jahr 2009 in zwei Leserbriefen namentlich genannte Politiker mit Begriffen wie „Spaltpilz“, „Volksfront“, „boshaft ignorant“, „Miesmacherei und Diffamierung“, „perfide“ und „Vasallen“ belegt hatte.

Staat und Regierung als sakrosankte Gottheiten?

Was zeigt uns dieser „Fall“? Er zeigt, dass (verquaste) Definitionen des Verfassungsschutzes („Delegitimierung“) mittlerweile von höchsten Gerichten wie in Stein gemeißeltes Strafrecht angewendet werden. Mehr noch: Der Staat wird zur Gottheit, dessen Regierungsvertreter zu Göttern erhoben. Bloß keine Kritik daran, das wäre ja schier Blasphemie! Ansonsten wird der Staat damit zum Leviathan-Ungeheuer, das alle frisst, die keine schafsgeduldigen Untertanen geben.

Tichys Einblick Talk
Corona und kein Ende - Tichys Einblick Talk mit Michael Ballweg
Alarm ist angesagt, wenn man sieht, dass der Staat nicht mehr der Garant von Freiheiten, sondern der sakrosankte, gönnerhafte, gutherrenhafte, willkürliche Gewährer von (eingeschränkten) Freiheiten ist. Stehen wir also demnächst zumal als aktive oder ehemalige Beamte, Richter, Soldaten mit einem Bein vor Gericht, weil wir Scholz einen Schwätzer mit Erinnerungslücken, Habeck einen wirtschaftspolitischen Dilettanten, Baerbock eine ungebildete Wichtigtuerin, Lindner für einen eitlen Umfaller, Lauterbach einen Scharlatan nennen?

Mehr noch: Muss der Merkel-/Ampel-Staat etwa jetzt vor dem freiheitlichen Rechtsstaat geschützt werden? Hoffentlich nicht. Indes aber agieren die Feinde der Demokratie nicht mehr wie in der Weimarer Republik außerhalb des Staates, sondern jetzt agieren sie an der Spitze eines Staates, den sie sich zur Beute gemacht haben, um ihn zu de- und „transformieren“.

Denk ich an Deutschland … Was wird da in Sachen Klima noch alles auf uns zukommen?

* Der Autor des tendenziösen SZ-Berichts, Ronen Steinke, ist bekannt als aktivistischer Schreiber mit durchaus erkennbaren Schlapphutqualitäten. Am 26. Juli 2020 hatte er getwittert: »Sie haben besondere Informationen zu Fällen von #Rassismus in der #Polizei von öffentlichem Interesse und wollen uns @SZ diese anonym zukommen lassen? So erreichen Sie uns …« Zugleich versicherte die SZ, die Zuträger könnten sich beim SZ-»Investigations-Team« melden, selbstverständlich auch anonym. Und damit die Spuren verwischt würden, lieferte die SZ gleich noch Tipps mit, wie man die Spuren verwischen kann. Zum Beispiel: »Kein Telefon nutzen, keine E-Mail schreiben!« Steinke scheint ein besonderer Freund von Polizisten und Soldaten zu sein.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 130 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

130 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Steeb
5 Monate her

Es ist mir jetzt erst deutlich geworden, dass die Berichterstattung etwas zu stark der Meldung der Süddeutschen gefolgt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich die legitime Kritik nicht beanstandet, wohl aber Auswüchse, die tatsächlich den Rahmen von Kritik verlassen haben. Sein Aufruf an die Soldaten und Reservisten, gegen die Bundesregierung vorzugehen und seine Forderung nach Installierung eines Kriegsgerichts erfüllen den Tatbestand der feindseligen Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung…Aber das Urteil hält ausdrücklich fest: »Hingegen liegt keine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, soweit sich der frühere Soldat in Anschuldigungspunkt 1 und 7 gegen die im Zuge der COVID-19-Pandemie erlassenen… Mehr

Der Ketzer
5 Monate her

Ich möchte jetzt nicht auf eine mögliche Nähe zu Stasi- oder Nazi-Methoden eingehen aber die Art und weise, wie diese Regierung Kritiker zu disziplinieren versucht, ist aus meiner Sicht schlicht sittenwidrig. Im Prinzip befinden sich die meisten Bürger in einer Zwangslage, weil sie arbeiten müssen, um ihren bisher erarbeiteten Wohlstand – auch über die Altersgrenze (Rente, Ruhestand) hinweg – erhalten zu können und sie tragen damit auch Verantwortung für ihre Familien. Hier muss nicht erwähnt werden, dass es genau diese Bürger sind, die den Staat und seine Sozialsysteme finanzieren, statt ihm auf der Tasche zu liegen. Und es sind genau… Mehr

bkkopp
5 Monate her

Das Urteil ist rechtspolitisch erschreckend und bedrohlich. Es scheint ähnlich von “ Gesetz gegen Beleidgung des Präsidenten / Regimes “ in autoritären Regimen zu sein. Es ist zu hoffen, dass es nach weiteren gerichtlichen Überpfüfungen keinen Bestand hat. Trotzdem bin ich aber mit den Perspektiven und Tonlagen des penisonierten Offiziers nicht einverstanden.

Evero
5 Monate her

Die Inlandsgeheimdienste stehen in der Tradition der totalitären Regierungsformen wie mittelalterlicher Katholizismus, Feudalismus, Faschismus und Sozialismus/Kommunismus.
In jenen Zeiten war es nicht erwünscht, dass der Untertan selbständig denkt. Die falsch abgebogenen Altparteien wünschen sich alte Zeiten zurück. Kadavergehorsam ist wohl in der DNA vieler Hochgestellter in diesem Land. Da heißt es aufpassen, denn an einem bestimmten Punkt kann es wieder zu spät sein, den demokratischen Karren aus dem totalitären Sumpf zu retten.

Klaus Kabel
5 Monate her

Kann man einen Staat delegitimieren, der sich durch seine Regierung und sein Handeln täglich selbst delegimitiert, der meineidig gegen seine Bevölkerung Krieg führt?

Last edited 5 Monate her by Klaus Kabel
luxlimbus
5 Monate her

Auch das noch….

Die kognitive Legasthenie, nicht mehr zwischen „Staat“ und „Regierung“ unterscheiden zu können, hat nun auch die Judikative befallen. Nichts ist mehr unmöglich. Kommt bald die Zielhilfe für den Toilettengang?

Johny
5 Monate her

„Die Lüge braucht die Macht des Staates, die Wahrheit kann alleine stehen“ Th. Jefferson, 3. Präsident der USA.

Last edited 5 Monate her by Johny
Alter Sachse
5 Monate her

Ich würde gerne in die Freie Welt aka in den Westen übersiedeln; aber wo ist der hin?

Rene Meyer
5 Monate her

„Indes aber agieren die Feinde der Demokratie nicht mehr wie in der Weimarer Republik außerhalb des Staates, sondern jetzt agieren sie an der Spitze eines Staates, den sie sich zur Beute gemacht haben, um ihn zu de- und „transformieren“.“

Das ist eine klare Aussage. Ihr ist nichts hinzuzufügen – außer der Frage: Was tun?

Anglesachse
5 Monate her

Ich konnte mir den Artikel nun nicht ganz durchlesen, aber….
Wenn ich als Soldat dieses Staates meine Knochen und Gesundheit herhalte, ist es mein Grundrecht auch Diesen Staat zu kritisieren!

Alles Andere ist alte linentreue Wehrmacht!!!