Ein Orden für Manuel Neuer und andere Verzweiflungstaten von CSU-Chef Söder

Der Partei der einstigen absoluten Mehrheiten in Bayern droht der Rutsch unter deutschlandweit fünf Prozent. CSU-Chef Söder reagiert mit Panik-Aktionen: noch schnellerer Kohleausstieg! Und gleichzeitig steht auf den Plakaten: „Linksrutsch verhindern!“ Aber wer hat den denn selbst praktiziert?

IMAGO/Sven Simon

Die vormals kraftstrotzende CSU gerät mehr und mehr in Panik. Es drohen ihr im Bundestag nicht nur die Oppositionsbank und der Verlust von Minister- und Staatssekretärsposten. Nein, ein anderes Trauma wiegt mindestens genauso schwer: Die CSU könnte bundesweit unter fünf Prozent rutschen. Für den Einzug der CSU in den Bundestag spielt das zwar keine Rolle, denn die CSU wird über zahlreiche Direktkandidaten auf jeden Fall im Parlament vertreten sein. Aber ein Sturz unter die 5 Prozent hat einen beträchtlichen symbolischen Wert.

Die Zeiten, in denen die CSU – auf den gesamten Bund bezogen – 10,55 (1976) bzw. 10,21 (1980, mit Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß) bzw. 10,54 (1983) Prozent der Wähler hinter sich sammelte und damit phasenweise mehr Abgeordnete stellte als FDP oder Grüne, sind längst vorbei. Im Jahr 2002 errang die CSU noch 8,99 Prozent der bundesweit abgegebenen Stimmen (damals mit einem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber). Ab da aber ging es bergab. 2017 holte die CSU noch 6,11 Prozent aller bundesweit abgegebenen Stimmen.

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Und 2021? Allein auf Bayern bezogen, dümpelt die CSU in Umfragen und Prognosen bei Werten um 28 oder 29 Prozent herum. Was bedeutet das? Bayern stellt mit 9,5 Millionen Wahlberechtigten 15,56 Prozent aller bundesweit 60,4 Millionen Wahlberechtigten. Erringt die CSU am Wahltag in Bayern tatsächlich nur 28 Prozent, dann kommt sie bundesweit auf einen Wähleranteil von 4,36 Prozent. Wir setzen dabei für eine Modellrechnung mal fiktiv voraus, dass es bundesweit eine relativ einheitliche Wahlbeteiligung gibt. Dann muss sich die CSU in Bayern von den prognostizierten 28 Prozent mindestens auf 32,5 Prozent steigern, um die symbolträchtigen fünf Prozent zu knacken.

Wie gesagt: Die fünf Prozent sind für die CSU nur ein symbolischer Wert. Aber er hat es in sich. Das weiß man auch in der CSU-Zentrale im Münchner Norden. Von daher sind so manche Panikattacken der beiden Markusse zu erklären: von CSU-Chef Markus Söder und CSU-„General“ Markus Blume.

Es ist schon witzig. Ein ergrünter Söder toppt die Union, ja gar die Grünen, etwa noch mit dem Vorschlag eines noch schnelleren Kohleausstiegs. Dass er Merkel für ein Glück für Deutschland hält, hören wir aus seinem Munde mittlerweile auch ständig. Seinen “General“ Blume lässt er nach wie vor gegen Laschet sticheln. Aktuell fordert Blume, wenige Tage vor der Wahl, bereits eine kritische Fehleranalyse. Wenige Stunden vor dem jüngsten CSU-Parteitag vom 11. September in Nürnberg, wo man Laschet scheinheilig zujubelte, „wusste“ Blume bereits, dass sein Namensvetter Söder den besseren Kandidaten dargestellt hätte.

Dem nicht genug. Wenn man durch die bayerischen Lande fährt, springt einem nur ganz selten ein Laschet-Plakat entgegen. Meist findet man Söder auf den CSU-Plakaten, wiewohl er gar nicht zur Wahl steht. Sein wiederkehrender Spruch dabei lautet: „Linksrutsch verhindern!“ Boshafte Leute übersetzen das so: Söder verhindern! Denn es ist Söder, der die CSU binnen weniger Monate so weit nach links gerückt hat, wie es Merkel mit der CDU in 16 Jahren getan hat.

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Nun fischt Söder auch noch in der „Divers“-Szene. Er empfiehlt den Kirchen die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, und vom Gesetzgeber wünscht er sich ein Adoptionsrecht für eben diese. Dass er nach der Methode „Enkeltrick“ nun auch noch offenbar ältere Familienmitglieder von einer CSU-widrigen Stimmabgabe abhalten will, wurde soeben bei TE beschrieben.

Vorläufiger Höhepunkt Söder’scher Panikattacken war der 22. September: Als Ministerpräsident verlieh Söder Manuel Neuer, dem Torhüter von Bayern München und der „Mannschaft“ (vormals „Deutsche Nationalmannschaft“), den Bayerischen Verdienstorden. Vielleicht hofft Söder, damit noch ein paar Stimmen zu ergattern. Aber welche? Uli Hoeneß hat sich doch schon längst zur Union und vor allem zu Merkel bekannt. Bezeichnend auch Söders Begründung für diese Ordensverleihung: Manuel Neuer habe „Zivilcourage beim Einsatz für Menschenrechte und gegen Ausgrenzung“ gezeigt. Söder meinte wohl den Heldenmut Neuers, bei der Europameisterschaft eine Regenbogen-Kapitänsbinde zu tragen, während sich die beiden Markusse auf der Tribüne mit Regenbogen-Coronamasken zeigten. Übrigens: 2019 erhielt Manuel Neuer in NRW von Ministerpräsident Laschet den Verdienstorden seines Heimatbundeslandes. „Herr Neuer ist ein verbindendes Element zwischen Armin Laschet und mir“, beliebte Söder denn auch zu scherzen.

Gute Nacht, CSU, wenn das Dein letztes Aufgebot ist.


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Kommentare ( 43 )

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Georg J
2 Jahre her

Söder hat in der Coronakrise den starken Mann gespielt, aber eben nur gespielt. Er ist durch und durch gescheitert und zwar an seinem eigenen Ego, dass ihn immer im falschen Moment in die falsche grüne Richtung Merkel hinterher laufen ließ. Große Töne spucken, aber keine kreativen Ideen haben und dazu gegen den eigenen Kandidaten sticheln, das ist es was bei mir an Söders „Wahlkampf“ hängen bleibt. So gewinnt man keine neuen Wähler und verliert Stammwähler.

K. Berkmann
2 Jahre her

Die Landbevölkerung in Bayern hat immer traditionell CSU gewählt. Allerdings ist die knallharte Corona-Politik nicht bei allen gut angekommen. Betriebe, die vom Fremdenverkehr abhängen, haben unter den Ausgangssperren und „Lockdowns“ arg gelitten. Hinzu kommen die Impfverweigerer, bei denen man gespannt sein darf, wie sie wählen werden. Vielleicht gibt es eine positive Überraschung (und die CSU kriegt richtig einen auf den Deckel). Es gibt ja Alternativen.

Karl Schmidt
2 Jahre her

Ob die Direktmandatsregelung verfassunjgsrechtlich (so) haltbar ist, war nach meiner Erinnerung unter Staatsrechtlern durchaus umstritten. Auch die SED ist (unter falschem Namen) so allerdings in den Bundestag gerutscht.Eine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht hat es nach meiner Erinnerung nie gegeben. 4%-Söder könnte also noch eine Bruchlandung hinlegen (eine politische Nahtoderfahrung neuer Dimension), wenn sich ein Kläger findet. Im Bundestag wären dann nur die direkt gewählten Abgeordneten. Ganz so bequem ist die politische Situation für die CSU also vielleicht nicht wie Sie es hier darstellen (und die CSU wohl auch annimmt).

Tatsachenrechercher
2 Jahre her

Dier Fakten sprechen für sich. Das ganze Thema ist noch nicht einmal im Ansatz geeignet, diskutiert zu werden.

a.bayer
2 Jahre her

Positionen können sich verändern, aber wer dabei den Eindruck der Beliebigkeit vermittelt, geht baden! Söder hat sich da das falsche Vorbild genommen! Anders als Merkel verfügt er nicht über den „Na- und?-Hauptsache-Frau“- Bonus.

Last edited 2 Jahre her by a.bayer
F.Peter
2 Jahre her

Tja, es ist halt schwierig dem wogen Zeitgeist fern zu bleiben, wenn man keinen eigenen standfesten Standpunkt hat, der für die Wähler nachvollziehbar wäre.
Vielleicht sollte Söder noch schnell die Supermarktkette Rewe verstaatlichen, denn diese haben inzwischen wohl überall die Regenbogenfahne gehisst. Wohl als Zeichen, dass hier nur noch LGBTQ einkaufen sollen! Ich kann darauf verzichten!

Sabine K.
2 Jahre her

Hoffentlich bekommt die CSU bei der Wahl dermaßen eins auf den Deckel, dass Söders Grünblinken mal innerparteiliche Konsequenzen hat.

Mausi
2 Jahre her

Die Grünen sind in Bayern auf dem Vormarsch. Und der CSU fällt nichts besseres ein, als die Grünen zu kopieren. Wie auf Bundesebene wird das für den Bürger, der eine Alternative zur Verbotspartei sucht, zu nichts führen.
Herr Söder hätte sich bei Corona profilieren können, indem er als Franke (das ist kein Bayer) öffentlich zumindest mal ernsthafte Überlegungen zu Freiheit und Grenzen der Staatsmacht angestellt hätte. Aber auch vom freiheitsliebenden Land Bayern kam…. nichts. Keinerlei Alternativen zu den Mainstream Grundrechtseinschränkungen von AM. Stattdessen Herabsetzung der Kritiker. Damit ist die CSU für mich erstmal gestorben.

Last edited 2 Jahre her by Mausi
Dozoern
2 Jahre her

Söder ist ein Populist reinsten Wassers. Auf dem Altar der Wählerstimmen opfert er jede Überzeugung; so er überhaupt eine hat. Er selber als Person ist ja auch in Bayern nur der ungeliebte Erbschleicher und nicht der tolle Schwiegersohn von ehemaligen CSU-Größen wie Strauss, Goppel und Stoiber. Und das weiß er genau. Wenn die CDU / CSU – Politiker nach dem Wahltag das Scherbengericht abhalten, wird die größte Scherbe Söder heißen. Der Trick mit der CDU / CSU Fraktionsgemeinschaft funktioniert nicht mehr mit einem wie Söder. Wenn du Söder zum Freund hast, brauchst du keine Feinde mehr! Da muss die neue… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Dozoern
Georg J
2 Jahre her
Antworten an  Dozoern

„Stärkste Fraktion — ohne Machtoption!“ Das ist das eigentliche Dilemma der „bürgerlich konservativen“ Wähler. Sie sind zwar in der Mehrheit im Land, aber Merkels und Söders Union zieht einen SED-Miniterpräsidenten einem von der FDP vor, wie in Thüringen erlebt. Merkel und Söder haben unter schwarzer Flagge für rot-grün Wahlkampf gemacht und die konservativen Wähler und sogar Parteigenossen (Werteunion, Maaßen) ausgegrenzt.

Teiresias
2 Jahre her

Nicht zu vergessen seine neueste Forderung nach einer Inflationsbremse bei 5!%. Macht in nur 10 Jahren 163%!

Linksradikale Politik hat Merkel den Rückenwind medialer Unterstützung beschert. Söders Versuch, als Merkels Erbschleicher von Linksjournalisten geliebt zu werden, stinkt nach Verzweiflung.

Verzweiflung aber ist ganz einfach nicht sexy.

Mit seinem radikalen Linksschwenk hat Söder „Alles oder Nichts“ gespielt und verloren.

Ein Kurswechsel zurück zur Vernunft ist mit Söder nicht mehr möglich. Die CSU muss sich personell und inhaltlich auf ihre Wurzeln besinnen, oder sie wird untergehen.