Automatischer Informationsaustausch: Der AIA ist keine Eselei

Automatischer Informationsaustausch? Das ist doch die Waffe gegen internationale Steuerhinterziehung. Und morgen erzählen wir ein anderes Märchen.

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Was verbirgt sich schon wieder hinter dem harmlosen Namen AIA? Da ist doch irgendwas am 30. September 2018 in Kraft getreten. Damit soll der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung ein Riegel geschoben werden. Dafür verabschiedeten die rund 100 Mitglieder des sogenannte «Global Forum» verpflichtende Richtlinien der OECD zur Datenlieferung in Steuersachen. Dieses demokratisch in keiner Weise legitimierte Gremium veröffentlicht regelmässig schwarze und graue Listen von sogenannten Steueroasen, also Ländern, die sich diesem Informationsaustausch nicht unterwerfen. Er beinhaltet die Übermittlung von Kontonummer, Name, Adresse des wirtschaftlich Berechtigten, Einkommensart, Saldo und weitere Angaben von allen Konten, die von einer juristischen oder natürlichen Person in einem anderen Land als dem Herkunftsstaat gehalten werden.

Im Namen des Kampfs gegen Steuerhinterzieher unterzeichnete Deutschland die entsprechenden Vereinbarungen, zusammen mit 50 weiteren Staaten. Von Albanien über Argentinien, Ghana, Kolumbien, Südafrika bis Zypern. Ab Ende September 2017 wurde gesammelt, im Herbst dieses Jahres sind die ersten Daten ausgeliefert worden, im Herbst 2019 werden weitere Staaten dazukommen. Darunter demokratische Lichtgestalten wie Bahrein, China, Katar, Mexiko, Russland und – Saudi-Arabien. Ja, genau das Saudi-Arabien, das einen in Ungnade gefallenen Journalisten in seiner eigenen Botschaft bestialisch ermorden, zerstückeln und wegschaffen lässt. Hoffentlich nicht wegen Steuerrückständen.

Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Steuerhinterziehung wird der ungehemmte Zugriff auch von Diktaturen und Unrechtsstaaten auf wichtige Informationen ermöglicht. Man stelle sich nur vor, der im saudischen Konsulat ermordete Dissident oder eine Hilfsorganisation von ihm oder eine beliebige saudische Oppositionsgruppe hätte in der vermeintlich sicheren und neutralen Schweiz ein Konto. Oder in Deutschland. Um beispielsweise Anwälte zu bezahlen, die willkürlich in Saudi-Arabien verhafteten Menschenrechtsaktivisten beistehen sollen. Oder eine Gruppe, die sich gegen den mittelalterlichen Brauch der öffentlichen Hinrichtungen in Saudi-Arabien einsetzt, führt in Deutschland ein Spendenkonto. Alle diese Kontodaten werden im Rahmen des AIA an Saudi-Arabien übermittelt. Natürlich nur zur Überprüfung des steuerlichen Zustands, auf Datenschutz werde besonders Wert gelegt, wird die Bundesregierung nicht müde zu wiederholen. Da lacht der Scheich, der Herrscher, der Diktator aber schallend.

An diesem Beispiel zeigt sich überdeutlich, was alle Befürworter des internationalen Datenaustauschs nicht wahrhaben wollten und wollen: Er kann zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung verwendet werden. Er kann aber auch für Kontrolle, Unterdrückung und Repression verwendet werden. Denn Wissen ist immer Macht, und Wissen über Finanzen ist die wohl wichtigste Form von Macht. Und wie steht es mit dem AIA mit Russland, das offensichtlich im Ausland Giftanschläge verübt? Wo laut Menschenrechtsaktivisten in den letzten Jahren nicht einer, sondern über 200 Journalisten ermordet wurden? Mit Kolumbien, das gerade knapp einem Bürgerkrieg entsagt hat und wo Drogenkartelle herrschen, wie im AIA-Partnerland Mexiko auch, wo Entführungen von wohlhabenden Menschen endemisch sind?

Wie immer soll der AIA dazu dienen, bei der Mittelschicht abzukassieren, wenn die meinte, durch ein Konto im Ausland ihrer Steuerpflicht entgehen zu können. Allerdings kommt es da heute darauf an, ob man das richtige oder das falsche Land wählte. Schweiz oder Liechtenstein? Ganz schlecht, im Steuerstreit mit den USA und der EU eingebrochen. Alle rund 100 Unterzeichner des AIA? Ganz schlecht. Aber: Es gibt doch noch fast 100 weitere Länder auf der Welt, die sich dem AIA nicht angeschlossen haben.

Aber da ist es häufig mit der Rechtssicherheit oder der Eigentumsgarantie so eine Sache. Na, warum dann nicht zum Beispiel Guernsey? Stabil, englisches Recht, so ein Trust mit unterlegter Holding, abgewürzt mit ein paar Stiftungen, und der beneficial owner, also der Nutzniesser, verschwindet im Nirwana. Dagegen würde ein öffentliches Register helfen. Aber, der grossartige Vorkämpfer für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerhinterziehung, die Bundesregierung, verschleppt dieses Anliegen auf EU-Ebene seit Jahren. Allerdings ist das nichts für Kleinhinterzieher, eine Million, besser 10, am besten mindestens 100 sollten es schon sein, sonst sind die Kosten höher als die zu zahlenden Steuern.

Der nächste Schritt der Erkenntnis wäre hingegen, dass die Teilnahme am AIA allgemein nochmals auf den Prüfstand gestellt wird. Denn was würden all diese Befürworter sagen, wenn sich der Fall Khashoggi erst nächstes Jahr, nach der ersten Auslieferung von Daten, ereignet hätte? Was würden sie sagen, wenn sich ein demokratisches Land, mit dem Deutschland Datenaustausch betreibt, in eine Diktatur verwandelt? Ist der AIA überhaupt ein nützliches Instrument gegen Steuerhinterziehung? Die grösste Wirtschaftsmacht der Welt hat eine klare Meinung dazu: nein.

Denn die USA nehmen am AIA gar nicht teil. Deshalb müssen sie keine Daten an Saudi-Arabien, an Russland, an China und an all die anderen Länder ausliefern, denen Datenschutz, Menschenrechte oder rechtsstaatliche Verhältnisse im Zweifelsfall und nicht nur dann schnurzegal sind. Soll Deutschland wirklich mit solchen Staaten Informationen austauschen? Aber das ist immerhin ein zweiter Lichtschimmer für Steuerhinterzieher. In den USA, die weltweit viele Banken mit Multimilliardenbussen überzogen, weil die US-Personen bei der Aufbewahrung unversteuerter Gelder zu Dienste waren, werden bis heute keine Fragen gestellt, wenn man einen kleinen Trust, bspw. in Delaware, errichten möchte. Fällt nicht weiter auf, alleine in einem Gebäude dort haben sagenhafte 32.000 Briefkastenfirmen ihren Sitz. And no questions asked, es werden keine Fragen gestellt.

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Kommentare ( 11 )

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AlNamrood
5 Jahre her

Wieso habe ich daa Gefühl, dass bekannte Kriminelle wie der Miri-Clan von dieser Aktion völlig unberührt sein werden?

Ananda
5 Jahre her

Der Trend sich lieber an Despoten und Menschenrechtsverletzern zu orientieren geht ungebrochen weiter. Natürlich mit hübschen „humanistischen“ Erklärungskonstrukten versehen.

Merkel hat sich ja gerade auch durch den „Migrationspakt“ eng mit den Despotenstaaten verbunden …. weil die übernehmen dann „unsere Standards“. Und Weihnachten liegt bekanntlich im Mai.

Rainer H
5 Jahre her

Hätten sich alle unsere Leistungsträger einfach nur mal an die Gesetze gehalten und nie Steuern hinterzogen, wäre das alles garnicht nötig.
Nebenbei finde ich dieses moralisch lächerlich hier sich auf Demokratie und so zu berufen. Denn schließlich geht es hier schon zu wie in der DDR und Saudi-Arabien sollte weiterunterstützt werden, die fordern wenigstens keine Auslöschung der Juden. Wenn wir nur noch mit Demokratien zusammen arbeiten nützt es unseren nationalen Interessen nichts. Donald Trump juckt es nicht und er leistet blendende Arbeit durch sein Einsetzen rational für den Staat.

swengoessouth
5 Jahre her

Ach Herr Zayer, es geht doch nur darum den letzten Cent aus den Steuersklaven zu pressen. Um nichts anderes und wenn es ein paar Disidenten anderer Staaten den Kopf kostet, dann dient es der Gerechtigkeit. Wo gehobelt wird da fallen Späne. Das einzige was noch in unserem Staat funktioniert ist das Eintreiben der Steuern und Strafzettel. Damit der Steuersklaven nicht fliehen kann, hat der Staat sich so was wie die Reichsfluchtsteuer (Wegzugsbesteuerung) einfallen lassen. Damit wird der Staat zum Gefängnis ohne Gitterstäbe und Mauer. Die Frage ist wie kommt man zu größeren Schwarzvermögen? Wenn man am normalen Wirtschaftskreislauf tätig ist,… Mehr

Absalon von Lund
5 Jahre her

Herr Zeyer, auf jeden Fall soll Deutschland mit Russland, China und Saudi-Arabien Daten austauschen, denn auch bei uns sind Datenshutz, Menschenrechte und rechtsstaatliche Verhältnisse längst schnurzpiepegal. Die USA sind mir da sympathischer. Die heucheln wenigstens nicht!

Marcel Seiler
5 Jahre her

Die internationale Ordnung entwickelt sich zu einem autoritären Regime, in dem die nationalen Demokratien durch internationale Verpflichtungen geknebelt werden. Internationale Bürokratien hebeln die Demokratien aus. Die UNO, als Ort des Rechts und der Menschenrechte gedacht, aber jetzt von Nicht-Demokratien dominiert, entwickelt sich zu einer Quelle des Unrechts, der Unterdrückung und der Entdemokratisierung.

Die USA merken es und machen immer weniger mit. Recht haben sie!

BK
5 Jahre her

Ganz wichtig ist, dass die Qualität der gemeldeten Daten auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Da kann es ihnen schnell passieren, dass ihr ganzes Auslandsguthaben als Zinsertrag gemeldet wird, und dann haben sie ein Problem. Also immer an die 10-jährige Dokumentationspflicht denken, und die Erträge melden.

Sinn21Manifest
5 Jahre her

AIA? Alles Ist Anders. Eigentlich normal, wenn wir berücksichtigen, dass D christlich-jüdisch geprägt ist, wesentliche Entscheidungen heute immer noch entsprechend den Vorlagen von Adam und Eva gefällt werden und sie das Gegenteil von dem taten, was ihnen gut getan hätte. Zwar haben sie ihren Irrtum gespürt aber ihre Entscheidungen nie revidiert, sondern die Frucht ihres Irrtums Kain in die Wüste gejagt, statt den eigenen Beitrag zur Entwicklung des Erstgeborenen zu analysieren. Folgerichtig habe ich für mich schon vor über einem Jahrzehnt entschieden: AIAAA. Alles Ist Anders Als Angenommen. Und im Zweifel ist für mich immer das Gegenteil dessen war, was… Mehr

Thomas Holzer
5 Jahre her

Die deutsche Regierung scheint sich mittlerweile liebend gerne mit Despoten, Autokraten und anderen dubiosen Figuren in ein Boot zu setzen, von AIA über „Flüchtlingspakt“, „Migrationspakt“ bis zum JCPOA, leider.
Daß die Schweiz und Lichtenstein eingebrochen waren, ist zwar bedauerlich, aber auf Grund des Druckes der US -und die werden es noch bereuen- leider erwartbar

CarolusMagnus
5 Jahre her
Antworten an  Thomas Holzer

Unsere Regierung geriert sich wie ein Despot!

bfwied
5 Jahre her
Antworten an  Thomas Holzer

Überaus bedenklich ist, dass der Mensch Mittel in die Hand bekam, für die er, als Steinzeitmensch, der er immer noch ist nach den nur 300 Generationen seit der mittleren Steinzeit, nicht die Verantwortung und die Integrität aufzubringen in der Lage ist, die er jedoch haben müsste, um mit seinen Zeitgenossen friedlich und sie achtend umzugehen. Die einen sind gierig, die anderen ebenfalls, wehren sich aber gegen die Gier der einen, und diese wiederum setzen alles dran, um nicht nur an das Geld zu kommen, sondern über die anderen Macht auszuüben. Es dauert noch ein paar tausend Generationen, bis sich der… Mehr