Verstoß gegen Corona-Regeln: Wenn prüde Linke von der „missratenen Jugend von heute“ anfangen

In den sozialen Medien kursiert ein Video des RBB, das junge Leute zeigt, die im Frühling rausgehen und sich mit Freunden im Park treffen. Der Hass von sonst so gretaverliebten Boomern entlädt sich und offenbart: Man interessiert sich nur für die Sorgen von Jugendlichen, solange es in die eigene Agenda passt.

Screenprint: RBB via twitter

Die Bezeichnung „Boomer“ ist schon lange nicht mehr einfach nur die Bezeichnung für die Baby-Boomer Generation. Für die, an denen dieser Trend vorbei gegangen ist: „Ok, Boomer“ nahm Einzug in die Jugendsprache als Schlagwort gegen typische abwertende Sprüche à la „Die Jugend von heute hat kein Benehmen“. Was anfangs überwiegend von der linken Jugendszene im Kampf gegen den „alten, weißen Mann“ eingesetzt wurde, ist jetzt zu einem Bestandteil der allgemeinen Jugendsprache geworden. Er wird nicht mal mehr ausschließlich für alte Leute benutzt, jeder kann heutzutage Boomer sein. Jeder, der stereotypische, altbackene und prüde Sprüche klopft. Meistens verbindet man mit der Bezeichnung Boomer eher rechte Einstellungen. Das hat sich spätestens mit Corona geändert, denn den alten Herrschaften fällt auf: der jugendliche Eigensinn gefällt ihnen nur solange, wie er in ihre politische Agenda passt.

Alt-68er freuen sich, wenn sie sich vorstellen können, dass junge Leute für das Weltklima streiken (was sie überwiegend nicht tun). Wenn sie Randale machen und Autos in Brand stecken – aber im Kampf gegen rechts – dann ist das auch in Ordnung. Doch zu Corona ist auf einmal Disziplin gefragt. Und da erheben die alten Linken ihr Boomerhaupt. rbb24 postete am 31.03. einen Videozusammenschnitt auf Twitter:

— rbb|24 (@rbb24) March 31, 2021

In dem Video werden mehrere junge Berliner interviewt. Interessant dabei: die meisten von ihnen mit Migrationshintergrund. „Wir lassen uns nicht einsperren“, „Wir haben auch unsere Menschenrechte“, „Wir wollen einfach unsere Freiheit haben“ geben sie zu Protokoll.

Junge Leute, die an einem schönen sonnigen Nachmittag friedlich im Park sitzen und Freunde treffen? Geht gar nicht, schließlich haben wir doch Pandemie. Jetzt rennen die alten Hippies in den Kommentaren Sturm. Wie können die nur? Dass die Jungen von heute keine Disziplin haben, heißt es auf einmal. „Die mussten nie auf etwas verzichten“, empört sich ein weiterer. Ein anderer fordert den Einsatz von Wasserwerfern und hohen Bußgeldern. Ok, Boomer.

So einfach dreht sich das also. Einer der Interviewten bringt es meiner Meinung nach sehr gut auf den Punkt: „Jeder Politiker war mal jung. Keiner wurde gezwungen, zu Hause bleiben oder dass er seine Freunde nicht treffen kann.“ Das gilt nicht nur für Politiker, sondern auch all die Kommentatoren, die jetzt den Kopf von jungen Leuten fordern, weil die es gewagt haben, an die frische Luft zu gehen. Es gibt definitiv Viele in den älteren Generationen, die keine rosige Kindheit hatten. Wenn ich da beispielsweise an meine Oma denke, die als Kind mit Kletten und alten Fahrradreifen spielen musste, weil ihre Eltern sich kein Spielzeug für sie leisten konnten. Oder wenn ich an meine Eltern denke, die ihre Jugend in der DDR verbringen mussten. Allerdings sind die Ossis ja alle rechts und Rechte – das haben uns die Medien ja beigebracht, sind alles böse Coronaleugner. Ergo müssen die, die sich jetzt in Boomer-Manier im Kampf gegen Corona gegen die aufbegehrende und aufmüpfige Jugend pöbeln, linke Wessis sein.

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Die haben – sollten sie nicht kurz nach dem Krieg oder in der DDR aufgewachsen sein – genauso wenig leiden müssen, wie wir heutzutage. Im Gegenteil: Der wirtschaftliche Abschwung ist spätestens seit Corona unabwendbar, alle Fortschrittstechnologien wurden in Deutschland zerschossen – von den Folgen des demographischen Wandels ganz zu schweigen. Trotzdem darf ich mir jetzt von einer Generation, die in ihrer Jugend halbnackt auf Woodstock-Festivals alles geknutscht hat, was nicht bei drei auf dem Baum war, sich alle den gleichen Joint geteilt und dann auf Friedensdemos Party gemacht haben, anhören, dass ich ja im Vergleich zu ihnen nie Verzicht gelernt habe.

Sorry, Boomer, aber nur weil ich ein iPhone habe, heißt das nicht, dass es mir nichts ausmacht, wenn mir mal eben ein paar Jahre meines Lebens genommen werden. Ich bin Mitte Oktober 20 Jahre alt geworden. Ich bin in der Blüte meiner Jugend, habe zig Miniröcke rumliegen, die jetzt meinen Kleiderschrank schmücken. Das mag vielleicht ein Luxusproblem sein, im Vergleich mit den Schäden, die andere durch die Maßnahmen haben, aber denkt doch mal bitte daran, wie ihr euren 20sten Geburtstag verbracht habt. Und dann schaut mir oder den Jugendlichen aus dem Video in die Augen und sagt uns dann nochmal, dass wir nicht wissen, was Verzicht bedeutet.

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