Berlin: Wird Verfassungsrichterin Selting für ihr Wahl-Urteil politisch bestraft?

Ludgera Selting war als Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofes mitverantwortlich für die Entscheidung zur Wahlwiederholung in Berlin. Nach der Düpierung hat sich die Berliner Politik dazu entschieden, ihr die Berufung ans Amtsgericht Wedding zu verwehren. Zufall?

IMAGO / IlluPics

Es ist eine Quittung, die es in sich hat: Ludgera Selting, die als Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofes mitverantwortlich für die Wiederholung der Berlin-Wahl verantwortlich war, wird von der Berliner Politik abgestraft. Die 58 Jahre alte, gebürtige Münsterländerin steht dem Verfassungsgerichtshof seit 2019 vor – und sollte ans Amtsgericht Wedding als Präsidentin berufen werden.

Eigentlich. Denn die Politik stellt sich quer. Hat die Präsidentin mit ihren harschen Worten etwa ihre eigene Karriere verhindert? Der Verdacht liegt in der Luft, dass Selting nicht geliefert hat, was die Berliner Regierenden eigentlich bestellt hatten. Denn es war die SPD-Fraktion, die sie 2019 für das Amt der Präsidentin des Verfassungsgerichtshof vorgeschlagen hatte. Sie bekam damals mehr als die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit. Vor drei Jahren stand die Berliner Politik also hinter ihr.

Dass Selting dabei persönlich dem Projekt der Wiederwahl zugeneigt gewesen wäre, kann ausgeschlossen werden. Das Team, das für Tichys Einblick die Protokolle der Desaster-Wahl sichtete, hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Bis heute steht Aussage gegen Aussage. Doch als es darauf ankam, erklärte Selting sehr klar, was im Staate Berlin faul sei. Sie stellte sehr zügig fest, dass eine Komplettwiederholung der Wahl möglich war. Denn: „Die Wahlen waren so unzureichend vorbereitet, dass ein Gelingen von Anfang an gefährdet war.“

Damit traf nicht nur die Ankündigung als solche manche politisch verantwortliche Persönlichkeit, die sich lieber auf Abstreiten und Kleinreden, statt Anerkennung und Aufklärung verlegt hatte, wie ein Hammer. Die Deutlichkeit, mit der Selting klarstellte, dass an einer Wiederwahl nur wenig vorbeiführte, musste für die bräsige Wirklichkeit des Berliner Politikalltages wie eine Majestätsbeleidigung wirken.

Die Inkompetenz, mit der Berlin seit Jahrzehnten regiert wird und die nun weltweit offensichtlich wurde, war höchst blamabel – insbesondere für die regierenden Sozialdemokraten, die sie auf den Platz gehievt hatten und nun ihr Bürgermeisteramt an die Grünen verlieren könnten. Ist das schon zu viel Spekulation, eine Verschwörungstheorie und Delegitimierung des Staates? In einer Republik, in der Bundesverfassungsrichter mit der Kanzlerin gemeinsam speisen, und nicht bekannt wird, was dabei besprochen wurde, scheint vieles möglich.

Eine Gewaltenteilung ist in Deutschland wohl nicht vorgesehen, das „System Harbarth“ ist offenbar der Normalfall. Auf den Schmutz weisen dann nur wenige Medien wie TE hin, denen monatelang Hysterie oder „Fake News“ unterstellt werden, bis sich dann – nicht nur im Falle der Berlin-Wahl – herausstellt, dass die vermeintliche Verschwörungstheorie doch die Wahrheit, und das andere Narrativ nichts anderes war als – ein falsches Narrativ, das Verantwortungen übertünchen und Probleme wegerklären sollte.

Damit ist genau der Fall eingetreten, den das Berliner Verfassungsgericht angemahnt hatte. Fälle wie die Berlin-Wahl können, wenn sie nicht aufgeklärt werden, das „Vertrauen in die Demokratie dauerhaft und schwerwiegend beschädigen“, wie das Gericht schon am 28. September feststellte. Statt der Tabula Rasa reiht sich eine neue Ungereimtheit an die nächste. Und zur mangelnden Aufarbeitung gehört auch die Anekdote, dass eine Verfassungsrichterin mit einem unangenehmen Urteil für die Politik von dieser düpiert wird – indes die für das Wahldebakel Verantwortlichen immer noch im Amt sitzen und der Bundestag den Wähler zum Narren hält, dass die Abstimmung zum Nationalparlament viel besser gelaufen sei.


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Kommentare ( 32 )

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Jens Frisch
1 Jahr her

Die Frage, ob das Zufall sei, stellt sich in diesem Land gar nicht mehr, ein Land, indem Richter wegen eines unangenehmen Urteils eine Hausdurchsuchung und strafrechtliche Konsequenzen wegen angeblicher Rechtsbeugung fürchten müssen, ein Land, in dem Arztpraxen durchsucht werden (ärztliche Schweigepflicht!?) und sogar zwei Jahre Gefängnis bekommen, für angeblich „falsche Masken Atteste“…. zeitgleich werden Vergewaltiger der richtigen Ethnie freigesprochen und selbst ein Kinderpornografie ****** wie Metzelder kommt mit Bewährung davon:

„Nimm das Recht weg, was ist ein Staat dann anderes als eine große Räuberbande“
(Augustinus von Hippo)

Micky Maus
1 Jahr her

Deutschland eine Demokratie? Lachhafter geht es nimmer. Es ist doch schon sehr lange ersichtlich, dass Nicht-Regimetreue in Deutschland keine Chance haben. Sie werden als Rechtspopulisten, Querdenker, Demokratiefeinde, Verschwörungstheoretiker oder gleich als Nazis abgestempelt. Wie sagte der Dichter Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht“. Seit Merkel zählt diese Aussage auch für den Tag. Mein Fazit: Denk ich an die verlogene deutsche Politik, kann ich garnicht soviel fressen wie ich ko…. könnte.

Cimice
1 Jahr her

Hier wird eine Richterstelle nicht neu mit einer Person besetzt, die dem System nicht genehm ist.
– Nancy Faeser bereitet ein Gesetz vor, mit dem nicht Genehme ohne weiteres aus dem Dienst entfernt werden können – unter Umkehr des Rechtsprinzips der Beweislast. Der Anlass für dieses Gesetz soll der verhinderte Putsch sein.
– Werden Ämter gar nicht erst besetzt oder Mißliebige kurzerhand aus dem Amt entfernt, darf man annehmen, dass dann Leute diese Funktionen übernehmen, die dem System genehm sind. Ist das nicht auch schon fast eine Art „Putsch“, ein scheinbar legaler, schleichender?

fasolt
1 Jahr her
Antworten an  Cimice

Der „Putsch“ den Erdogan vor ein paar Jahren inszenierte, um das Militär innenpolitisch zu entmachten, war wesentlich dramatischer und glaubwürdiger (wenn auch nicht wirklich überzeugend) aufgeführt, als Faesers aktueller Operettenputsch. Fürs verblödete deutsche Publikum scheint die Performance aber ausreichend gewesen zu sein. Ihren Zweck wird die Show wohl erfüllen; die schweflige Opposition dürfte noch vor den nächsten „Wahlen“ Geschichte sein.

Alex Chara
1 Jahr her

Wer immer noch glaubt , dass wir in einem freien Rechtssaat leben, der die FDGO achtet , glaubt auch die Geschichte mit dem Zitronenfalter..

Tee Al
1 Jahr her

Nach längerem Nachdenken komme ich zu folgendem Schluss:
Der Wert von TEs Arbeit ist nicht, dass die Wahlen wiederholt werden. Ich rechne mit keinem besseren Ergebnis.
Der Wert von TEs Arbeit liegt darin es aufgedeckt zu haben und für spätere Generationen festgehalten zu haben, damit die eine Chance bekommen daraus zu lernen.

Momentan wird das Alles leider nicht viel bringen der deutsche corpus socialis ist voller Metastasen.

Riffelblech
1 Jahr her

Deutschland ist schon seit Kohls Zeiten ,noch mehr unter Merkel ,jetzt Scholz an eine machtgeile Elite verscheuert worden .
Bar jeden Schamgefühls werden mit Hilfe der Grünen ,mittlerweile eine Kriegslobende Partei ,sämtliche scheindemokratischen Hindernisse aus dem Weg geräumt , lächerliche Razzien zur „ Rettung des Staates“ durchgeführt und Wahlen ,welche offensichtlich und nach richterlichem Urteil unwirksam sind ,völlig ignoriert.
Und diesen Regierungshanseln soll man noch die Tageszeit glauben ?

mediainfo
1 Jahr her

Nach der Düpierung hat sich die Berliner Politik dazu entschieden, ihr die Berufung ans Amtsgericht Wedding zu verwehren. Zufall?

Dass das kein Zufall ist sondern Ergebnis des Wunsches nach Sanktionierung, ist für mich naheliegend aber nicht beweisbar. Aus Sicht der Blamierten ist das sinnvoll als Bestrafung der fehlenden „Kooperation“, und wichtiger noch, als weitreichende Warnung an alle an Gerichten Tätigen, dass eine Rechtsprechung unter „Missachtung“ politischer Interessen, auch persönliche Konsequenzen haben wird.

Last edited 1 Jahr her by mediainfo
Martin Mueller
1 Jahr her

Wer nicht auf links-grünem Kurs ist, muss mit moralische und soziale Ächtung, mit berufliche und finanzielle Sanktionierung rechnen.
Neuerdings auch damit, dass seine unliebsame Meinungsäußerung und sein Handeln gegen die politische Korrektheit kriminalisiert werden.

Man erinnere sich an die Worte von Bärbel Bohley.

Und die Judikative ist längst nicht mehr politisch unabhängig. Staatsanwälte operieren unter politischen Weisungen. Richter mit unerwünschter politischer Gesinnung werden versetzt, gar mit Hausdurchsuchungen bedroht. Verfassungsrichter und Verfassungsschutzchefs auf politisch korrekte Linie besetzt.
Und eine Innenministerin, die im Mielke-Jargon daherkommt….
Da schreit die Demokratie um Hilfe!

fasolt
1 Jahr her

„…es war die SPD-Fraktion, die sie 2019 für das Amt der Präsidentin des Verfassungsgerichtshof vorgeschlagen hatte“. Eine (echte) Gewaltenteilung ist bereits dadurch ausgeschlossen, dass die herrschenden Parteien die ihnen genehmen Richter selbst berufen. Der Verfassungsgerichtshof ist damit a priori desavouiert. Nun hat diese Richterin offenbar nicht funktioniert, da darf sich niemand wundern, dass sie abgeschaltet wird. Bemerkenswert, dass das System sich schon lange nicht mehr die geringste Mühe gibt, den Betrug zu verschleiern – und das Volk glaubt trotzdem noch, in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben. Ich muss jedesmal schmunzeln, wenn Figuren wie Steinmeier von „unserer Demokratie“ reden. Gemeint ist… Mehr

Axel Fachtan
1 Jahr her

Der Richter ist die letzte Zuflucht des Bürgers vor dem Staat.

Wenn jetzt die Beförderung dieser Richterin politisch blockiert wird, weil sie genau das getan hat , was ihre Pflicht ist, dann wird die Politik in unverschämtestem Maße übergriffig .

Frau Giffey und alle andere Wahlbetrüger müssen sofort zurücktreten, weil sie die Gewaltenteilung und damit auch Demokratie und Verfassung ganz und gar zerstören.

Eine Regierung wie diese in Berlin richtet mehr Schaden an, als es 25 spinnerte Reichsbürger jemals könnten.