Jeder zwölfte Lehrer ist kein grundständig ausgebildeter Lehrer

Der Lehrermangel war absehbar. Dabei hätte man schon lange gegensteuern können: über den Bedarf hinaus einstellen, den Lehrerberuf mit Aufstiegsmöglichkeiten attraktiver machen, mehr Ausbildungskapazitäten schaffen. Diese Rezepte gelten auch heute noch.

IMAGO / Michael Weber

Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat soeben bekanntgegeben: Jede zwölfte Lehrkraft an allgemeinbildenden Schulen war im Schuljahr 2021/2022 Quer- oder Seiteneinsteiger. Konkret heißt das für den allgemeinbildenden Bereich (ohne berufsbildende Schulen): Rund 60.800 der insgesamt 709.000 Lehrkräfte dort hatten 2021/2022 keine anerkannte Lehramtsprüfung. Im Schuljahr 2011/2012 hatten rund 39.300 der damals insgesamt 669.800 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen keine solche Qualifikation gehabt.

Das heißt: Der Anteil der Seiten- und Quereinsteiger unter den Lehrern allgemeinbildender Schulen wächst. Waren es im Schuljahr 2011/2012 noch 5,9 Prozent der Lehrkräfte ohne anerkannte Lehramtsprüfung, so ist dieser Anteil im Schuljahr 2021/2022 auf 8,6 Prozent gestiegen. Eine Änderung zum Besseren ist nicht in Sicht, denn die Zahl der Lehramtsabsolventen ist binnen zehn Jahren um 10,5 Prozent gesunken, ebenso ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Anfänger in Lehramtsstudiengängen um 7,0 Prozent zurückgegangen.

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Als Seiteneinsteiger und Quereinsteiger bezeichnet man Lehrer, die über kein abgeschlossenes Lehramtsstudium verfügen und die ohne das Absolvieren des sogenannten Vorbereitungsdienstes (Referendariat) in den Schuldienst übernommen werden. Letzteres allerdings müssen Quer- und Seiteneinsteiger absolvieren – zum Teil auch in verkürzter Dauer. So weit die Lage.

Nun: Gewiss sind unter diesen Seiten- und Quereinsteigern fachliche und pädagogische Talente, die durchaus interessante und wichtige Erfahrungen von außerhalb in die Schule einbringen können. Und dies vielfach auch tun. Wenn die Bildungsnation nicht noch weiter abstürzen soll, dann brauchen die Schulen all diese Seiten- und Quereinsteiger. Denn die Alternative wäre alles andere als berauschend: Es müsste das Unterrichtsangebot gekürzt werden. Dann aber gute Nacht, Deutschland! Denn die aktuelle Misere bei der Lehrerversorgung zeigt, wie sehr die Politik die Schulen vernachlässigt hat. Die Folgen kann man am Bildungsniveau der jungen Leute ablesen. Letzteres ist freilich auch Folge ideologischer Verirrungen in der Schulpädagogik.

In Sachen Lehrerbedarf eine ganz persönliche Erfahrung: In ehrenamtlicher Funktion habe ich öffentlich vor 22 Jahren vor einem heraufziehenden Lehrermangel gewarnt. Schulminister, mit denen ich meine damalige Analyse und meine Forderungen austauschen konnte, meinten – quer durch die Parteien: Herr Kraus, Sie haben vollkommen Recht. Dann aber kamen als Antwort auf meine vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen die klassischen Killerargumente: Der Koalitionspartner macht nicht mit. Der Ministerpräsident macht nicht mit. Der Finanzminister macht nicht mit. Und denken Sie an die Staatsverschuldung!

Ich hatte damals unter anderem vorgeschlagen: Über den Bedarf hinaus einstellen! Den Lehrerberuf materiell mit Aufstiegsmöglichkeiten attraktiver machen! Eine Werbekampagne unter Abiturienten starten! Mehr Ausbildungskapazitäten in der ersten (Studium) und zweiten (Referendariat) Phase der Lehrerbildung schaffen!

Personalpolitisches Versagen der Politik

Jetzt haben wir den Salat. Warum? Weil die „hohe“ Politik nicht über den Tellerrand einer vier- bzw. fünfjährigen Legislaturperiode hinausschaut. Weil das Gerede von „Investition in junge Köpfe“ und von „unserem einzigen Rohstoff Bildung“ eben Sonntagsgerede ist. Aber nachhaltige Personalpolitik? Null! Dabei ist der Personalbedarf der Schulen anders als in der freien Wirtschaft recht gut prognostizierbar. Die entscheidenden Bedingungsgrößen sind zum Teil auf mehrere Jahrzehnte hinaus bekannt, nämlich die Altersstruktur der aktiven Lehrerschaft und zumindest auf ein Jahrzehnt hinaus die Zahl der Schüler. Zum Beispiel sind der Gymnasiast/Mittelschüler/Realschüler/Gesamtschüler des Jahres 2033 und der Berufsschüler des Jahres 2039 jetzt schon geboren.

Hier muss sich die Politik Versäumnisse vorrechnen lassen: Sie rettete sich mit Tricks über einen Mangel an Lehrern hinweg. Die Kürzung der Wochenstundentafel um eine Stunde verschleiert beispielsweise drei Prozent des Unterrichts- und Lehrerbedarfs, die wiederholt praktizierte Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtsmaße der Lehrer um eine Stunde retuschiert rund vier Prozent des Unterrichtsbedarfs. Diese „Tricks“ waren bald ausgereizt.

Auf lange Sicht müssen die Maßnahmen angelegt sein. Das heißt, der Lehrerberuf muss offensiv als attraktiv unter Abiturienten dargestellt werden. Wobei klar ist, dass der hier erzielte Zuwachs an Aspiranten erst rund sieben bis acht Jahre später in der Schule ankommt. Also hoffen wir auf das Jahr 2030! Bis dahin aber ist eine weitere Schülergeneration vernachlässigt worden.

Besser größere Klassen als Unterrichtsausfall!

Programme für Seiten- und Quereinsteiger: Ja, man braucht sie. Eine bestimmte Maßnahme indes dürfte kurzfristig den größten Effekt haben. Da wagt sich indes keiner heran, weil man die heftige Kritik der Lehrerschaft befürchtet. Konkret: Klassen sollten schon auch über 25 oder 28 Schüler groß sein dürfen. Vor 30 Jahren gab es 35- und 40-köpfige Klassen. Das ist nicht so lange her. Klar, die Schülerschaft heutzutage ist schwieriger, unkonzentrierter, chaotischer geworden. Aber wir wissen auch, dass große Klassen bei Leistungstests nicht schlechter abschneiden.

Damit größere Klassen „funktionieren“ können, muss aber ein Dreifaches geschehen. Erstens: Die Unterrichtsmethodik muss sich entgegen allen hochgerühmten „selbstbestimmten“ Lernformen wieder mehr auf das besinnen, was einen effektiven Unterricht ausmacht – einen straff von der Lehrkraft geführten und in hohem Maße aktivierenden Unterricht. Zweitens: Schule und Lehrer müssen wieder als Autoritäten gelten. Und drittens: Notfalls mit Hilfe ordnungspolitischer Maßnahmen müssen Kinder mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen zum soliden Erlernen der deutschen Sprache gedrängt werden.


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Kommentare ( 41 )

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hho
6 Monate her

„Schafft die Schule ab, die kostet nur Geld!“
Zum Klimakleben, Bürgergeldbeziehen und Politik machen braucht man eh‘ keine Ausbildung – und alles andere wird ja im grünen Deutschland abgeschafft.

AlNamrood
6 Monate her

Quereinsteiger sind oft fachlich besser und menschlich weniger neurotisch.

Rueckbaulogistik
6 Monate her

Gottfried Wilhelm Leibniz, geboren 1646, besucht von 1655 bis 1661 eine staatliche Bürgerschule, da war er 9 und konnte bereits lesen und schreiben und hatte sich autodidaktisch bereits Griechisch und Latein beigebracht. Den Rest seiner Zeit wird er wohl mit Selbst- und Nachdenken verbracht haben.
Heute würde man ihn mit 6 in eine Schule zwingen und erst mal fragen, wie er sich fühlt und ob er nicht mal lernen möchte, wie man sich selbst befriedigt (WHO-Empfehlung)

kasimir
6 Monate her

Der Lehrermangel in Berlin besteht nun seit ca. 20 Jahren! Das Problem in Berlin war jedenfalls hausgemacht, denn sobald man angefangen hatte, Lehrer nur noch anzustellen und nicht mehr zu verbeamten, sind in den Folgejahren sehr viele nach Brandenburg abgewandert ( wo sie noch verbeamtet wurden und die Gehälter auch entsprechend höher waren). Jetzt, vor wenigen Jahren hat man den Fehler erkannt und Lehrkräfte werden wieder verbeamtet. Das ist aber nur eines der Probleme: viel schlimmer finde ich, dass es fast nur noch Schulklassen gibt, wo mind. 50% (in Brennpunktbezirken sind es eher 90%) der Kinder überhaupt der deutschen Sprache… Mehr

GustavTorro
6 Monate her

In der 4. Klasse meiner Enkeltochter sind 25 Prozent Ausländer. Damit ist alles gesagt. Da braucht man nicht über Lehrermangel und ähnliches diskutieren. Selbst so gewählt, selber schuld. Jetzt aufwachen oder gar über Judenfeindlichkeit diskutieren ist etwas spät. Millionen bildungslose ins Land lassen und sich dann wundern, egal ob über Kriminalität, steigende Abgaben für Gesundheit, Energie, Luftsteuer. Geliefert wie bestellt.

DerVoluntaer
6 Monate her
Antworten an  GustavTorro

Es gibt in vielen Großstädten Schulen mit 99% Ausländeranteil mit muslimischen glauben. Auch da kann man arbeiten als Lehrer mit Rückendeckung.

kasimir
6 Monate her
Antworten an  DerVoluntaer

Ja, die gibt es. Aber wie lange werden diese Lehrer in Berlin-Neukölln, Wedding oder Kreuzberg das durchhalten können? Die meisten dort sind doch kurz vor dem Nervenzusammenbruch!
Von den Schülern mit dem Messer bedroht zu werden oder das Fahrrad zu schrotten ist kein Spaß. Dazu kommt, dass die meisten Lehrer, die jetzt ihr Lehramtstudium absolviert haben, Schneeflocken sind. Wenn die mit der harten Realität konfrontiert werden, werfen viele das Handtuch.

DerVoluntaer
6 Monate her

Mich nervt Herr Kraus und sein Narrativ vom „grundständig ausgebildeten Lehrer“, weil es beamtendeutsches Standesdünkel ist. Nur mal so ein paar keine Beispiele, was Quereinsteiger so sein können. Diplom Kommunikationsdesigner, kann auf Univeritäten Kunstlehrer ausbilden und hat zumeist als Grafiker, Fotograf oder in anderen gestaltenden Berufen gearbeitet. Ist also Qualifizierter als ein Kunstlehrer Lehramt, dazu durch eine knallharte staatlich künstlerische Eignungsprüfung gegangen. Mit einem Jahr pädagogisch didaktischem Praktikum, super Lehrkraft. Diplom Informatiker IT, hat umfangreiche Erfahrung mit Programierung mit Hard und Software, ist ein wandelndes Formelbuch, kann auf Uni`s auch Lehrer ausbilden und ist fachlich und erfahrungsmäßig einem Lehramt IT… Mehr

alter weisser Mann
6 Monate her
Antworten an  DerVoluntaer

Ja, der Herr Kraus ist noch ein Semester bei dem vieles nicht stattfand, was den Lehrern von heute das Leben gestaltet. Zudem hatte er den Vorzug in einer ländlichen Gegend und unter noch ganz lehrerfreundlichen Zuständen an einem netten, überschaubaren Gymnasium tätig gewesen zu sein. Da hängt man halt den liebgewordenen geordneten Zuständen an. Andere Schulen wären froh, auch nur taugliche Quereinsteiger zu bekommen.

RandolfderZweite
6 Monate her

Die Probleme sind bekannt und könnten in der Tat mit den angesprochenen Forderungen verbessert werden, aber wo sollen wir anfangen, wenn nicht im Kindergarten oder spätestens in der Grundschule? Problem 1: Frauenquote Problem 2: Bezahlung Problem 3: Allgemeine Nachwuchssorgen Problem 4: fehlende Sanktionsmöglichkeiten Problem 5: Die veränderte Sozialisierung Problem 6: Verwaltung Zu den Problemen 1 und 5 muss man nicht mehr viel sagen, nur: Oftmals akzeptiert die männliche Klientel keine weiblichen Autoritäten… Ein Sprung in die berufliche Bildung zeigt nur das, was im frühen Stadium versäumt wurde und auch dort nicht zu korrigieren ist, Beispiel: DAZ-Klassen, AvJ-Klassen oder BIK-DAZ-Klassen in… Mehr

alter weisser Mann
6 Monate her

„schon heute lernen Schüler via Youtube und Co oft besser, als beim Lehrer in der Schule“
Ein schönes Märchen. Es lernen dummerweise längst nicht alle, nicht in der Schule, nicht im Internet und schon gar nicht freiwillig.

TschuessDeutschland
6 Monate her

Viel interessanter ist,, wieviele Lehrer*Innen bis zum Schluß (Regel-Pensionsalter) durchhalten oder aufgrund der durch die Massenzuwanderung massiv gestiegenen Belastung vorher aufgeben (und die finanziellen Einbußen hinnehmen). Ab einem Prozentsatz von 10-15% an entsprechenden Schülern in der Klasse ist kein geregelter Unterricht mehr möglich, da hilft auch keine „Pädagigik“. Da stellt sich dann die Sinnfrage. Teilweise geht das auch schon bis zu tätlichen Angriffen (selber im Bekanntenkreis erlebt, mit Krankenhaus-Aufenthalt), die natürlich vertuscht werden (die kleinen Racker aus den entspr. Kulturkreisen sind halt „lebhafter“).

Diesen Job würde ich für kein Geld der Welt machen.

kasimir
6 Monate her
Antworten an  TschuessDeutschland

Das ist der Grund, warum mein Neffe auf eine katholische Schule ging. Fast nur deutsche Kinder ( ein paar Italiener, Spanier und ein paar Kroaten, die aber alle bereits perfekt deutsch sprachen).
Ich stimme zu: ab einer bestimmten Quote ist kein normaler Unterricht mehr möglich, da hilft auch der beste Lehrer nicht. Meist kommen die Kinder anderer Kulturen auch aus bildungsfernen Elternhäusern, denen fehlt einfach die Unterstützung, die sie in den ersten paar Jahren bräuchten. Schule und Lernen wird dort als lästige Pflicht angesehen…

Heiner Mueller
6 Monate her

Ihre Forderungen sind berechtigt. Aber wo sind die Lehrer, die die Autorität verkörpern? Diese linksgrünen Weicheier kann doch kein Schüler ernst nehmen