Der Gründer der „Free Speech Union“ Toby Young sieht die Meinungsfreiheit in Deutschland in einem noch schlechteren Zustand als auf der Insel. Die Gewerkschaft für freie Rede will er deshalb jetzt auch in der Bundesrepublik etablieren.

Toby Young, Jahrgang 1963, gehört seit gut dreißig Jahren zu den einflussreichsten Journalisten im Königreich. Zusammen mit Julie Burchill gründete Young 1991 die Zeitschrift „Modern Review“, schrieb für den Evening Standard, Daily Telegraph und unternahm einen kurzen Ausflug zu „Vanity Fair“ in New York. Während der Corona-Zeit gehörte er zu den Lockdown-Gegnern; aus dieser Haltung heraus entstand 2020 die Plattform „The Daily Sceptic“.
Nachdem 2018 mehrere Jahre alte Tweets von Young in die Öffentlichkeit lanciert wurden, die seine Gegner als „mysogen“ und „homophob“ einstuften, drängten sie Young unter anderem zur Aufgabe seiner Position im „Office for Students“. Als Reaktion gründete er 2020 die „Free Speech Union“, die heute 25 Mitarbeiter beschäftigt, und erfolgreich Klagen gegen Einschränkungen der freien Rede vor Gericht bringt – seit der Gründung in 3.500 Fällen. Seine Autoren- und Journalistenkollegin Julie Burchill verlor übrigens 2020 ihren Buchvertrag wegen angeblich „islamophober“ Kommentare. Ihr Buch – deutsch: „Willkommen bei den Woke-Tribunalen“ – erschien dann trotzdem.
Mit seinem markanten Schädel und seinem kompakten Körperbau wirkt der Baron Young of Acton – so sein offizieller Titel – ein wenig wie ein Boxer. Dazu passt auch sein Motto: „Hit hard, hit often“. Alexander Wendt traf den Chef der britischen Free Speech Union bei einem Dinner während der ARC-Konferenz in London, und setzte das Gespräch über den Zustand der Meinungsfreiheit auf der Insel und in Deutschland noch ein wenig in einer Tapas-Bar in den Docklands fort. Dieses Interview entstand dann im folgenden Mail-Wechsel.
Tichys Einblick: Das Vereinigte Königreich hatte lange Zeit den Ruf als Mutterland der Meinungsfreiheit. Was ist passiert, dass jetzt eine „Free Speech Union“ (FSU) notwendig ist?
Toby Young: Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Ruf jemals wirklich verdient war. Bis letztes Jahr konnten Menschen in Schottland noch wegen Blasphemie strafrechtlich verfolgt werden. Doch seit den 1960er Jahren hat sich die Lage drastisch verschlechtert, da immer mehr Gesetze verabschiedet wurden, die unsere Meinungsfreiheit einschränken. Das liegt daran, dass Politiker Sicherheit über Freiheit stellen – insbesondere, wenn es darum geht, die Gefühle von Minderheiten zu schützen. Warum ist das passiert? Mehr Frauen im öffentlichen Leben, Masseneinwanderung, der Niedergang des Christentums und der Aufstieg der Identitätspolitik.
Nach einer Karriere als Journalist wurden Sie Vorsitzender der FSU. Warum? Was ist Ihre persönliche Leidenschaft, wenn es um Meinungsfreiheit geht?
Ich war 2018 selbst ein Opfer der Cancel Culture, als einige Empörungsarchäologen alte, ‚anstößige‘ Beiträge von mir in den sozialen Medien ausgruben. Ich musste daraufhin fünf verschiedene Positionen niederlegen. In dieser Zeit, als ich gecancelt wurde, hätte ich mir dringend den Rat einer guten, professionellen Organisation gewünscht, die darauf spezialisiert ist, Menschen in einer Social-Media-Hetzjagd zu helfen – aber es gab keine. Also habe ich mit entschlossen, nachdem ich mich von meiner eigenen Cancel-Erfahrung erholt hatte, diese Organisation zu gründen.
Wie würden Sie die Meinungsfreiheit im Vereinigten Königreich bewerten? Was hat sich unter Starmer verändert?
Unter den liberalen Demokratien der Welt gehört das Vereinigte Königreich immer noch zu den Top 10, wenn es um Meinungsfreiheit geht, aber es fällt in der Rangliste immer weiter ab. Unter Sir Keir Starmer hat sich die Lage deutlich verschlechtert. Letzten Sommer forderte er Polizei und Staatsanwaltschaft auf, Menschen wegen „verletzender Worte“ zu verfolgen – nach dem Angriff in Southport. Ein Mann wurde zu acht Wochen Gefängnis verurteilt, weil er dreimal ein „anstößiges“ Meme auf Facebook geteilt hatte.
Woher kommen Ihre Mandanten?
Aus allen Lebensbereichen, aber die größte Einzelkategorie in unseren Fallakten sind geschlechtskritische Frauen. Fast 40 Prozent der über 3.500 Fälle, die wir in den letzten fünf Jahren übernommen haben, betreffen Frauen, die Schwierigkeiten bekamen, weil sie ihren Glauben an die biologische Realität des Geschlechts geäußert haben.
In einem Ihrer spektakulärsten Fälle verteidigte die FSU einen Mann, der vor Gericht gestellt wurde, weil er in einem sozialen Netzwerk einen Zusammenhang zwischen der Messerattacke in Southport und illegaler Migration herstellte. Können Sie unseren deutschen Lesern erzählen, was die FSU für ihn getan hat?
Das war Jamie Michael, ein ehemaliger Royal Marine. Er wurde wegen Anstiftung zum Rassenhass angeklagt, nachdem er ein 12-minütiges Video über den Angriff in Southport auf Facebook gepostet hatte, weil er fälschlicherweise behauptete, der Angreifer sei ein illegaler muslimischer Migrant. Wir stellten ihm ein Anwaltsteam zur Verfügung und übernahmen die Kosten. Die Jury brauchte nur 17 Minuten, um einstimmig ein „nicht schuldig“-Urteil zu fällen.
Wie würden Sie die Meinungsfreiheit in Deutschland beurteilen? Vor ein paar Wochen wurde ein Anwalt zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt, nur weil er Baerbock und Habeck als „bösartige Versager“ bezeichnet hatte. Jetzt ist sogar seine Anwaltslizenz in Gefahr. Ist die Situation in Deutschland inzwischen schlimmer als im Vereinigten Königreich oder in anderen europäischen Ländern (abgesehen von Weißrussland)?
Ich denke, die Meinungsfreiheit ist in Deutschland definitiv in einem schlechteren Zustand als im Vereinigten Königreich. Es sollte kein Straftatbestand sein, Politiker zu kritisieren – egal wie scharf. Aber die Lage ist in Polen wahrscheinlich noch schlimmer, seit Donald Tusk Premierminister wurde.
War J.D. Vances Rede in München ein Wendepunkt, da er ein Thema ansprach, über das die europäischen Eliten nicht diskutieren wollen – den Krieg gegen die Meinungsfreiheit?
Es war eine wichtige Rede, und er hatte recht, das Thema anzusprechen, aber die Reaktion der europäischen Führer war enttäuschend. Vance sagte ihnen, dass sie, wenn sie weiterhin auf den militärischen Schutz der Vereinigten Staaten angewiesen sein wollten, das Recht ihrer Bürger auf Meinungsfreiheit wiederherstellen müssten. Ich hatte gehofft, dass ihre Antwort lauten würde: „Ja, kein Problem. Gute Idee.“ Stattdessen war sie: „Nun, das können wir unmöglich tun, also sind wir jetzt auf uns allein gestellt.“
Inzwischen gibt es Free Speech Unions in Kanada, Neuseeland, Australien, Südafrika und der Schweiz. Ist das eine Art Netzwerk? Welche Länder werden als Nächstes folgen?
Ja, es ist ein Netzwerk von Schwesterorganisationen, das sich rasant ausbreitet, da immer mehr Free Speech Unions in verschiedenen Teilen der Welt gegründet werden. Ich würde gerne sehen, dass eine FSU in Deutschland gegründet wird. Falls jemand, der dies liest, daran interessiert ist zu helfen, sollte er Jon Benjamin, den Leiter der FSU International, unter jon@fsu.world kontaktieren.
Besonders Leute aus dem linken Spektrum behaupten, dass Meinungsfreiheit ein „rechtsextremer Code“ sei. Was entgegnen Sie darauf?
Meinungsfreiheit wird zunehmend als ein „rechtes“ Thema gesehen, aber das sollte sie nicht sein. Historisch gesehen haben linke Bewegungen viel mehr von Meinungsfreiheit profitiert als rechte. Ohne Meinungsfreiheit hätte es weder die Suffragetten-Bewegung noch die Bürgerrechtsbewegung oder die Schwulenrechtsbewegung gegeben. Es liegt im Interesse aller, die Meinungsfreiheit zu verteidigen – nicht nur der Konservativen.
Wenn sich in Deutschland eine Gruppe finden würde, um eine Free Speech Union zu gründen, wie könnten Sie sie aus dem Vereinigten Königreich unterstützen?
Wir könnten eine Gruppe zusammenbringen, diese Gruppe leiten, ihnen ein Starterpaket zur Verfügung stellen und sie durch den Prozess der Gründung einer Free Speech Union führen. Möglicherweise könnten wir ihnen auch eine Anschubfinanzierung bereitstellen.
Die EU arbeitet an einem „Prebunking“-Programm, was laut Frau von der Leyen bedeutet, Menschen „gegen Desinformation zu impfen“. Wie stehen Sie dazu?
Ich denke, Ursula von der Leyen liegt falsch, wenn sie Meinungsfreiheit als ein Virus betrachtet, gegen den die europäischen Bürger geimpft werden müssen. Im Gegenteil, wir müssen uns gegen Möchtegern-Zensoren wie sie impfen lassen.
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Der US-Senat hat kürzlich den “ Take it down Act “ beschlossen. Präsident Trump hat schon bestätigt, dass er das Gesetz unterschreiben wird, sobald es aus dem Repräsentantenhaus kommt. Seine Frau Melania hatte sich öffentlichkeitswirksam für das Gesetz eingesetzt. Nur Elon Musk, und wahrscheinlich die Apostel der Freiheit hierzulande, sind dagegen. Es ist wenigstens ein kleines Stück wie der DSA der EU.
Eben nicht. Wenn eine Gruppe ihre erlangte Diskursherrschaft bewahren will, obwohl ihre Politik gegen die Interessen breiter Bevölkerungsteile verstößt, und dies einfach mit gültigen Argumenten zu belegen ist, dann hat diese Gruppe kein Interesse daran, die Meinungsfreiheit hochzuhalten.
Eher hat sie ein Interesse daran, unter Vorwänden und Anwendung von Doppelstandards, gegen diese Kritik vorzugehen. Was dann natürlich antidemokratisch und antifreiheitlich ist.
Natürlich darf es keine Straftat sein, scharfe Kritik an der Regierung und dem Staat zu üben und ihn gar zu verhöhnen, wenn sie ihre originären Staatsaufgaben nicht erfüllen. Es gibt seit Jahrzehnten spürbare Defizite bei der inneren und äußeren Sicherheit, bei der Infrastruktur, ob im Verkehr oder in der Bildung, also alles Kernaufgaben eines Staates, welche die Regierungen seit Merkel zu Gunsten der Verwirklichung utopischer Ideologien dekadenter Minderheiten vernachlässigt hat und damit die Deindustrialisierung Deutschlands mit erwartbarem Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen billigend in Kauf genommen hat.
JD Vance hat die richtige Rede zum richtigen Zeitpunkt gehalten. Die Reaktionen waren eindeutig: die getroffenen Hunde bellen. Ich hoffe für uns, die amerikanische Regierung setzt sich durch…
Zitat: „Ich denke, die Meinungsfreiheit ist in Deutschland definitiv in einem schlechteren Zustand als im Vereinigten Königreich. Es sollte kein Straftatbestand sein, Politiker zu kritisieren – egal wie scharf.“
> Wenn man auch mal bedenkt, dass bei uns im besten Deutschland, welches wir jemals hatten, laut Umfragen 60+ Prozent der Mensch sagen das man in der Öffentlichkeit und im privaten Umfeld mit seinen Äußerungen vorsichtig sein muß und nicht mehr alles sagen kann, dann kann man gar nicht anders als Toby Young zuzustimmen und hoffen das auch hier in Wokestan eine Free Speech Union eröffnet wird.
Es ist extrem traurig, dass es in Deutschland ein großes Interesse und einen Bedarf an den Dienstleistungen solcher Organisationen gibt. Parallel dazu muß man aber die Ursachen der Zustände bekämpfen: Politiker die das erst nötig machen. Diese würde man vermeiden, wenn das GG mit Sanktionen für GG-Brüche ergänzt würde statt mit unbegrenzter Schuldenerlaubnis. Frage jeder die Kandidaten und Erwählten seines Wahlkreises, wie sie darüber denken und veröffentlichen sie deren Antworten/Einstellungen um Entscheidungshilfen bei der nächsten Wahl zu haben! – Der Bürger hat es in der Hand!
Die EU arbeitet an einem „Prebunking“-Programm, was laut Frau von der Leyen bedeutet, Menschen „gegen Desinformation zu impfen“
Schlimmer geht immer.
Vance hat Recht.
Europa – unsere etablierten „Eliten“ – können mit Meinungsfreiheit nichts anfangen.
Mittlerweile untersucht die US-Nachrichtendienstkoordinatorin und Bürgerrechtlerin Tulsi Gabbard die Ereignisse in Rumänien – dort wird ein pensionierter General mit 101 Jahren beschuldigt… Dugin zu kennen. Den drangsalierten Präsidentschaftskandidaten kennt er aber auch. Die Hysterie hat richtig stalinistische Dimensionen – ich bin gespannt, welche Konsequenzen die USA ziehen werden?
> Aber die Lage ist in Polen wahrscheinlich noch schlimmer, seit Donald Tusk Premierminister wurde.
Stimmt absolut – müssten die USA mit JD Vance nicht kräftig durchgreifen, wenn sie sich ernsthaft für Meinungsfreiheit in Westeuropa engagieren wollen? Einmal ansprechen, reicht offensichtlich nicht.
Wie offensichtlich zu sehen ist werden sich die USA sehr pragmatisch verhalten und keine innerpolitischen Eingriffe in Europa vornehmen. Ganz im Gegenteil, wenn die Europäer zu sehr nerven kann man ihnen gewisse weitere Dienste und Dienstleistungen einfach abschalten. Die Amis denken sich sehr einfach dass das alles nicht ihr Problem ist und warum sollten sie es dazu machen, um darauf Widerwillen und Unsympathie zu ernten. Die Europäer könnten sich anpassen oder vor die Hunde gehen, in beiden Fällen wäre es ein Gewinn für die Amerikaner. Aber Eingriffe in Europa vornehmen müssen schon die Europäer selbst, die Blaupausen existieren ja. America… Mehr
Die Mehrzahl entscheidet sich für den Gang vor die Hunde. Unglaublich – wo doch Kästner solch Debakel im Anfangsstadium genau unter diesem Titel vor knapp 100 Jahren auf den Markt brachte.
Wohl bevor man seine Bücher verbrannte.
Weit sind wir schon wieder gekommen. Arg weit.
Nur Massenproteste könnten helfen – aber aus der EU wird nirgends berichtet.
Was aber nichts heißen muss – denn wir erfahren ja seit Jahren nur mehr das, was sie uns zumuten wollen.
100 000 sind in Rumänien sei Wochen auf den Straßen, um gegen die Willkür der EU und ihrer eigenen Landes-Gerichte im Bezug dieser Wahlgesetzgebung-und Einschränkungen zu protestieren. Die Wahrheitsmedien in D. verschweigen dies natürlich.
Politiker zu kritisieren heißt Meinungsfreiheit, weil sie dem Verständnis nach Gleiche unter Gleichen sind und wer daran rütteln will ist ein Demagoge, der am Ende vor garnichts mehr zurück schreckt uns uns in selbstherrliche Zeiten zurück führt, wo wir glaubten, diesen Zuständen entronnen zu sein. Natürlich gibt es auch einen Knigge, den man bei ausufernden Fällen auch in Gesetze gießen kann, wobei es damit erschöpft sein müßte, denn ein Idiot bleibt nun mal ein Idiot und das muß man auch benennen könen, denn die sind überall zu finden, ob bei hoch oder niedrig ist dabei völlig egal. Dazu muß man… Mehr
Herr Boehmermann kam mit seiner total geschmacklosen, widerlichen Beleidigung Erdogans ungeschoren davon, unterstuetzt vom Kanzlersmtsminister Altmeyer, bejubelt von saemtlichen „Kulturschaffenden“ von Passau bis Flenburg. Es sei ein genialisches Meisterwerk der Satire gewesen. Nun, bedeutet das, dass in Zukunft Kritik an Politikern in Gedicht-/Satireform nicht Hausdurchsuchung unter Anwesenheit sich amüsierender Organe der Rechtspflege zur Folge haette? Wer wagt es? Anyway, der § 188 StGB muss gestrichen werden. Fuer Politiker steht der Rechtsweg wie fuer jeden anderen Buerger offen!
Noch viel schlimmer als diese abscheulichen Hetzereien von dieser Unperson ist, dass diesem ………. (jeder kann sich was ausdenken, ich halt mich zurück) überhaupt im ÖRR eine Bühne geboten wird. Und deshalb haben wir es leider nicht, wie weiter oben von murphy geschriebenes, als Bürger in der Hand dringend notwendige Veränderungen herbeizuführen.