In Russland steht ein einzigartiges Kernkraftwerk kurz vor der Inbetriebnahme: Der BREST-OD-300 soll nicht nur Strom und Wärme liefern, sondern sich durch einen nahezu geschlossenen Brennstoffkreislauf selbst mit Plutonium versorgen. Das Projekt gilt als technologische Pionierleistung und könnte die Zukunft der Atomenergie grundlegend verändern. Von Wolfgang Kempkens
picture alliance/dpa/TASS | Erik Romanenko
Eine Art energetisches Perpetuum mobile biegt in Russland auf die Zielgerade ein. Entscheidende Bauteile für das Kernkraftwerk Brest OD-300 mit einem Gewicht von mehr als 1000 Tonnen haben die Reise von den Herstellern in St. Petersburg und Wolgodonsk nahe der Grenze zur Ukraine zum sibirischen Chemiekomplex in Seversk in der russischen Region Tomsk 2900 Kilometer östlich von Moskau angetreten. Dort entsteht eine Weltneuheit: Eine Anlage, die nahezu autark betrieben werden soll, indem sie Strom und Wärme für die Fabrik und nebenbei noch Plutonium als Brennstoff erzeugt. Ab und zu muss lediglich ein wenig billiges, weil nicht spaltbares Uran 238 (spaltbar ist Uran 235) hinzugefügt werden, ein Umstand, der das Bild vom Perpetuum mobile ein wenig verzerrt. Die Anlage soll im kommenden Jahr in Betrieb genommen werden. Eine Verzögerung ist allerdings nicht ausgeschlossen.
Es wird der dritte Reaktor vom Typ „Schneller Brüter“ in Russland – und weltweit – sein. Er hat eine relativ bescheidene elektrische Leistung von 300 Megawatt, glänzt aber mit einer besonderen Eigenschaft: Die Wärmeenergie, die im Kern des Reaktors auf Grund von Spaltung des Brennstoffs Plutonium entsteht, wird von flüssigem Blei abtransportiert, das eine Temperatur von 505 Grad Celsius hat. In einem Wärmetauscher wird diese Energie in Dampf umgewandelt. Dieser treibt einen Turbogenerator zur Stromerzeugung an. Ein Teil fließt als Prozessdampf in die chemische Produktion.
Anders als gängige Kernkraftwerke wird der Brest OD-300 unter Normaldruck betrieben, was der Sicherheit zugute kommt. Er soll selbst dann, wenn die Kühlmittelpumpen ausfallen, für die Umwelt nicht zur Gefahr werden. Derartige Störfälle lösten die Unglücke in Three Mile Island/USA, Tschernobyl/Russland und Fukushima/Japan aus.
Während in gängigen Reaktoren die durch die Kernspaltung entstehenden Neutronen abgebremst werden müssen, damit sie an den Atomkernen nicht vorbeifliegen, sondern diese treffen und spalten – dabei entsteht Wärme –, nutzt der neue russische Rektor die ungebremsten Neutronen, um nicht Uran, sondern Plutonium zu spalten. Ein Teil der Neutronen wird von Uran 238 eingefangen, das sich dadurch in Plutonium umwandelt, das wiederum als Brennstoff dient.
Die Abtrennung von Uran/Plutonium aus den nach fünf Betriebsjahren verbrauchten Brennelementen geschieht in einer Wiederaufarbeitungsanlage, die am gleichen Standort errichtet wird. In einer dritten Fabrik, die bereits in Betrieb ist, werden daraus neue Brennelemente hergestellt.
Der Reaktor wird am Anfang mit Brennelementen beladen, die Plutonium und spaltbares Uran enthalten. Dazu kommt ein Mantel aus nicht-spaltbarem Uran, das in Plutonium umgewandelt werden soll. Später wird der Reaktor ausschließlich mit Plutonium betrieben, das er selbst erzeugt hat. Lediglich nicht-spaltbares Uran muss ergänzt werden.
BREST-OD-300 ist Teil des Projekts „Proryv“ (Durchbruch) von Rosatom, mit dem ein geschlossener Kernbrennstoffkreislauf ermöglicht werden soll, aufwändige bergmännische Förderung von Uran, die die Umwelt massiv belastet, also weitgehend überflüssig wird. Rosatom ist die russische Kernenergiebehörde, zu der auch Konstruktionsabteilungen und Produktionsstätten gehören. „Wir schaffen mit diesem Projekt eine solide Grundlage für Technologien, von denen unsere Kinder, Enkelkinder und zukünftigen Generationen profitieren werden“, meint Igor Kotov, Leiter der Maschinenbauabteilung von Rosatom.
Wenn das Kernkraftwerk erfolgreich arbeitet, soll eine viermal größere Anlage gleicher Bauart errichtet werden
Wolfgang Kempkens studierte an der Technischen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aachener Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Energie und Umwelt.



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Die Russen haben die besseren Raketen, Drohnen und Flugzeuge, die nicht abstürzen. Und jetzt auch noch einen inhärent sicheren Atomreaktor. Zu blöd, daß man keine russischen Aktien kaufen darf.
Um die Sache in eine Perspektive zu setzen. GB gilt als G7 Land und will einen Reaktor bauen, der ca. 7% seines Strombedarfs deckt. Kosten 60Mrd $.
China baut 5 Staudämme in einem Flußabschnitt und erzeugt den gesamten Strombedarf von GB damit. Für ca. 170 Mrd.$.
Der Westen ist a ) zu teuer und b) macht er viel zuwenig. Irgendwie das neue Afrika. Nur halten die Afrikaner sehr auf Lesen und Schreiben.
China produziert heute schon mehr Strom als USA und EU zusammen. Und die chinesische Stromproduktion wächst.
Frage zum vorletzten Absatz, Zitat 1:“Lediglich nicht-spaltbares Uran muss ergänzt werden.“ Zitat2: „mit dem ein geschlossener Kernbrennstoffkreislauf ermöglicht werden soll, aufwändige bergmännische Förderung von Uran, die die Umwelt massiv belastet, also weitgehend überflüssig wird“.Wo soll das nötige U235 herkommen, wenn nicht aus einem Bergwerk? Das einzige, was man spart, ist die aufwendige Anreicherung.
Steht doch im Artikel. Nicht spaltbares Uran-238 ist viel billiger, weil 99% des in der Erdkruste vorkommenden Urans U238 sind. Das U235-Isotop macht nur 0,7% aus, muss also viel aufwändiger gefördert werden. Wenn man U238 verwenden kann, werden ein Großteil der heutigen Uranminen überflüssig.
Das U238, welches in diesem Reaktor verwendet wird, ist massenhaft aus der Anreicherung vorhanden.
Aus 100 Tonnen Natururan erhält man ca. 700 Kilogramm spaltbares U235 und 99.300 Kilogramm U238.
Das Zeug steht massenhaft zur Verfügung und kostet quasi nichts, da es als Abfallprodukt aus der Anreicherung vorhanden ist.
Und die BRD (eingebildeter Nabel der Welt), entstanden aus dem ehemaligen Wissenschaftskernland Deutschland (lang, lang ist es her), stellt Windräder auf.
Naja!!! Schön, dass TE über Kerntechnik informiert, aber ein bisschen fachliche Präzision wäre nicht schlecht. Brüter gibt es schon immer (sollte es auch mal in Kalkar, Deutschland geben)… Druck ist kein Sicherheitsproblem. Und „nur mal ein bisschen Uran nachfüllen“ klingt schon sehr naiv. Ich halte die Wiederaufarbeitung für machbar, und es ist auch schön, dass man hier Blei anstatt Natrium verwendet… aber neu ist das alles nicht. TE sollte doch in der Lage sein, mal einen echten Fachmann zu fragen.
Solange die Grünen auch nur 1 Prozent der Wählergunst haben werden die sich mit Krallen und Zähnen dagegen wehren, völlig egal wie sauber das Ding läuft.
Die bösen Russen zeigen uns, wie man in die Zukunft investiert, während sich Deutschland auf den Weg in die Steinzeit macht. Auf geht´s, jeder in seine Richtung.
Netter Beitrag als Information zum neuen Stand der Geschehnisse. Mehr nicht.
Wen das Thema interessiert bzw. schon immer interessiert hat, ist diese Technik nicht neu. … Ähnliche oder vergleichbare Anlagen sind auch woanders in der Welt im Bau oder in der Projektierung. Z.B. unter Anderem in China und Kanada.
Trotzdem Danke für den Beitrag. … Übrigens, die Technik ist eine Entwicklung aus Deutschland mit Kooperation von Kanada. … Nur so.
Was so eine Tankstelle mit Atomwaffen auf Waschmaschinen-Chip-Basis, alles zustande bringt.
Es zeichnet sich immer mehr ab, wer als nächstes oben und wer unten auf dem Rad der Geschichte ist.
Der Autor verkennt die „Technologie“ der Zukunft. Deutschland hat (angeblich) über 173 Gender-Professoren*inninen und (angeblich) nur 8 Studiengänge für Atomphysik. Gendern ist gut und damit automatisch zukunftsträchtig und Atom ist böse und muss abgeschafft werden. Ich könnte mir vorstellen, wenn wir das 18. Sanktionspaket gegenüber Russland (oder sind es bereits 19?) mit einem Genderverbot ausstatten (Russland erhält von Deutschland keine verwertbaren Forschungsergebnisse unserer Gender-Professoren*inninen) dann könnte es mit dem „Putin in die Knie zwingen“ klappen.