Insekten: Vom „Genussmittel“ für Snobs zum Klimaretter

Die EU hat genehmigt, Insekten in gemahlener Form einer Vielzahl von Lebensmitteln beizumischen. Dieser Genehmigung haften mehrere Eigentümlichkeiten an. Der Verdacht, dass die Lebensmittelindustrie erfolgreiche Lobbyarbeit betrieben hat, steht im Raum. Von Siegfried F. Franke

IMAGO / Steinach
Das von Politikern, Mainstream-Presse und woken Eiferern regelmäßig mit einer Halbwertszeit von etwa 14 Tagen durchs Dorf getriebene Borstenvieh erhält neuerdings Konkurrenz von sechsbeinigen Kreaturen. Diese wurden freilich nicht getrieben, sondern still und verborgen freigelassen. Wovon ist die Rede? Natürlich von der EU-Genehmigung, Insekten in gemahlener und nicht mehr erkennbarer Form einer Vielzahl von Lebensmitteln beizumischen, darunter Brot, Kekse, Nudeln, aber auch Bier und Fruchtsäfte, und man höre und staune sogar Würste, Fleischzubereitungen und fleischanaloge Ersatzprodukte.

Dieser Genehmigung haften mehrere Eigentümlichkeiten an. Zum einen die Versicherung, dass das hygienisch und gesundheitlich völlig unbedenklich sei. Etwas kleinlaut kam der verschämte Hinweis, dass Allergiker womöglich auf der Hut sein müssen und die Liste der Inhaltsstoffe auf den Verpackungen genau lesen sollten. Wie aber sollen wir, die wir wohl in der Mehrzahl nicht zu den regelmäßigen Insektenverzehrern zählten, wissen, ob wir beim Biss ins Frühstücksbrot eine allergische Reaktion mit möglicherweise schweren Folgen erleiden?

Was wäre das für eine Esskultur?

Die Brotindustrie versicherte sogleich, dass das Mehl aus dem getrockneten Getreideschimmelkäfer weitaus teurer sei als übliches Getreidemehl und sich deshalb überhaupt nicht rechne. Das mag im Einzelfall so sein, aber es gibt sicher zahlreiche andere Fälle, wo gemahlene Insekten, welche Art auch immer und wie teuer, möglicherweise andere Zusatzstoffe, die bislang noch teurer waren, ersetzen. Der Verdacht, dass die Lebensmittelindustrie erfolgreiche Lobbyarbeit betrieben hat, steht auf jeden Fall im Raum.

TE-INTERVIEW
„Die EU will, dass wir Insekten essen“
Natürlich passt es zum gängigen Klimawahn, dass die Grünen und ihnen nahestehende Organisationen wie der BUND und die Heinrich-Böll-Stiftung darauf hinwiesen, dass auf diese Weise der Proteinbedarf einer wachsenden Bevölkerung gedeckt werden könne, ohne dass die klimaschädliche Massentierhaltung ausgedehnt werden müsse. Im Gegenteil, sie könne sogar entscheidend zurückgedrängt werden.

Sicher, es gibt Forscher, die schon lange darauf hingewiesen haben, dass alle notwendigen Vitamine, Ballaststoffe, Kohlenhydrate und Proteine in Pillenform zu sich genommen werden können. Ohne lange darüber zu disputieren: Was wäre das denn für eine Esskultur?

Und mag der Metabolismus der Menschen nicht auch von der Veranlagung sowie den klimatischen und geographischen Besonderheiten ihres jeweiligen Lebensraumes abhängig sein? So hält sich bislang jedenfalls der Rohfleisch- und Rohfischverehr in westlichen Ländern gemäßigten Klimas eher in Grenzen, während er anderswo üblich ist. In anderen, meist wärmeren oder auch heißeren Gegenden hingegen kommen auch ausgewählte Insekten in begrenztem Umfang auf den Tisch, die in manchen Ländern gesundheitlich fundierte Ekelreflexe auslösen.

Wo bleibt das Tierwohl? 

Um das zu überwinden, muss diese Art der proteinhaltigen Speise in ihrer Ursprungsform nicht mehr auch nur annähernd erkennbar sein. Ob dadurch wirklich klammheimlich und ohne Zwang der Fleischkonsum in absehbarer Zeit deutlich zurückgedrängt werden kann, ist indessen zweifelhaft, ja eher eine Mähr. Nehmen wir zum Beispiel einen Teller mit Vollkornspaghetti, denen Insekten beigemischt wurden, darüber eine geschnittene Tomate und ein bisschen Pfeffer, dazu noch etwas Butter (aber Vorsicht: Cholesterinspiegel beachten). Dann hätte man ein vitamin- und ballaststoffreiches und mit Protein versetztes Gericht. Bleibt es dabei? Oder wäre es nicht doch verführerisch, noch eine schmackhafte Hackfleischsoße oder ein zartes Kotelett dazu zu nehmen?

Hinzu kommt die Überlegung, dass Insekten in der vorgesehenen Form ja nur dann beigemischt werden können, wenn sie ebenfalls in Massen gehalten werden müssen. Wo bleibt da das Tierwohl? Und welcher zusätzlicher staatlicher Stellen bedürfte es, um zu kontrollieren, ob die Hygienevorschriften auch peinlich genau eingehalten werden. Schließlich ist auf den Widerspruch hinzuweisen, dass getötete Insekten, also Tiere, auch veganen Produkten beigemischt werden dürfen.

EU-Legalisierung von Insekten im Essen
Italien wehrt sich gegen Insekten in der Pasta
Offenkundig zeigen sich bei näherem Hinsehen eine Reihe von Problemen, die die Frage aufwerfen, was eigentlich mit dem wiederholten Versuch, Gesellschaften von ihrem kulturell und gesundheitlich begründetem Verhalten abzubringen, bezweckt. Geht es wie beim Gendern der fixen Idee multipler Geschlechter und der Auflösung des Familienbegriffs darum, die Wertebasis der Menschen auszuhöhlen?

Schließlich ist auf die Art und Weise hinzuweisen, wie das EU-Parlament Hand in Hand mit dem EU-Rat unter Missachtung jeglicher Transparenz diese „Novel-Food-Verordnung“ beschlossen hat, getreu dem Motto des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, zunächst etwas heimlich in den Raum zu stellen und warten, ob es ein Geschrei gibt. Insekten haben zuweilen die Eigenschaft, klein, aber überaus lästig zu sein. Man kann nur hoffen, dass sie diese Lästigkeit auch in getrockneter und gemahlener Form beibehalten, sodass Junckers kaltschnäuziger Zynismus diesmal auf ein gehöriges Geschrei und Widerstand stößt.

Gleich zwei EU-Kommissare befassen sich hauptamtlich mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Transparenz politischen Geschehens, und zwar Vĕra Yourová und Didier Reynders. Vielleicht sollte Frau Yourová ihre Nase nicht fortwährend in den Souveränitätsbereich von Mitgliedstaaten, vorzugweise Ungarn stecken, sondern mal Witterung aufnehmen, um zu prüfen, ob im Brüsseler Sumpf überhaupt noch rechtsstaatliche Reste wahrzunehmen sind.


Prof. em. Dr. Siegfried F. Franke lehrte an der Universität Stuttgart und ist Gastprofessor an der Andrássy Universität Budapest.

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Kommentare ( 21 )

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Querdenker_Techn
1 Jahr her

Wenn Insekten in hygienisch einwandfreier Herstellung zu teuer sind, dann wird sich das kurzfristig durch „Prozessoptimierung“ (Kostensenkung zu Lasten der Hygiene) ändern.
Wer kontrolliert die einzig zugelassene Produktion durch einen Vietnamesischen Hersteller?

Last edited 1 Jahr her by Querdenker_Techn
h.milde
1 Jahr her

Das erinnert an: „Brust oder Keule“, von/mit dem großartigen Louis de Funés, war nmM. nicht sein bester, aber offensichtlich zukunftsahnend…..

Timur Andre
1 Jahr her

Thailand Urlaub, ich habe verschiedene probiert, nichts dabei für mich.

Rob Roy
1 Jahr her

Auch wenn sie jetzt einem erzählen, pulverisierte Insekten seien teuerer als Mehl … entweder gelogen oder irgendwann werden schon noch so billig sein, dass es sich lohnt, Mehl und andere Lebensmittel mit Insektenpulver zu strecken.

Andreas Meller
1 Jahr her

 ob im Brüsseler Sumpf überhaupt noch rechtsstaatliche Reste wahrzunehmen sind. – Wir (Deutschland) werden mit Sicherheit nicht darum herumkommen, konsequent einen EU-Austritt vorzubereiten. Ob wir dies durchführen – dies ist sicherlich unklar. Aber wir sollten endlich diesen Weg beschreiten – raus aus diesem Sumpf. Ohne Deutschland ist die EU mit absoluter Sicherheit nicht überlebensfähig. Und die Tausende von hochbezahlten Bürokraten in Brüssel werden mit einem Austritt unseres Landes ihr Gehalt nicht mehr erhalten.

GefanzerterAloholiker
1 Jahr her

Du hast keine Traditionen – Du hast keine brauchbare Vergangenheit – Du musst keine Vorbilder verehren – Du bist da, um Platz zu machen –  Du bist auf Dich alleine gestellt . Das zentrale Merkmal der EU ist das der Direktive. Kein Mitgliedsstaat kann sie ablehnen. Die EU ist angetreten um die obige Kette an Zuständen umzusetzen. Mögliche Gefahren sind Verunreinigungen wie Schwermetalle, Mykotoxine, Pestizidrückstände und Krankheitserreger. Eine Rolle spielt diese Idee in der EU für Hersteller, die den Bedarf des Rests der Welt decken. Eine andere die Abschaffung der lästigen Bauern. Die können hier keine Insekten züchten… Eine weitere… Mehr

Ingolf
1 Jahr her

Frei nach „Ein Münchener im Himmel“ … „Eure Würmer, die könnt Ihr alleine fressen“ …

flo
1 Jahr her

In aller Kürze und ernst gemeint: Ein Aspekt, der bei der ganzen Diskussion „eklig oder gesund“ komplett vernachlässigt wird, ist die Frage, ob auch die betroffenen kleinen Tier Schmerzempfinden haben (was Tierschutzverbände wie der bmt zum Teil thematisieren). „Aber dürfen wir einfach annehmen, Insekten sind nur empfindungslose krabbelnde, kriechende oder fliegende Proteineinheiten, die keinerlei rechtlicher Vorgaben zum Schutz bedürfen? …“

Jerry
1 Jahr her

Ich habe mal nach einer Liste der mit Insekten versetzten Produkte gesucht, da ich so etwas nicht essen möchte. Mein Beitrag mit einem Link zu einer gefundenen Website wurde leider nicht freigegeben.
Daher der Tipp für Google: „Insekten Lebensmittel Blacklist“ sollte den passenden Treffer liefern.
Dort kann man sowohl eine aktuelle Liste einsehen, als auch Produkte melden die noch nicht erfasst sind. Ich zumindest finde das für meine Einkäufe durchaus hilfreich.

Vinyl-Dealer
1 Jahr her
Antworten an  Jerry

Ich habe mir die Liste einmal angeschaut. Dort finden sich ausschließlich Lebensmittel, die mit E120 (Cochenille-Schildlaus) und E904 (Sekret weiblicher Lackschildlaus) verarbeitet wurden. Mit Verlaub, dies ist aber nun wahrlich nichts Neues; Schellack und Karmin werden schon seit Jahrzehnten (oder noch länger?) in Lebensmitteln verarbeitet, ohne dass dies bisher jemanden interessiert hat.

Jerry
1 Jahr her
Antworten an  Vinyl-Dealer

Aha, ok, das wusste ich nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Liste in Zukunft erweitert wird, es liegt ja an den Verbrauchern ob sie alles essen wollen oder nicht. Bevor das jetzt seitens der EU groß forciert wurde, hat mich das auch ehrlich gesagt nie wirklich interessiert. Aber da ich gerade der EU nicht mehr vertraue und sie auch nicht sonderlich mag, sehe ich das rückblickend betrachtet durchaus als Fehler an. Dieses Insektenthema hat jedoch dazu geführt, dass wir wieder mehr auf die Ernährung achten, insb. was wir im Haushalt genau essen. Vieles wird nun bei uns wieder… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Jerry
Andreas aus E.
1 Jahr her

Nehmen wir zum Beispiel einen Teller mit Vollkornspaghetti, denen Insekten beigemischt wurden, darüber eine geschnittene Tomate und ein bisschen Pfeffer, dazu noch etwas Butter (aber Vorsicht: Cholesterinspiegel beachten). Dann hätte man ein vitamin- und ballaststoffreiches und mit Protein versetztes Gericht.“

Ein ausgezeichneter Rezeptvorschlag!

Ich würde mich aber nicht von der Insektenzulassung einengen lassen, sondern das Gericht noch mit einigen Spinnen und Tausendfüßlern verfeinern, dazu die Vollkornspaghetti mit Regenwürmern bereichern.
Guten Appetit!