Amazon baut eigenes Mini-Kraftwerk

In den USA entsteht das erste eigene Mini-Kernkraftwerk des Tech-Giganten, das künftig seine Rechenzentren mit stabiler Energie versorgen soll. Auch Google, Microsoft und Meta setzen bei der künftigen Versorgung von Rechenzentren auf Kernkraftwerke. Von Wolfgang Kempkens

Bild: Amazon/x-energy

Amazon, als Buchversender gestartet und heute ein technologisches Schwergewicht als Handelsplattform und vor allem als Internet-Dienstleister mit Amazon Web Services (AWS), erlebte vor wenigen Tagen eine seiner sprichwörtlich schwärzesten Stunden. Weltweit fielen Internetdienste aus, die Kommunikation von weltweit hunderten Unternehmen, die sich auf AWS verlassen, war gestört. Möglicherweise war ein Stromausfall in einem der unzähligen Rechenzentren des Giganten die Ursache.

Das soll sich nicht wiederholen, jedenfalls auf mittlere Sicht nicht. Kurz vor dem weltweiten Ausfall sorgte Amazon für Schlagzeilen: in der Nähe von Richmond im US-Bundesstaat Washington wird das Unternehmen ein kleines Kernkraftwerk (Small Modular Reactor, SMR) bauen, das ausschließlich für die Versorgung des dortigen Rechenzentrums zuständig sein wird. Amazon verspricht sich davon eine höhere Versorgungssicherheit, die durch den immer höheren Anteil an wetterabhängigen Stromerzeugern – Wind- und Solarkraftwerke – gefährdet sein könnte, was vor allem für global arbeitende Datendienstleister und deren Kunden verheerende Folgen haben kann.

Das Kraftwerk mit der Bezeichnung Xe-100, das eine Leistung von bescheidenen 80 Megawatt haben wird, baut X-Energy mit Sitz in Rockville im US-Bundesstaat Maryland. Das Vorbild dieses gasgekühlten Hochtemperaturreaktors ging 1967 in Jülich bei Aachen in Betrieb, der sogenannte Kugelhaufenreaktor namens AVR. Der Brennstoff Uran befand sich in diesem Reaktor in tausenden tennisballgroßen Kugeln aus Graphit. Diese bildeten das Herz des Reaktors, das die Techniker „Core“ nennen. Neutronen spalteten das Uran und die entstehende Hitze – bis zu 800 Grad Celsius – transportierte das Edelgas Helium ab. In einem Wärmetauscher gab es seine Energie an Wasser ab, das verdampfte und einen Turbogenerator zur Stromerzeugung antrieb.

Genauso funktioniert Xe-100. Mit mehreren baugleichen Anlagen will Amazon nicht nur sein Rechenzentrum im Nordwesten der USA versorgen, sondern zahlreiche weitere. X-Energy spricht vom „am weitesten entwickelten“ SMR. Tatsächlich soll er 60 Jahre lang ohne Unterbrechung laufen. Genau wie einst der AVR, der 1977 stilgelegt wurde, wird der XE-100 während des Betriebs mit frischem Brennstoff versorgt, muss also zum Brennstoffwechsel nicht abgeschaltet werden wie nahezu alle anderen Kernkraftwerke der Welt. Kontinuierlich kullern aus dem Core Brennstoffkugeln heraus. Sie werden vermessen und, wenn der Brennstoffgehalt noch ausreicht, umgehend wieder von oben in den Reaktor eingefüllt.

Bild: Amazon/x-energy

Jede der 200.000 Kugeln enthält 18.000 winzige Uranpartikel, die jeweils von drei Kohlenstoffhüllen umschlossen werden. Diese sorgen dafür, dass weder radioaktive Spaltprodukte noch das während des Betriebs entstehende besonders gefährliche Plutonium entweichen kann. Die gefürchtete Kernschmelze als Folge einer massiven Störung, die in den USA (Three Mile Island), in der damaligen Sowjetunion (Tschernobyl) und in Japan (Fukushima) schwere Schäden anrichtete, ist beim Kugelhaufenkonzept nicht möglich. Graphit schmilzt erst bei einer Temperatur von 3600 Grad Celsius, die durch Atomkernspaltung nicht erreicht werden kann. Allerdings besteht die Gefahr von Luft- und Wassereinbrüchen, die verheerende Folgen haben können.

Versuche in Jülich und in China, das das gleiche Konzept zur Serienreife gebracht hat – dort sind zwei Reaktorblöcke nach Jülicher Vorbild im kommerziellen Betrieb – haben gezeigt, dass dieser Reaktortyp selbst beim kompletten Ausfall des Kühlsystems keine Gefahr darstellt. Er erhitzt sich, erreicht die Kernschmelztemperatur jedoch bei weitem nicht, und schaltet sich schließlich gutmütig selbstständig ab.

Amazon befindet sich in guter Gesellschaft. Auch die Tech-Giganten Google, Microsoft und Meta (Facebook) setzen bei der künftigen Versorgung von Rechenzentren auf Kernkraftwerke. Selbst Norwegen, das fast seinen gesamten Strom aus Wasserkraft herstellt, will den steigenden Stromverbrauch auf Grund vor allem von Anwendungen der künstlichen Intelligenz und Kryptowährungen mit kleinen Kernkraftwerken decken. Deutschland, das die leistungsfähigsten Kernkraftwerke der Welt aus politischen Gründen stillgelegt hat, tut sich dagegen schwer mit der Renaissance der Kernenergie, auch wenn die neue Bundesregierung das nicht mehr völlig ausschließt.

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Kommentare ( 5 )

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Michaelis
1 Monat her

„Die gefürchtete Kernschmelze als Folge einer massiven Störung, die in den USA (Three Mile Island), in der damaligen Sowjetunion (Tschernobyl) und in Japan (Fukushima) schwere Schäden anrichtete, ist beim Kugelhaufenkonzept nicht möglich.“

Mir ist NICHT bekannt, dass Fukushima „schwere Schäden anrichtete“, jedenfalls keine atomenergie-bedingte – von EINEM EINZIGEN diesbezüglichen Todesfall konnte man einst lesen, gewiss schlimm ja schlimm.
Schwere Schäden gab es jedoch EINDEUTIG seitens politischer Reaktionen „weltweit“, namentlich derjenigen einer gewissen Angela M. aus Bunzeldeutschland, wo bekanntlich der Rübezahl des ökologischen Weltgewissens haust.

Last edited 1 Monat her by Michaelis
Endlich Frei
1 Monat her

Und wir verlassen uns auf chinesische Rohstoffe/Fertigteile, die für den Betrieb von Windkraft und Solarkraft in Deutschland unabdingbar sind…. am 25.10. wird in Bayern das nächste voll funkionstüchtige AKW in die Luft gejagt.

So Narren als Politiker hatten wir früher nicht. Die vergrünte Gegenwarts-Generation wird sehen müssen, wo sie künftig bleibt.

Endlich Frei
1 Monat her

Keine Solarfelder, keine Windkraftmaschinen.

Kernkraft. Das ist und bleibt die Zukunft.

Zur Erinnerung: Deutschland war einst führend in dieser Technologie.

PS: in kaum zwei Tagen wird das völlig intakte KKW Grundremmingen in Bayern in die Luft gesprengt. Ersatzweise werden die oberbayerischen Seen mit hässlichen WIndkraftmaschinen, die nur sporadisch Energie liefern, zugepflastert. Sie – wie auch alle anderen WIndräder – müssen mit einer Unzahl von Gaskraftwerken ergänzt werden. Gas, was wir teuer bei den Amerikanern einkaufen und erst extrem klimafeindlich über die Ozeane schiffen müssen.

Last edited 1 Monat her by Endlich Frei
Nibelung
1 Monat her

Das Forschungszentrum Jülich, war der Maßstab für die heutigen Kleinkraftwerke und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist so eine Installition aus Sicherheitsgründen noch möglich, während bei uns der grün-rote Amtsschimmel wiehert und sein Heu verlangt, während andere Schimmelreiter vorrüber ziehen und allenfalls noch früher Eindruck schindete, wenn es um die Deiche ging, die man zu verteidigen hatte.

Peterson82
1 Monat her

In Amerika mag das organisatorisch funktionieren. Dort baust du so ein Ding auf, bestellst einen bewaffneten Sicherheitsdienst ein und der Drops ist gelutscht. Hierzulande bekommen wir es nicht einmal hin die Innenstädte sicher zu machen, gleichzeitig soll aber durch private Unternehmen irgendwo ein SMR laufen? Wer schützt diese Dinger vor Einbruch, Beschädigung oder Schlimmeres? Ein großes AKW ist mehrfach abgesichert mit Gräben, Zäunen und entsprechendem Geländer. Macht man genau das beim SMR auch wenn man es hierzulande möchte? Und ist das dann ebenfalls in den Kostenbetrachtungen enthalten? Desweiteren wird es so dargestellt, als wäre in Jülich eigentlich alles paletti gewesen… Mehr