Lena Odenthal als Jägerin des verlorenen Schatzes

Der neue Tatort aus Ludwigshafen versucht, das politische Schulfernsehen zu beenden und dem Zuschauer Abwechslung zu bieten. Schatzsucher, Wagner-Besessene und die Polizei suchen nach dem Nibelungenschatz - aber selbst das Rheingold will diesen Tatort nicht zum Glänzen bringen.

© SWR/Benoît Linder

Alle Meinungsmaschinen stopp, mit Volldampf Kurs aufs Popcorn-Fernsehen! Wird das der neue Goldstandard bei der ARD? Man wildert unverschämt im kunterbunten Portfolio des Münsteraner Tatort-Duos, in dem gedreht wird, was gefällt und wo weder leibhaftige Kanzlerinnen (Echsenmenschen in der Folge „Propheteus“) noch Tod und Teufel („Limbus“) heilig sind. Scheinbar setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Krimis und politisches Schulfernsehen einfach nicht zusammenpassen. Weihnachten 2022 machte es der Münchner Tatort mit einem „Mord unter Misteln“ vor, nun zieht der SWR mit einem herzhaften Griff in die Requisitenkiste nach und setzt Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) auf die Spuren eines Indiana Jones (Kauziger Museumsdirektor Dr. Albrecht Dürr, gespielt von Heino Ferch im „Vatermörder“-Stehkragen).

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Die aktuelle Sonntagsfolge zieht alle Register, um dem vom pausenlosen Geläute des modernen Haltungs -und Schulfernsehens betäubten Publikum etwas Abwechslung zu bieten. Der Ludwigshafener Tatort wird kurzerhand in die scheinbar endlosen Weinberge des beschaulichen Deidesheims verlegt und mit Goldstaub besprenkelt. Schwertkämpfe, altdeutscher Gesang und Pfälzer Dialekt, Leichen in verschiedenen Stadien der Kompostierung und viel Lokalkolorit sollen für Zerstreuung sorgen. Dazu gereicht wird Kistenweise Pälzer Woi aus malerischen Weingütern (verdächtig: Inhaberin Susanne Bartholomae, gespielt von Ulrike C. Tscharre) und Blutwurst im Angebot aus einer Metzgerei, die aus den 20er Jahren übriggeblieben scheint. Ausserdem natürlich: Das verschollene Gold der Nibelungen wird endlich gefunden.

Der Hobby-Ritter und Bankangestellte Boris Wolter (Andreas Haslauer) wird von seiner Mutter Hilde (Karin Hennemann) direkt bei der Mordkommission als vermisst gemeldet. Sein Goldfarbenes (!) Mercedes SL-Cabrio mit Ludwigshafener Kennzeichen finden die Ermittlerinnen schnell, und im Kofferraum ein paar sehr, sehr alte Goldmünzen. Trotz Einsatz der Spürhündin „Freia“ durch eine Diensthundeführerin („DHF“, eben nicht das mittlerweile gebräuchliche „K-9-unit“) kann der Vermisste nicht gefunden werden, wohl aber werden seine Schritte zur Weinhandlung von Susanne Bartholomae zurückverfolgt, die er auch in Banksachen beraten hatte.

Die Kommissarinnen überprüfen eine weitere ziemlich Verdächtige in dem Vermisstenfall (die Zuschauer wissen schon seit Beginn des Films, dass Wolter erschossen wurde): die Verflossene (Melania Wolter, gespielt von Pheline Roggan) des Bankiers hat ein Alkohol – und Aggressionsproblem und haust in einer verwahrlosten Mietwohnung. Die Polizistinnen fühlen da mit: Wenn sie in derselben Lage wäre, so Johanna Stern (Lisa Bitter), mit einem Ex, der alleine 200 qm im Malerviertel in Ludwigshafen bewohnen darf, dann „hätte sie auch schlechte Laune“.

Regisseurin Esther Wenger kann sich eine kleine sozialpolitische Spitze nicht verkneifen, wenn sie im Interview bei der ARD zu ihrem Tatort meint: „»Gold« spielt mit der Habsucht, die im Christentum nicht umsonst als eine der sieben Todsünden beschrieben wird. Gerade heute sehen wir, wohin uns die menschliche Gier gebracht hat. Ist Geiz wirklich geil? Geht es am Ende immer nur um das ICH? Sollten wir nicht lieber lernen zu teilen? Die Gier nach Gold kostet Leben, diese Wahrheit verbindet den Film mit der Sage.“

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Und munter dreht sich der Streifen weiter wie eine Goldwaschpfanne im trüben Rheinwasser. Die habgierige Schmuckhändlerin Marie Bernard (Marie Bonnet) wird verhaftet, weil sie den Hehler Helmuth Roth (Jo Jung) kaltblütig erschossen hat. Bemerkenswert, weil Darstellerin Folkerts sich zum Schein in ein lila-blass-blaues 60er-Jahre-Kostüm und die Rolle eine reichen Kundin zwängt. Dieser Mord hat aber, außer dem Motiv der Gier nach dem Golde, nichts mit dem Fall Wolter zu tun.

Emsig stapfen Polizisten, private Schatzsucher und der Wagner-besessene Direktor Dr. Dürr durch die langen Reihen der Rebstöcke, um dem fruchtbaren Pfälzer Boden seine Geheimnisse zu entlocken. Der Leiter des Wormser Nibelungenmuseums wähnt sich wegen der im Besitz des Verschwundenen gefundenen Goldmünzen in Reichweite des sagenhaften Schatzes, den er „zum Wohle der Menschheit“ sichern will. Alle anderen, auch die Hüterin des Gesetzes Stern, macht der Glanz des gelben Metalls einfach nur schwach …

Am Ende war es die Frau mit dem Weingut, Bartholomae, die den Schatz der Nibelungen tatsächlich im eigenen Weinberg entdeckt und ihn dann vor dem räuberischen Zugriff ihres Bankberaters Wolter mittels tödlicher Gewalt bewahrt hat. In allerhöchster Angst vor Entdeckung versucht sie noch, Stern und Odenthal in einer Bretterbude wie auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, was aber misslingt.

Bemerkenswert, dieses Ludwigshafen: man riecht förmlich den Geruch der alten Bundesrepublik. Da gibt es noch Hallenbäder, in denen man einsam seine Bahnen ziehen kann (Odenthal beim Kraulen), Schulkinder (Töchter von Johanna Stern) werden hier zur Aufführung von Wagner-Opern angehalten. In Ludwigshafen empfängt die Kripo ihre Kundschaft (Mutter von Boris Wolter) auf Ledersesselgarnituren mit schickem Designertischchen. Und im Pfälzer Wald kann man auch als Frau alleine Joggen (Zeugin findet Wolters Finger) gehen, außerdem gibt es dort Mobilfunkempfang (ruft von dort die Polizei an). Doch letztendlich kann auch alles Gold der Welt den Tatort aus Ludwigshafen nicht zum Glänzen bringen.

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Kommentare ( 6 )

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AnSi
7 Monate her

Wie keine PoC oder Nahhhzis im Tatort? Schwimmen im fast leeren Hallenbad? Alleine Joggen UND Handyempfang? Das ist ja völlig an der Realität vorbei! Nee, belügen kann ich mich selbst.
Aber ich guck eh nicht, hab ja nicht GEZahlt ;-).

old man from black forrest
7 Monate her

„Sollten wir nicht lernen zu teilen?“ Die Regisseurin hat leider vergessen, daß wir mittlerweile gut die Hälfte unseres erarbeiteten Einkommens mit Versorgungssuchenden, Arbeitsvermeidenden und Staatszerstörenden teilen. Filme solcher Regisseurinnen schau ich mir auch ohne Holzhammer-Erziehung leider nicht an.

StefanB
7 Monate her

Von wegen kein Schul- und Belehrungsfernsehen: Das war verkappte Anti-Gold-Propaganda gegen die einzige, noch anonyme Fluchtmöglichkeit vor dem Räuber Staat. Das eine aus Zwangsgebühren finanzierte Regisseurin Gold mit Gier gleichsetzt und die Zwangsgebührenzahler zum zwangsweisen Teilen auffordert, ist strukturell linksgrün.

Disclaimer: Dieser Kommentar ist in Satz 1 nur halbernst gemeint.

Waldorf
7 Monate her

Wähler und Zuschauer und Kunden und Gemeindemitglieder vergraulen ist ziemlich einfach, sie zurückzugewinnen unendlich schwer. Wer sich einmal verraten, verkauft und verars..t fühlt, sich dann umorientiert und an neue Realitäten angepasst hat, den kriegt man nicht mehr ins alte Fahrwasser, ins alte Betrugsschema, Pyramidenspielchen usw. Vertrauen weg, bleibt idR weg. Daran leiden nicht nicht nur Tatort-Macher, sondern ganze Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Handelsstrukturen usw Coronamassnahmen haben viele zu massiven Änderungen ihres Alltages gezwungen, Politik hat sich als Hobbytyrannei erwiesen, die schlechte Tipps gibt, wie Kinder zu impfen, Masken zu tragen, Geschäfte zu schließen, Ungeimpfte auszugrenzen etc pp, zudem wurden Risiken der… Mehr

Last edited 7 Monate her by Waldorf
Klaus Kabel
7 Monate her

Schwimmbäder, in denen keine migrantischen Einmänner die Badegäste vor rechtsextremen Krawallmachern schützen? Alleine joggen, ohne dass der afghanische „Schutzsuchende“ den rechten Vergewaltiger zur Strecke bringt? Ohne Familie, die „Nazi“ ist, weil die Mädchen Zöpfe und Röcke tragen? Und im Pfälzer Wald funktionierender Mobilfunk? Der TATORT wird immer mehr Märchenstunde.

Werner Hueskes
7 Monate her

Wenn das Fehlen der üblichen Ingredienzien schon stille Begeisterung hervorruft, dann gute Nacht! Was mir auffiel: Der Professor Heino Ferch führt durch sein (Wagner!-) Museum und spricht vom Ring DER Nibelungen, wo es doch des DESSEN ist. Wie teuer muss die Produktion eines „Tatorts“ denn sein, daß Drehbuchautoren einfach mal das Lesen des Titel des Werkes, um das es ging („Der Ring des Nibelungen“) zu ermöglichen?