Tatort Franken: Downton Abbey für Arme

Fast könnte man meinen, dass Krimi-Autoren und Regisseure sich bei der ARD erstmal einen Laufzettel abholen müssen. Windräder: Check. Autoindustrie böse: Check. Oma im Rollstuhl: Check. Reiche & Manager böse: Check. Ostdeutsche Nazis: Check. Internet voller rechtem Gedankengut: Check.

© BR/X Filme Creative Pool GmbH/Hendrik Heiden
Szene aus Tatort "Hochamt für Toni"

Fast könnte man meinen, dass Krimi-Autoren (Bernd Lange) und Regisseure (Michael Krummenacher) sich bei der ARD erstmal einen Laufzettel abholen müssen. Windräder: Check. Autoindustrie böse: Check. Oma im Rollstuhl: Check. Reiche & Manager böse: Check. Frauenfeindlichkeit: Check. Als Schweizer hat Regisseur Krummenacher beim Thema Windenergienutzung bei ganzen 41 Anlagen im Land (laut Swissinfo.ch) sicher nur begrenzte Anschauungsmöglichkeiten; Vielleicht lässt er gerade deshalb den Helden der Geschichte, Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) im Schatten sich eifrig drehender Fränkischer Windräder (von wegen Markus Söder verhindert den Ausbau!) in die Morgensonne fahren.

Kirche düster, halb leer und ausserdem: böse

Der Polizist hat für diesen Ausflug das Feierabendbier seiner Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) ausgeschlagen und will stattdessen auf Tuchfühlung mit seiner Studienzeit in Berlin und zwei alten Freunden gehen: Mit Antonia Hentschel (Sina Martens, spielt auch die Eva) und Marcus Borchert (Pirmin Sedlmeir) war er „irgendwie zusammen“ – jedenfalls gab es viel gemeinsames Geplansche, Gekuschel und Getanze zu 80er-Jahre Stroboskop- und Lasergeflimmer. In Antonia „Toni“ war Voss, wie er zugibt, „sehr verliebt“. Sein alter Freund und jetziger Pfarrer im beschaulichen Dörfchen Konradsgrün hat ihn zum Sonntagsgottesdienst eingeladen, aber mitnichten wegen des anschliessenden Frühschoppens, sondern um bei einer Enthüllungspredigt inklusive Beamer-Präsentation am Altar über die gemeinsame Jugendfreundin Toni dabei zu sein.

Er solle „ruhig bleiben“, rät ihm der Geistliche noch nach kurzer Begrüßung und verschwindet dann eilig in seiner Sakristei. Warum er die spärlich besuchte Sonntagsandacht und nicht die sozialen Medien als geeignete Plattform für seine Enthüllungen gewählt hat, bleibt sein Geheimnis, denn kurz darauf findet der Messner ihn erdolcht auf. Voss ist am Boden zerstört, denn dazuhin liegt auch die gemeinsame Freundin Toni bereits seit über einem Jahr unter einem sehr schlichten Holzkreuz auf der Nordseite der Kirche, „bei den „Selbstmördern“ (Punkt „Kirche böse“: check!). Angeblich hat sie sich in ihrer Berghütte selbst verbrannt, konnte aber nur noch anhand ihres Schmucks identifiziert werden.

Eine schrecklich nette Familie

Nun geraten die eigentlich gemeinten Protagonisten dieses fränkischen Komödienstadels, wo die Ehemänner noch für die Töchter handverlesen werden, in den Fokus des – in der Oberpfalz nicht zuständigen – Fränkischen Ermittlers: Die Unternehmerdynastie Hentschel mit Papa Johannes (André Jung), der seine tote Toni gegenüber Voss verleugnet: „Ich habe keine Tochter Antonia mehr“, und seine beiden Söhne Lukas (Sebastian Zimmler) und Christian (Johannes Allmayer) mit harter Hand zu Nachfolgern in seinem Automobilzulieferer-Imperium heranzieht. Als hätte man’s geahnt: sie waren auch noch „alle in derselben Burschenschaft“. Die drei lassen den entgeisterten Voss stehen (überhaupt ist die am meisten von Hauptdarsteller Hinrichs geforderte Mimik die des Stirne runzelnden, perplexen Unfallopfers mit Pflaster überm Auge) und brausen im dunklen Oberklassewagen zu ihrem riesigen Herrenhaus, komplett mit Park, See, Gartenlaube und Orangerie für die gehbehinderte Mutter (Anna Hentschel, gespielt von Marita Breuer), die darin gerne vor sich hin töpfert. Das ist schon standesgemäss für die Inhaber einer Firma, die „in den Achtzigern international ging“ und jetzt grösster Steuerzahler im Landkreis ist, „jede Menge Unternehmenssteuer“ bezahlt. Da reicht es auch noch für ein Gestüt, oberpfälzische Ländereien, deren Ausdehnung man nur von einem Berg aus (Eva zu Voss in der Nähe von Toni‘s Berghütte) ermessen kann und das eine oder andere Luxushotel.

Jetzt kommt da dieser Kriminaler aus Nürnberg und stellt lauter Fragen, obwohl die „Inverstoren superempfindlich sind, wenn hier Blödsinn erzählt wird.“ (Lukas Hentschel zu Voss). Landbulle Hans Bartram (Kabarettist Bernd Regenauer), zuständig für den Mord in dem oberpfälzischen Dorf, lässt sich ungern von Voss ins Handwerk pfuschen und findet, man habe sich da doch „auf Raubmord geeinigt“…und ob denn Voss’s Chef, der „Kaiser“ (Dr. Mirko Kaiser, gespielt von Stefan Merki) wisse, was er hier so treibe ? Eigentlich könne Voss „jetzt gehen“.

Der denkt gar nicht daran, es zieht ihn zunächst mal in die Wohnung seines toten Freundes, wo er zur Begrüßung gleich von jemandem niedergeschlagen wird, der offenbar irgendetwas gesucht hat. Als Paula Ringelhahn hört, in welchen Schlamassel ihr Kollege da übers Wochenende geraten ist, eilt sie ihm selbst bei Dunkelheit und „am A…. der Heide“ (sie fluchend in Konradsgrün, wo offenbar die Strassenbeleuchtung nachts abgeschaltet ist) zur Seite und verarztet fürsorglich seine Kopfwunde.

Ringelhahn und die im Büro gebliebene Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) haben ihrem verschollenen Kollegen den Rücken gegenüber seinem Vorgesetzten Kaiser freigehalten. Und nachdem der eingesehen hat, dass sich wohl „alle gegen ihn verschworen haben“ lässt auch er den Dienstplan in Nürnberg Dienstplan sein und stimmt der Fernaufklärung seines Teams in der fernen Oberpfalz zu. Er trotzt auch den Anrufen aus einem nicht näher benannten „Ministerium“, denen zufolge die Familie Hentschel wohl eine „Telflon“-Beschichtung haben muss, an der auch Anschuldigungen wie sexuelle Belästigung und Nötigung nicht haften bleiben. Die beiden Früchtchen und Automobilzulieferer-Erben haben nämlich eine Akte, aus der hervorgeht, dass sie sich gerne mal mit osteuropäischen Escort-Damen vergnügen und diese nicht gerade pfleglich behandeln; Aber alle Verfahren wurden eingestellt.

Räuberpistolen und Männergeklüngel

Nachdem jemand auf Voss und Eva Hentschel bei der Begehung der Überbleibsel von Tonis Hütte geschossen hat, steigt der Druck auf die Familie (Sohn Christian verwechselt aus lauter Nervosität auf seinem edlen Billiardtisch die gelbe mit der weissen Kugel). Ausserdem liegt dieser neue Tatort in Franken und damit sind die Nürnberger Kriminaler wieder zuständig. Eva Hentschel vertraut Voss, zu dem sie langsam Zutrauen fasst, an, dass Toni, obwohl „Erstgeboren“, nie vom Vater als Geschäftsführerin vorgesehen gewesen sei. Die Familie habe immer nur einen Mann als Firmenchef gewollt. Tatsächlich habe aber die begabte Toni, die „immer schon die beste bei allem gewesen sei“ und auch schon ein „Praktikum in der Firma gemacht, sich in alles eingelesen habe“ das so nicht hinnehmen wollen. Sie hatte, so findet Ringelhahn heraus, bereits auf Basis des Gleichheitsgebots des Grundgesetztartikels 3 eine Klage eingereicht, die sie auch „gewonnen hätte“ (so ihre Anwältin). Daraufhin hätten die Söhne und der Vater eine Bande von gewissenlosen „Boulevardjournalisten“ angeheuert, die den Ruf der Tochter hätten ruinieren sollen, indem sie Gerüchte über angeblichen Drogenmissbrauch, Männergeschichten und eine Abtreibung verbreiten.

„Da verschwindet eine Million und keiner war’s“

Die Familie, angespornt von Mutter Anna, entschliesst sich zu einer Aussprache mit Voss, umrahmt vom gediegenen Ambiente des Herrenhauses: Hentschel und seinen Söhnen sei über mehrere Jahre Geld „offshore“ abhanden gekommen, es habe sich einfach „in Luft aufgelöst“ (Aha, denkt sich der Zuschauer, reich, aber in Geldsachen unfähig). Sohn Lukas Hentschel, seines Zeichens mit den eigenen hochfahrenden Hotelplänen gescheitert (wie auch, es hatte nur eine Doppelkegelbahn, wie sich bald zeigt) flieht plötzlich aus der Runde und nimmt Schwester Eva in seiner Hotelruine als Geisel. Voss folgt und kann Lukas zusammen mit Ringelhahn überwältigen. Ein auf wundersame Weise aus einem Wasserkocher gefallener USB-Stick mit einem Videoschnipsel von Borchert bringt an den Tag, dass es nicht Toni war, die in ihrer Hütte verbrannte, sondern eine bulgarische Escort-Dame namens Nikoletta Dimietreva, die Lukas‘ „Schlägen und Kontrollverlust“ zum Opfer gefallen war. Gegen die Finanzierung eines Exils hat sich Antonia zum Schweigen verpflichtet und ist untergetaucht. Als die Sache durch Pfarrer Borchert aufzufliegen drohte, brachte Lukas ihn um. Toni selbst telefoniert mit Voss nun vor der nächtlichen Hochhauskulisse irgendeiner Weltstadt in einem Hochhaus-Apartment stehend, und verspricht, ihn und die Familie nun besuchen zu wollen. Bruder Lukas wird abgeführt, ihr droht eine Anklage wegen Beihilfe.

Voss wartet nicht auf die Ankunft seiner früheren Flamme, es zieht ihn zurück nach Nürnberg. Ringelhahn beobachtet seine Abfahrt lächelnd im Rückspiegel.

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Kommentare ( 5 )

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Mormone 6.3
10 Monate her

Kannste Dir nicht ausdenken.

dolcemadonna
10 Monate her

Ich bedauere immer wieder alle, die – sei es aus beruflichen Gründen – den ARDZDF-Mist anschauen müssen.

EinBuerger
10 Monate her

Selbst ein früherer deutscher Minister wusste, man dürfe das Volk nicht mit zu viel Propaganda überfordern. Es brauche vor allem leichte Unterhaltung.
Gut, dass unsere heutigen Propagandabeauftragten nicht so schlau sind. Sie schaden sich am meisten selbst.

Wilhelm Roepke
10 Monate her

Und für so einen gequirlten Unfug muss ich mit meinen Gebühren zahlen? Und was noch schlimmer ist: das schauen sich Millionen Menschen freiwillig an? Ohne Not? Unfassbar.

StefanB
10 Monate her

Nicht nur die einschlägigen linksgrünen Klischees werden stereotyp und stumpf abgearbeitet, sondern auch die filmische Umsetzung ist derart holzschnittartig, dass sie an die Bilder aus dem Klassenkampf Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts erinnert – die Sozialisten und Kommunisten standen schon immer für heroischen Holzschnitt. Ich kann mir diesen linksgrünen Propagandakitsch schon lange nicht mehr anschauen.