Bei Maischberger: Hendrik Wüst inszeniert sich als Menschenfreund

Opportunismus pur: Hendrik Wüst gibt sich verantwortungsvoll und fürsorglich. Man sollte allerdings nie vergessen, wer sich hier bei Sandra Maischberger als Menschenfreund inszeniert; wer hier sich und seine CDU als grundsolide, wählbare Alternative präsentiert. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Maischberger

Es ist erst zwei Jahre her, da wäre die Überschrift „Hendrik Wüst fordert 2G und Impfpflicht!“ weder aufgefallen, noch hätte sie in den Mainstream-Medien für irgendeine Aufregung gesorgt. Und heute? Corona ist vermeintlich lange her, die politische Pandemie längst enttarnt, wird aber medial totgeschwiegen. Von einer echten Aufarbeitung sind wir weit entfernt. Die Opfer leiden weiter, wenn sie nicht gestorben sind. Und die Verantwortlichen von damals dürfen weiterwurschteln, so als wäre nie etwas gewesen. Karl Lauterbach und Jens Spahn sind entgegen aller harten Fakten aus den RKI-Files noch immer auf freiem Fuß.

Wenn nun ein Hendrik Wüst aalglatt und frisch geföhnt im Maischberger-Studio auftaucht, reißt manch einem Zuschauer schonmal die Hutschnur. Wenn sich ein Menschen-Maskierer, Zwangsimpfer und Kinder-Einkasernierer plötzlich als Menschenfreund inszeniert, sind schon einigermaßen starke Nerven gefordert.

Bei Maischberger findet ein Hendrik Wüst den idealen Rahmen. Er darf das CDU-Wahlprogramm bewerben, soll Merz gut aussehen lassen, Söder möglichst nicht zu sehr in die Pfanne hauen und vor allem: Er darf sich selbst inszenieren.

Nehmen wir die Schuldenbremse. Wüst gibt hier den besonders Fürsorglichen, der sich vor allem um die nachfolgenden Generationen sorgt. Also jene, die er selbst mit Masken malträtierte und an die Spritze zwingen wollte. Er sagt: „Wer bezahlt denn das? Das bezahlen unsere Kinder! Mit Zinsen und Zinseszins. Wo kommt eigentlich diese Überheblichkeit her? Zu glauben, dass wir heute größere Probleme haben als die nächste Generation?“

Oder nehmen wir die Wirtschaft. Der Mann, der als Verfechter unsäglicher 2G-Corona-Repressalien selbst zigtausende Betriebe in den Ruin geschickt hat, stellt heute die marode Wirtschaftspolitik der Grünen an den Pranger: „Die letzten zwei Jahre sind 200 Milliarden Euro abgeflossen aus Deutschland. Unsere großen, namhaften Industrieunternehmen haben die neuesten, modernsten, klimaschonendsten Anlagen woanders auf der Welt gebaut. In den USA. Weil die Rahmenbedingungen dort besser sind.“ Wie sehr Wüst höchstselbst die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens unter Druck gesetzt hat, lässt sich übrigens bis heute auf den Seiten seiner eigenen Partei nachlesen. Huch, wer hat denn da beim Löschen geschlafen? Klicken Sie den Link, so lange er noch funktioniert …

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Was Wüst an Habeck kritisiert, ist durchaus nachvollziehbar. Allein, ihm steht es nicht zu. Er sagt: „Die Idee, mit der Kombination aus Subventionen und Verboten Wirtschaftspolitik zu machen, ist nicht überzeugend. Das ist in den letzten Jahren probiert worden von Robert Habeck. Im Übermaß, wie ich finde.“ Aus dem Mund eines Hendrick Wüst wirkt das reichlich deplatziert.

Söders kategorische Absage an ein CDU-Bündnis mit den Grünen kann Wüst nicht aus der Welt schaffen. Er macht aus seinem eigenen, grünen Herzen keine Mördergrube: In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg würden solche Koalitionen ja gut funktionieren, sagt er. Damit wäre geklärt, was nach dem 23. Februar auf Deutschland zukommen dürfte.

Maischberger hatte Wüst aus Versehen als Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg vorgestellt. Nicht der einzige Fehler an diesem Abend.

Wüst wollte eigentlich Lokomotivführer, Papst oder Bäcker werden, seine Mutter habe ihm das aber „ausgetrieben“. Nicht der einzige Fehler in seinem Leben.

Während der Grünverliebte frei fabulieren und ungestört erzählen darf, hat es Maischbergers nächster Gast deutlich schwerer. Sebastian Kurz kann kaum einen Satz ordentlich zu Ende bringen. Ständig fährt die Moderatorin dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler über den Mund oder begleitet seine Redebeiträge mit irgendwelchen nervigen Murmeleien.

Der Ex-Politiker und heutige Unternehmer sagt ein paar erstaunliche Sätze, die Maischberger erkennbar sauer aufstoßen, etwa zur deutschen Migrationskrise: „Ich glaube, dass 2015 viel Negatives angerichtet hat. Wenn man jetzt anschaut, wie sich Schulen verändert haben, wie sich der öffentliche Raum verändert hat, dass es junge Männer gibt, die mit antisemitischen Parolen durch die Städte laufen, dann kann ich nur sagen: Ich finde das nicht gut.“ Dafür erntet Kurz spontanen Applaus. Und er setzt nach: „Ganz viele Menschen wollen einfach nicht in Gesellschaften leben, die sich in diese Richtung verändern. Sie wollen nicht, dass es unsicherer wird.“

Auch für die deutsche Energiepolitik hat Kurz kein Verständnis: „Im Moment wird die Energie nach Indien oder China verkauft, wird weitertransportiert, und wir kaufen sie dann teurer ein.“ Auch den angeblichen Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie entlarvt Kurz mit einem knappen Satz: „Sie haben ja Atomstrom, sie kaufen ihn halt jetzt aus Frankreich.“

Oder nochmal zur Migrationskrise: Er sei gegen illegale Migrationsströme, sagt Kurz und lässt Maischberger ins Messer laufen. „Wer wäre das nicht“, fragt die Moderatorin. Kurz: „Da kenne ich schon einige.“ Maischberger: „Also, nicht mal Angela Merkel war für illegale Migrationgsströme.“ Kurz: „Ja, sie hat nur die Züge organisiert und die Busse.“ Bemerkenswert übrigens, dass Maischberger in diesem Moment als erstes Merkel eingefallen ist … Was er überhaupt nicht akzeptieren mag, ist, „dass viele Meinungen gar nicht mehr stattfinden dürfen, weil sie sofort als rechtsradikal schubladisiert werden“.

Für das Ampel-Aus und die Niederlage Joe Bidens hat Kurz eine simple Erklärung: „Ich wundere mich nicht, dass Leute abgewählt werden, die etwas wollen, was die Masse der Menschen einfach nicht wollen kann.“ Er ist sich sicher, „dass wir mit der Wahl von Donald Trump wahrscheinlich sehr schnell eine friedliche Lösung in der Ukraine sehen werden. Wir sind jetzt in einem Stadium, dass alle Seiten bereit sind, einen Deal zu schließen.“

Die drei „einordnenden Journalisten“ (offizielle Sendungsbeschreibung) hinterlassen an diesem Abend nur wenige nennenswerte Redebeiträge. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz eigenen Aussagen zufolge nach seiner Vertrauensfrage abends mit Freunden gefeiert und etwas getrunken hat, gibt ihnen dabei die Steilvorlage: Ann-Kathrin Hipp von der darbenden Zeitung „Der Tagesspiegel“ vermutet, „dass er es sich schöngetrunken hat“. Und Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur des untergehenden Magazins „Stern“, sagt trocken: „Ich finde es beruhigend, zu sehen, dass Olaf Scholz offenbar Freunde hat.“

Theo Koll hingegen hätte sich an des Kanzlers Stelle jegliche Feierei selbst verboten. Er nimmt Bezug auf die Investment-Legende Warren Buffet, dem der Satz zugesprochen wird: „Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt schwimmt.“ Koll sagt: „Ich hatte gestern so ein Ebbegefühl.“

Maischberger-Zuschauer kennen das.

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Kommentare ( 47 )

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Edward S.
1 Monat her

Nichtsdestotrotz muss erwähnt werden, dass der hier hochgelobte Kurz ebenfalls ein Corona-Täter ist. Unabhängig von seinem schmierigen Erscheinungsbild und seiner heutigen Irrelevanz (gehen die Gäste aus?), ist diesem sicher nicht zu trauen. Auch nur ein Fähnchen im Wind!

DuMeineGuete
1 Monat her
Antworten an  Edward S.

Und ein „Young Global Leader“ seit 2016 laut Länderliste von Ernst Wolff (Stand 12/2022)…

Edward S.
1 Monat her

Auch wenn ich mit TV-Rezensionen überhaupt nichts anfangen kann, da das wohl eher etwas für alte Menschen ist (wer schaut sowas noch?): Vielen Dank für den Artikel, endlich einmal wieder Tacheles! Danke dafür, Herr Plog!

Stefan Z
1 Monat her

Maischberger und Co sind keine Moderatoren sondern Ankläger, Richter und Volkstrecker in einer Person. Es geht in diesen Formaten auch nicht um die Gäste sondern um die Selbstinszenierung. Dabei wird sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, auch nur einen Hauch von Neutralität zu zeigen. Dabei sollten ja eigentlich die Zuschauerinnen und Zuschauer die Aussagen der Gäste bewerten. Das verhindern Maischberger und Co allerdings stets mit Erfolg. Selbst das Publikum ist oft handverlesen. Das für eine solch plumpe Art der Beeinflussung auch noch Milliarden an Zwangsgebühren verlangt werden ist dabei die absolute Krönung. Anstatt auf den Konten von Maischberger, Böhmermann,… Mehr

Dr. Rehmstack
1 Monat her

Tja, da musste wohl erst der clevere Sebastian Kurz kommen, um Frau Maischberger mal kurz ihre Grenzen aufzuzeigen. Dabei hatte man sich doch so gut vorbereitet, hatten ihre Redakteure massenhaft nach Kompromat gegoogelt und so viel gefunden, dass es kaum noch auf Maischbergers Gedächtnis Kärtchen gepasst hätte, und was blieb davon: ein schnippisches: „das war so viel, das kann ich gar nicht alles behalten, ich bin ein bisschen außer Übung“. Aber dass der Richter offensichtlich selbst hätte vor ein Gericht gestellt werden müssen, konnte Kurz dann doch noch unterbringen. Die Krönung für den deutschen Journalismus war die Frage von Frau… Mehr

mediainfo
1 Monat her

Ständig fährt die Moderatorin dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler über den Mund …

Die Dinge, die er gesagt hat, waren aber auch schmerzhaft wahr aus Sicht der grünverliebten Moderatorin. Sie hat sich durch ihre Störungen nur selber blamiert, zumal Kurz auf ihre Unhöflichkeiten mit keinem Wort eingegangen ist, er hat das für sich wirken lassen.

WGreuer
1 Monat her

Wüst: „Die Idee, mit der Kombination aus Subventionen und Verboten Wirtschaftspolitik zu machen, ist nicht überzeugend. Das ist in den letzten Jahren probiert worden von Robert Habeck. Im Übermaß, wie ich finde.“ „Deplaziert“ ist hier sehr milde ausgedrückt, andere würden das mindestens heuchlerisch, wenn nicht gar lügnerisch nennen. Wüst und die seit Merkel linksvergrünte CDU haben den grünen Mist 3 Jahre lang mitgetragen, indem sie sämtliche Oppositionsarbeit faktisch eingestellt haben und nur Anträge stellten, von den sie von vornherin wussten, dass die abgelehnt würden. CDU-Cheffe Merz hat das ja im Bundestag neulich schön beschrieben. Wenn die CDU ehrlich eine andere… Mehr

Bambu
1 Monat her

Herrlich erfrischend der Herr Kurz. Mit einer guten Moderatorin, welche nicht ihre eigene Meinung mit Gewalt durchsetzen will, wäre das noch weitaus spannender gewesen.

schwarzseher
1 Monat her
Antworten an  Bambu

Die eigene Meinung der besagten Moderatorin besteht darin: Ich mache alles, um meinen Posten, mein üppiges Gehalt und meine Selbstdarstellungsmöglichkeit zu behalten.

Nibelung
1 Monat her

Wer ist kein Menschenfreund, wenn er nicht gerade einen Misanthrop in Reinkultur nach Schopenhauer darstellt und ist schon ein Widerspruch in sich, denn wer mit den Grünen paktiert ist das Gegenteil davon, weil die die Allerletzten sind, die es gut meinen mit den Menschen und über ihre Zwänge und Vernichtundsphantasien ihre Mitmenschen in übelster Form maltretieren und auch nach außen hin blamieren und gerade er das alles noch begünstigt und damit den Mund halten sollte, weil man sich dabei selbst desavoiert und das sichtbare Zeichen einer Generation darstellt, was nicht annähernd beurteilen kann, welche Grundlagen zu einem erfolgreichen Leben gehören… Mehr

Eispickel
1 Monat her

„Söders kategorische Absage an ein CDU-Bündnis mit den Grünen kann Wüst nicht aus der Welt schaffen.“ Habe langsam das Gefühl, dass man FDP wählen muss, wenn man nicht weitere 4 Jahre Herrn Habeck als Wirtschafts- und Frau Baerbock als Außenministerin erleben möchte.

Last edited 1 Monat her by Eispickel
Dr. Rehmstack
1 Monat her
Antworten an  Eispickel

Ja, der Gedanke kommt mir auch gelegentlich, aber wer sagt uns denn, dass März nicht den Günther macht und mit den Grünen koaliert, ob Söder da als Brandmauer ausreicht?

Dieter Rose
1 Monat her

Immer alles richtig,
immer alles gut,
kein Hinterfragen
keine Selbstzweifel,
keine Selbstkritik,
deswegen auch n i e Aufarbeitung.
Da kann man sich als Bürger wahrlich gut aufgehoben wissen und in eine Goldene Zukunft blicken.
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