Als Coca-Cola seinen Mitarbeitern das Weißsein austreiben wollte

Coca-Cola will seinen Mitarbeitern abgewöhnen so weiß zu sein. Die bestechende Logik dahinter: Weiße Menschen sind von Geburt an schlecht und rassistisch. Der Gipfel der Wokeness ist noch lange nicht erreicht.

imago images/zuma wire

Die braune Limonade Coca-Cola dürfte allen bekannt sein. Aber wussten Sie, dass Cola eigentlich gar nicht braun ist, sondern nur braun gefärbt wird? Eigentlich ist das beliebte Erfrischungsgetränk glasklar, erst durch die Zugabe des Farbstoffes E 150d erhält es seine charakteristische braune Färbung. Wenn es doch nur auch mit Menschen so einfach wäre, denkt sich die Firma scheinbar – denn die erwartete ähnliches nun von ihren Angestellten. Ein interner Whistleblower hat Folien einer Videoschulung veröffentlicht, die zuletzt einen Schatten auf die Anti-Rassismus-Kampagne „Better Together“ von Coca-Cola wirft. Die Schulung trug wohl den Namen „Confronting Racism“ und wurde von der Autorin, Beraterin, Soziologin und Anti-Rassismus-Aktivistin Robin DiAngelo gehalten.

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DiAngelo – vielleicht sollte man anmerken, dass es sich bei ihr um eine weiße Frau handelt – erklärt den vorliegenden Folien zufolge, dass man im ersten Schritt von „Confronting Racism“ darum geht, zu verstehen, was es bedeutet „weiß zu sein“ und was es bedeutet Rassist zu sein. Sie argumentiert, dass man als Weißer automatisch Teil des gesellschaftlichen Rassismus sei. Einfach nur nicht rassistisch zu sein, reiche ihrer Meinung nach nicht. Man muss aktiv anti-rassistisch sein – weniger weiß eben. Aber wie wird man weniger weiß? Einfach dunklen Farbstoff zugeben geht bei Menschen nicht (obwohl…), ok, nur sehr schwer. Aber zum Glück liefert die weiße Anti-Rassimus-Expertin eine Anleitung. Die beinhaltet: „sei weniger unterdrückend, sei weniger arrogant, sei weniger gewiss, sei weniger abwehrend, sei bescheidener, hör zu, glaube, breche mit Apathie, breche mit weißer Solidarität“.

— Steinhoefel (@Steinhoefel) February 23, 2021

Na gut, dann kommen die Mitarbeiter eben nicht mehr mit weißem Hut im Kolonialstil zur Arbeit und die Südstaaten-Flagge müssen sie dann auch einholen? Nein, im ernst – wie stellt sich die Frau das vor? Sie ist ja selbst weiß, vielleicht geht sie ja von sich selbst aus? Ich stelle mir das so vor: eine etwas jüngere DiAngelo geht zum Therapeuten und fragt, warum ihr alle Beziehungspartner davon laufen. Der Therapeut zählt ihr eine ganze Liste auf, mit dem Fazit „sei einfach weniger wie du“. Robin kommt damit nicht klar, beginnt die Schuld auf ihre Erbmasse zu schieben, das Problem auf die Gesellschaft zu projizieren und taadaaa: jetzt müssen unschuldige Coca-Cola-Arbeiter ausbaden, dass sie eine arrogante Unterdrückerin ist und das nicht wahrhaben will. Nur eine Theorie versteht sich.

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Ansonsten bin ich gar nicht hier, um aufzudröseln, dass auch Schwarze arrogant und unterdrückend sein können, denn im Gegensatz zu DiAngelo habe ich kein Interesse daran zwei Gruppen gegeneinander aufzuhetzen. Denn genau das erreicht sie mit ihrem „Weiße sind automatisch Teil des Problems, es sei denn, sie bekämpfen sich selbst“-Gelaber. Sie scheint der Überzeugung zu sein, dass mit der „Rasse“ auch gewisse Charktereigenschaften einhergehen, die es zu bekämpfen gilt. So kommt sie dazu, einer undefiniert großen und für sie unbekannten Gruppe pauschal vorzuschreiben, dass sie weniger arrogant sein müsse.

Gleichzeitig lautet ihre Botschaft an Schwarze „wer nicht ausdrücklich und aktiv für euch ist, ist gegen euch“ und vertritt die Ansicht, dass Weiße schon als Rassisten geboren sind. Je länger man über diesen Gedankengang nachdenkt, desto irrer wird er.

Wie kommt sie eigentlich zu der Annahme, dass ihre Zuhörer tatsächlich weniger arrogant sein müssten? Woher weiß sie, was für weltfremde Menschen am besten ist, vielleicht sind das ja alles ganz zauberhafte, herzensgute Menschen? Müsste sie nicht selbst in eine Schulung, wenn sie als Weiße glaubt, sehr genau zu wissen, wie man weniger weiß sein kann? Ist das nicht cultural appropriation? Genauso gut hätte sie auch einen Kurs geben können, wie man die Federn richtig auf den Kopf bindet, um „indianischer“ zu sein. Das Beispiel passt auch deswegen ganz gut, weil Federschmuck genauso wenig mit der Herstellung von Cola zu tun hat, wie politischer Aktivismus. Und das ist ja genau das, was DiAngelo und Coca-Cola von ihren Angestellten verlangen, wenn sie sagen, sie sollten „aktiv anti-rassistisch sein“, statt einfach nur nicht rassistisch. Ein Lehrgang zum nicht rassistisch sein, hätte zwar auch nichts mit Cola zu tun und würde meiner Erfahrung mit solchen Schulungen ungefähr so wenig bringen, wie Coca-Cola in eine Diät passt. Aber die Forderung an die Mitarbeiter „hört auf, Rassist zu sein“, wäre bezogen auf das Arbeitsklima zumindest nachvollziehbar – solange man „Rassist“ nicht so auslegt, dass die Bemerkung „Ich mag deine Haare, darf ich die vielleicht mal berühren“ zur afro-amerikanischen Kollegin nicht schon ein Kündigungsgrund ist.

Stattdessen will sich DiAngelo und auch Coca-Cola in die Privatangelegenheiten ihrer Angestellten einmischen, vorschreiben, wie sie sich politisch zu engagieren haben. Nichts wozu der Arbeitgeber das Recht hätte. Aber in letzter Zeit ist das typisch für Coca-Cola. Früher habe ich die Firma für ihre Markletingtalente bewundert. Nach heutiger Betrachtung ist es fast so, als hätte Coca Cola den Weihnachtsmann erfunden. Und das ist ja auch das mindeste – schließlich wäre die saure braue Zuckersuppe sonst wahrscheinlich nie so erfolgreich geworden.

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Tichys Einblick 03-2021: Es reicht.
 Aber ich bin, was Cola angeht, ein bisschen vorbelastet, denn ich habe dahingehend ein kleines Kindheitstrauma. In der Grundschule sind mal zwei Frauen zu uns in die Klasse gekommen, um uns beizubringen, wie man sich richtig die Zähne pflegt. Zu dieser Lektion gehörte auch ein großes Styroporgebiss. Darüber gossen sie Coca-Cola (vielleicht noch mit etwas anderen vermischt, das weiß ich nicht mehr), und wir konnten quasi dabei zusehen, wie sich das Gebiss vor unseren Augen auflöste. Damals dachte ich noch, was für ein Quatsch, nur, weil das Styropor wie ein Gebiss geformt ist, heißt das noch lange nicht, dass das auch mit meinen Zähnen passiert. Aber bis heute muss ich, immer wenn ich Cola trinke und dann dieses saure quietschige Gefühl auf den Zähnen habe, an die beiden Zahnfeen mit dem schmelzenden Gebiss denken.

Warum ich das jetzt wieder erzähle? Nun, Coca-Cola ist das Getränk, vor dem mich alle Erwachsenen immer gewarnt haben – ungefähr so, als wäre das Kokain noch drin. Coca-Cola ist das Symbol des möglicherweise ungesunden, aber schönen Lebens, das Symbol des American Way of Life, des Kapitalismus.
Das wäre gut so. Aber dass ausgerechnet diese Firma jetzt auf moralisches Gewissen machen will, dabei dann auch noch gleich so massiv daneben greift, ist grotesk. Oder um es anders, mit einem treffsicheren Twitter-User zu sagen: „Entweder ihr packt das Kokain wieder rein, oder ihr haltet jetzt die Klappe“.

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