Tichys Einblick
Wofür die vielen Beamten?

Im Website-Dschungel der Bundesregierung

Viele Beamte brauchen viele Websites, um ihre viele Arbeit zu beweisen. Nur was diese ganzen Websites sollen, erschließt sich dem Nutzer zwischen Tipps zur Hundehaltung und Hitzeschutzplänen nicht. Von Fabian Kramer

Obwohl der Bürokratieabbau das Lieblingsversprechen der Politik ist, wächst der deutsche Staatsapparat nur immer weiter. In 16 Ministerien, im Bundeskanzler- und Präsidialamt sowie bei unzähligen ausgelagerten Beauftragten für dies und das beschäftigt alleine der Bund mindestens 28.000 Beamte. Und von Jahr zu Jahr werden sie mehr. Was sie schaffen, weiß nur keiner ganz genau. Doch ein Ergebnis ihrer Arbeit sind viele, viele Websites, die beweisen sollen, wie beschäftigt die Beamten sind. Wie sinnvoll diese Websites – und Beamten sind –, hinterfragt wohl niemand.

Eine kleine Anfrage zieht ein großes Dokument nach sich

Für diese Websites interessierte sich auch die CDU. Allerdings nicht wegen der Kosten. Sie stellte eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, um zu erfahren, ob die Websites barrierefrei und in leichter Sprache zugänglich sind. Die Bundesregierung antwortete mit einem Dokument, welches es in sich hat. Auf insgesamt 176 Seiten listet die Bundesregierung Websites, Apps und andere Digital-Projekte auf. Diese Websites umfassen neben der Onlinepräsenz der Ministerien und sinnvollen Dienstleistungsangeboten für den Bürger auch allerlei Skurrilitäten. Es lohnt sich ein genauer Blick, was die Bundesregierung so alles ins Netz stellt, um die eigene Beschäftigung nachzuweisen.

Eine Datenbank für Chamäleons

Haustiere gehören zum Alltag von Millionen Menschen in Deutschland. Um sie richtig zu pflegen, ist der Zugang zu Wissen über die Tiere entscheidend. Aber wer wäre auf die Idee gekommen, sich seine Informationen auf der staatlichen Website zum Thema Haustier zu holen? Es klingt etwas bizarr, doch tatsächlich betreibt das Landwirtschaftsministerium eine Website namens „haustier-berater.de“ mit integrierter Haustierdatenbank. Für allerlei Exoten kann der Bürger sich hier über Haltung, Pflege und Ernährung der Tiere informieren. Banale Tipps, wie man sie in jeder Zeitschrift, auf jedem Blog oder bei jedem Gespräch mit einem Haustierhändler finden kann. Wem also zufällig ein australischer Nymphensittich zugeflogen ist, der lernt hier: „Für die gesunde Ernährung ist die tägliche Gabe von Frischfutter wichtig …“. Warum sind solche Informationen Staatsaufgabe?

Über die rechtlich wichtigen Informationen zur Tierhaltung findet der Bürger hier übrigens nichts. Zu Hunden wird erklärt:

Hunde gibt es in verschiedenen Größen, Farben und Fellbeschaffenheiten. Auch Ihre Charaktere unterscheiden sich deutlich. Ob verspielt oder ruhig, selbstsicher oder anhänglich: Überlegen Sie sich sorgfältig, welcher Hund am besten zu Ihnen und Ihren Lebensumständen passt.

Über die Meldepflichten von Hunden, Steuern oder Rassen, die besonderen Gesetzen („Kampfhunde“) unterliegen, lernt der Bürger dagegen hier nichts. Die Informationen sind beschränkt auf Allgemeinplätze, die aus einem Kinderbuch stammen könnten:

Ob Trocken-, Feucht- oder Frischfutter: jeder Hund hat individuelle Vorlieben. Lassen Sie sich von Ihrem Tierarzt oder Futtermittelhändler beraten, welches Futter sich für Ihren Hund am besten eignet.

Viele Hunde fressen gerne und setzen Ihren Hundeblick gekonnt ein, um einen zusätzlichen Leckerbissen zu ergattern. Versuchen Sie, dieser Bettelei zu widerstehen – so können Sie Erkrankungen, die durch Übergewicht entstehen, vermeiden. Beachten Sie, dass es im Haushalt Vergiftungsquellen für Ihren Hund wie Zwiebeln, Weintrauben und Frostschutzmittel gibt.

Wer Hühner halten will, muss diese übrigens in der örtlich zuständigen Tierseuchenkasse anmelden. Auch eine Gebühr ist zu entrichten. Darüber lernt man in der Haustierdatenbank aber nichts, denn Hühner werden hier erst gar nicht aufgeführt.

Wird diese Website wirklich von potenziellen Tierhaltern genutzt? Die Zahlen sprechen eine ernüchternde Sprache. Öffentlich verfügbare Daten legen nahe, dass die Website zwischen viertausend und achttausend Besucher im Monat hat. Die nutzlosen Tipps zur Tierpflege will wohl keiner lesen. Der durchschnittliche Besucher verbringt 12 Sekunden auf der Website.

Eine staatliche Mobilitätsdatenbank

Die Bundesregierung scheint eine gewisse Vorliebe für überflüssige Datenbanken zu haben. Wie sonst lässt sich erklären, dass sie eine Datenbank zum Thema kommunale Mobilität erstellt? Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen betreibt die Website „mobilikon.de“, die sich wohl an kommunale Entscheidungsträger vor Ort richten soll. Laut der Website steht das Kürzel „mobilikon“ für die Worte „Mobilität“ und „Lexikon“. Was lässt sich im „Mobilitätslexikon” so alles nachschlagen? Die Website ist eine art Nachschlagewerk für „mobilitätsmaßnahmen“, zum Beispiel zur „attraktivitätssteigerung der Pedelec-Nutzung“.

Wenn auf der Seite Maßnahmen wie eine Fahrradzone oder eine Schulstraße erklärt werden, kommt man sich leicht veralbert vor. Wenn sich also irgendein kommunaler Entscheidungsträger in Deutschland einmal fragen sollte, was man unter einer Fahrradzone versteht und wofür diese gut ist, findet er auf „mobilikon.de“ die verkürzte und vereinfachte Antwort. Und ein Planspiel, um diese Maßnahme in der Bevölkerung bekannt zu machen.

Mit Binsenweisheiten gegen den Hitzetod

Es ist Sommer und die Sonne scheint. Jedenfalls in der ersten Sommerhälfte war das so. Bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schrillen die Alarmglocken: Der Minister sieht in der Hitze die nächste große Bedrohung für die Gesundheit der Bürger. Corona ist vorbei, also muss was anderes her. Die Website „klima-mensch-gesundheit.de“ gab es schon, um die deutsche Bevölkerung vor den Gefahren durch heißes Wetter, UV-Strahlung und natürlich Klimawandel zu warnen. Ins Leben gerufen wurde die Website noch unter Gesundheitsminister Jens Spahn. Der Leser erfährt auf dieser Website, dass es hilft, viel zu trinken und sich im kühlen Heim aufzuhalten. Am besten sollte man sich tagsüber schonen und erst abends schwere Tätigkeiten verrichten.

Der warme Sommer als Naturkatastrophe

Das warme Wetter und der Sommer werden auf der Website als regelrechte Naturkatastrophe dargestellt. „Der Sommer kommt bestimmt – die Hitzewelle überraschend“, wird in großen Buchstaben vor der Gefahr des warmen Wetters gewarnt. Kontrastierende Rottöne und eine vor Alarmismus strotzende Sprache sollen den Ernst der Lage zeigen. Es gibt sogar eine Deutschlandkarte, die vor Sommerhitze warnen soll. Allerdings war in den letzten Tagen in keinem einzigen Landkreis die Temperatur besorgniserregend. Im Gegenteil, der Sommer macht gerade eine Pause.

Trotzdem wird die Website weiter ausgebaut. Konzipiert und betrieben wurde sie bisher von der PR Agentur ORCA AFFAIRS. Am 31.07. endete die Abgabefrist für Angebote im Rahmen einer Ausschreibung, die diese Website weiterentwickeln soll. Bisher konnte die Website kaum Reichweite entwickeln. Im Juni erreichte die Website ihre bisher höchste Reichweite mit 10.000 Besuchen im Monat. Das ist Teil des kürzlich vorgestellten Hitzeschutzplans Lauterbachs. Dieser soll die Zahl der „Hitzetoten“ in Deutschland halbieren, umfasst 9 (neun) Seiten mit Ideen und keine einzige Budgetsumme.

Viele Websites mit hohen Kosten

Natürlich kostet nicht jede Website der Bundesregierung 250.000 Euro. Aber die schiere Masse an Websites dürfte enorme Kosten verursachen. Eine Domain wie „haustier-beraten.de“ zu mieten, kostet nicht viel; 50 Euro im Jahr ist ein teurer, aber realistischer Preis. Die Ministerien der Bundesregierung haben wohl kaum selbst das Personal, um eine Website zu erstellen und zu betreiben: Der Auftrag an eine Agentur dürfte je nach Komplexität zwischen 10.000 und 100.000 Euro kosten. Teurer wird es, wenn PR-Agenturen sich um die Inhalte der Website kümmern – so wie in der oben beschriebenen Ausschreibung.

Aber die redaktionelle Pflege sollte schließlich das Ministerium selbst übernehmen können – oder? Business Insider will herausgefunden haben, dass ein Webauftritt die Bundesregierung durchschnittlich 10.000 Euro kostet – pro Monat. Anders ausgedrückt: Pro Besucher zahlt der Bund einen Euro. Bei der Vielzahl an Websites, die die Ministerien unterhalten, und noch viel mehr Websites, die gefördert werden, müssen die Gesamtkosten in die Millionen gehen. Billiger wäre es wohl, die auf den Websites dargebotenen Informationen per Postkarte zu verschicken. Aber dann würde sich der Bürger möglicherweise wundern, warum so viel Geld verschleudert wird.

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