Stresstest: Alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs-Kapazitäten nutzen

In dem „Stresstest“, auf den sich Robert Habeck beruft, stehen Sätze, die gerade nicht rechtfertigen, die Kernkraftwerke nur in Reserve zu halten.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Die "Sonderanalysen" wurden am Montag in der Bundespressekonferenz vorgestellt, 05.09.2022

Die Worte können nicht deutlich genug sein: »In allen drei betrachteten Szenarien zeigt sich die Versorgungssituation im kommenden Winterhalbjahr äußerst angespannt – in Europa kann im Strommarkt die Last nicht vollständig gedeckt werden.« Und: »Die Verfügbarkeit der KKW ist ein weiterer Baustein zur Beherrschung kritischer Situationen.« Das steht in den »Sonderanalysen Winter 2022/2023«, jener meist als »Stresstest« bezeichneten Bestandsaufnahme, die die vier Übertragungsnetzbetreiber 50hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW im Auftrag des Wirtschaftsministeriums vorgelegt haben. Darin heißt es:

»In drei unterschiedlichen Szenarien mit jeweils zunehmend kritischeren Prämissen (+, ++, +++) wurde darin die Stromversorgungssituation im Winter 2022/23 aus zwei Perspektiven untersucht: Zum einen von der Frage ausgehend, ob die Stromnachfrage gedeckt ist (Leistungsbilanz) und zum anderen von der Frage der Netzsicherheit (Transmission Adequacy). (…)

Im Vergleich zur ersten Sonderanalyse (März bis Mai 2022), in der Berechnungen mit dem Fokus auf Gaseinsparungen im Vordergrund standen, widmet sich diese zweite Sonderanalyse deutlich schärferen Annahmen: Dies insbesondere mit Blick auf nicht zur Verfügung stehender Kraftwerkskapazität in Deutschland und Europa und mit dem Ziel der Identifizierung von unterschiedlich ausgeprägten Stresssituationen für die Stromnachfrage und die Netzsicherheit. Dafür wurde im mittleren Szenario (++) eine Sensitivitätsanalyse der Auswirkungen des Streckbetriebs (Betrieb bis zum Verzehr der beladenen Brennelemente im ersten Quartal 2023) der Kernkraftwerke Emsland, Isar und Neckarwestheim durchgeführt.«

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Daraus hat der derzeitige Wirtschaftsminister Habeck seine Idee abgeleitet, nur zwei der drei noch laufenden Kernkraftwerke noch vier Monate kalt stehen zu lassen, ohne dass sie Strom produzieren. Falls es notwendig werden sollte, sollten die Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim Strom erzeugen, so Habeck. Denn es könnte – so wörtlich – »stundenhafte Mangelsituationen« im Stromnetz geben.

Neue Brennelemente würden nicht geladen werden, sagte er weiter. Die Betreiber der Kernkraftwerke würden selbstverständlich – so Habeck – für Personal und Betriebskosten entschädigt werden, also weiterhin Steuergelder bekommen. Habeck hat auch nicht ausgeführt, warum teure Kernkraftwerke keinen Strom produzieren sollen, aber nicht abgerissen werden sollen.

Deutlicher werden die Übetragungsnetzbetreiber in ihrer Analyse: »In den beiden kritischeren Szenarien (++, +++) treten in einigen Stunden Lastunterdeckungen auch in Deutschland auf.« Im Klartext: Es ist nicht genügend Strom vorhanden. Noch kritischer sieht es in Sachen Netzsicherheit aus:

»Zum Management von Netzengpässen reichen die inländischen Redispatch-Potenziale in keinem der drei Szenarien aus. Es wird mindestens 5,8 GW gesichertes Potenzial im Ausland benötigt, davon werden 1,5 GW über eine Redispatch-Kooperation mit AT vorgehalten. Darüber hinaus werden derzeit rund 1,6 GW kontrahiert (Ergebnis der Bedarfsanalyse 2022, aktuell laufendes Interessenbekundungsverfahren). Dabei ist die tatsächliche Verfügbarkeit dieser Mengen aufgrund der in ganz Europa angespannten Versorgungslage unsicher.«

Daher lautet die Empfehlung der Übertragungsnetzbetreiber: »Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs- und Transportkapazitäten wird dringend empfohlen!« Das bedeutet ebenfalls im Klartext: Alle Stromerzeugungsmöglichkeiten volle Kraft voraus. Jedes Kraftwerk, das Strom liefert, senkt zugleich die Stromkosten in Milliardenhöhe. Die wesentlichen Ergebnisse fassen die Übertragungsnetzbetreiber folgedermaßen zusammen:

»1. Transportkapazitäten erhöhen: Zusätzliche Potenziale des witterungsabhängigen Freileitungsbetriebes müssen kurzfristig erschlossen werden, um damit die Nord-Süd-Transportkapazität zu erhöhen.
2. Redispatch-Potential im Ausland in den Fokus nehmen: Hierfür sind klare und verbindliche Absprachen mit den Nachbarländern erforderlich.
3. Vertragliches Lastmanagement: Kurzfristige Potenziale müssen gehoben werden.
4. Reserven für Stresssituationen breiter nutzbar machen: Sämtliche Reserven (auch Netzreserve und besondere netztechnische Betriebsmittel) müssen für die bilanzielle Lastdeckung und den Redispatch nutzbar gemacht werden.
5. Nutzung weiterer Kraftwerkskapazitäten in Stresssituationen absichern:
a. Marktrückkehr der Kohlekraftwerke aus der Reserveerleichtern (Genehmigungen, Kostenanerkennungen/Kostenübernahmen).
b. Alle in einer Stresssituation notwendigen Gaskraftwerke müssen gesichert mit Gas versorgt werden.
c. Verfügbarkeit der KKW ist ein weiterer Baustein zur Beherrschung kritischer Situationen.«

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Kommentare ( 28 )

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28 Comments
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Don Didi
1 Jahr her

Was sind den „unnütze“ Stromverschwender, und wer entscheidet das? Habeck? Baerbock? Du? Ich benötige alleine etwa 4-5 MWh/a, wobei Kochen und Warmwasserbereitung über Gas läuft. Ich kann dennoch kein elektrisches Gerät entdecken, welches ich ohne Verlust von Nutzen abschalten könnte. Möglicherweise könnte ich lokal ein klein wenig Strom einsparen, in dem ich den älteren Gefrierschrank gegen ein neues, „energiesparendes“ Modell austausche. Die Kosten dafür spart das Gerät aber während seiner Lebensdauer nicht ein und der Energieverbrauch für Materialgewinnung, Produktion und Transport, sowie Entsorgung und Recycling des Altgeräts übersteigt die Einsparung ebenfalls, so daß die Gesamtbilanz letztendlich sowohl wirtschaftlich, wie auch… Mehr

November Man
1 Jahr her

Im Gegensatz zu diesem Stresstest nutzt diese linksgrüne Regierung alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-, Gas- und sonstigen -Preisen für die Bürger.
Jetzt wird Protest da gegen zur Bürgerpflicht. 

Julius Schulze-Heggenbrecht
1 Jahr her

Ich zitiere dazu eine sehr passende Sentenz:

Die gegen jede ökonomische Vernunft forcierte Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke erinnert an die Politik der verbrannten Erde: Die Schlacht um Bullerbü ist verloren, doch bevor der triumphierende Gegner – der recht behielt – einzieht, zerstören wir noch schnell die Infrastruktur.

Emsfranke
1 Jahr her

Wo ist eigentlich die grundlegende Idee, das Atomgesetz zu ändern? Ohne diese Änderung darf der Herr Habeck diese 2 Kraftwerke auch im „Notfall“ nicht betreiben. Ab 1.1.2023 ist laut Atomgesetz der Betrieb von Nuklearanlagen in Deutschland schlichtweg VERBOTEN!

Emsfranke
1 Jahr her
Antworten an  Emsfranke

Oder, es handelt sich wieder einmal um eine erneute ideologische Lüge um die eigene Klientel nicht zu erschrecken. Diese Leute wissen genau, wann sie lügen müssen.

Janosik
1 Jahr her
Antworten an  Emsfranke

Das macht mir Sorgen und zwar nicht wegen der verlorenen Rechtsstaatlichkeit – die ist schließlich lange her verloren gegangen. Ich komme ja aus der ehemaligen Volksrepublik, ich bin es gewöhnt. Es macht mir Sorgen, weil wenn diese Idioten irgendwann der Meinung sind etwas wieder einzuschalten – spielt die Sicherheit dann keine Rolle. Wenn es zum Unfall nicht kommt, ist alles gut. Wenn es dazu kommt können sie sagen, dass es unvermeidbar war und man hat es nur unter dem Druck der Opposition getan. Was ich meine: ohne Medienvielfalt gibt es keine FDGO.

AlexR
1 Jahr her

Wir müssen ja so viel Strom haben, dass wir noch welchen nach Frankreich verkaufen müssen. Das ist wahrscheinlich der Strom, der nach den neuen physikalischen Gesetzen der von Bärbock im Netz gespeichert ist.

Sidon
1 Jahr her

Ich kann nur immer wiederholen: unsere Regierung zieht das Programm für die Große Transformation durch, und Deutschland marschiert dazu vorneweg. Als Vorbild. Erst wird alles zerstört, dann neu aufgebaut. Sozialistisch/kommunistisch natürlich.

Thorsten Lehr
1 Jahr her

Und…..? ? Es drohen ihnen doch keinerlei Konsequenzen! Schlimmstenfalls werden diese Spaßvögel ins hochbezahlte Abklingbecken nach Brüssel entsorgt. ? In der guten alten Zeit wurden Hochverräter einfach füsiliert, aber heute…..! ?

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Wetten, die Niedersachsen sind mehrheitlich dämlich genug, die Abschaltung ihres Atomkraftwerkes und die Fortführung der beiden süddeutschen auf dem Wahlzettel zu honorieren? Habeck hat ein untrügliches populistisches Gespür. Die Landtagswahl ist am 9.10., der Strommangel ist erst im Januar. Das ist für viele kurzsichtige Wähler noch gaaanz weit weg. Die gleichen Grünenwähler beschimpfen dann 2023 Markus Söder wegen zu wenigen Windrädern in Bayern bei Dunkelflauten…?

Eberhard
1 Jahr her

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“ Statt Schaden vom Volk zu wenden, wird aus rein ideologischen Motiven das wichtigste, was das Leben braucht, nämlich Energie, fortwährend von dieser Regierung vom Schlimmen zum noch schlimmeren gewendet. Grüne Gerechtigkeit ist eben nicht für jedermann und schon gar nicht ohne Schaden anwendbar und selbst der Nutzen wird ins Gegenteil regiert. Die Grünen sind nicht das Volk, sondern nur ein Bruchteil… Mehr

Birgit
1 Jahr her
Antworten an  Eberhard

„Statt Schaden vom Volk zu wenden, wird aus rein ideologischen Motiven …“ Da differenziere ich mittlerweile. ‚Ideologisch‘ denkt, fühlt, agiert und reagiert m. E. inzwischen nur noch das naive und/oder unerfahren junge, un- oder falsch informierte grüne Fußvolk, das seit Jahrzehnten mit diversen theoretischen Model-Schreckensszenarien von ihren Häuptlingen in (für sie nun reale) Zukunftsängste getrieben und entsprechend konditioniert wurde – mit tatkräftiger Unterstützung bes. der Leitmedien und zig ‚Retter‘-NGOs samt forciert = subventionierter, gutverdienender EE-Lobby. Bei den (angeblich) grün-roten Häuptlingen sieht das anders aus. Mir kann NIEMAND mehr erzählen, dass Habeck, Scholz & Friends – mit ihren tausenden Mit- und… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Birgit
Mike
1 Jahr her

Was zeigt, dass Habeck ein Hasardeur ist. Nicht im eigentlichen Sinne. Denn der tut es ja auf eigenes Risiko. Wozu Mut gehört. Den Habeck nicht hat. Er ist zu feige, sich mit den eigenen Wählern anzulegen, wie das zB Schröder und Fischer gemacht haben. Er ist auch zu feige, seinen grünen Kurs konsequent durchzuziehen, weil er merkt, dass die grüne Ideologie im Irrsinn endet. So wälzt er das Risiko auf die kleinen fleißigen Bürger ab, die den Schaden wie immer begleichen werden, wenn ein Land völlig heruntergewirtschaftet ist. Sozialisten hinterlassen immer und always heruntergewirtschaftete Länder. Es müssen nicht immer die… Mehr