Sebastian Kurz und Visegrád setzen sich in Brüssel durch

Die türkis-grüne Regierungskonstellation Kurz-Kogler in Wien ist kein Modell für Deutschland.

Gabriel Kuchta/Getty Images

Bei der Migrationspolitik schlägt der manchmal Vordenker der Grünen genannte Ralf Fücks einen »„Mittelweg zwischen offenen Grenzen für alle und geschlossene Grenzen für alle“ vor. Zum einen müsste es ein Einwanderungsgesetz geben, das legale Arbeitsmigration vereinfacht. „Zum anderen muss das Asylrecht wieder auf seinen Kern zurückgeführt werden: den Schutz für politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge.“ … Bei der Energiewende vermisst Fücks den langfristigen Plan. „Wir benötigen eine Strategie, wie wir die großen Industrien klimaneutral bekommen, ohne sie abzuwürgen.“«

Der Anlass für diese Betrachtungen auf Focus online ist weder Einwanderung noch Energiewende, sondern die Frage, ob die Koalition von Sebastian Kurz mit den österreichischen Grünen ein Modell für Union und deutsche Grüne sein könnte. Wer alles zur Zeit in Deutschland über diese höchst vordergründige und oberflächliche Scheinparallele räsoniert, geht an allen tatsächlichen Fragen vorbei.

Cave canem
Sebastian Kurz zu Vise­grád-Konferenz nach Prag
Der gleiche Fehler steckt in einem Artikel auf WELT online über die EU und ihre Mitglieder, die sich als Visegrád-Gruppe zusammengeschlossen haben, schon in der Überschrift: „Jetzt macht Kurz, was Merkel nicht geschafft hat”. Was im Text dann steht, dokumentiert nicht, dass Kurz macht, was Merkel nicht schaffte, sondern dass die EU nun auf den Kurs einschwenkt, den Kurz in der alten EU-Kommission gegen den permanenten Widerspruch von Merkel vertrat:

»Unter von der Leyen wird die EU-Kommission im März offenbar keine Verteilung von Migranten nach festen Quoten vorschlagen. Stattdessen will Brüssel den Außengrenzschutz massiv ausbauen und zügig Maßnahmen für eine möglichst rigorose Abschiebung illegaler Migranten in Drittstaaten und gegen Asylhopping in Europa durchsetzen. All‘ dies fordern die Visegrad-Länder, aber auch Staaten wie Österreich, Dänemark und die Niederlande, seit Jahren.«

Die Kronenzeitung meldet: „Das EU-Verteilungssystem für die Aufnahmequoten von Flüchtlingen steht nun auch offiziell vor dem Aus. Brüssel hat eingesehen, dass ein solcher Mechanismus vor allem im Osten nicht durchsetzbar ist.” Und: „Stattdessen legt die EU-Kommission im März ein neues Papier vor, das eine flexible Solidarität der Mitgliedsstaaten vorsieht.”

Kurz fasst das so zusammen: „Jeder leistet dann Solidarität nach seinen eigenen Vorstellungen. Das kann von verstärkter Mitarbeit beim EU-Außengrenzschutz bis zu karitativen Maßnahmen reichen.“

Wie lange die türkis-grüne Regierung von Kurz und Kogler in Wien hält, weiß niemand, auch die beiden nicht. Dass Kurz seine Linie in der EU weiter vertritt, dass er mit und ohne Wahlen in anderen EU-Ländern weitere Unterstützung über die genannten hinaus erhält, ist sicher: Allein schon, weil er sich etwas anderes seinen Wählern gegenüber nicht leisten könnte.

Das geografisch kleine Österreich wird mit Kurz in Brüssel mehr erreichen als Macron Merkel (vom geografisch großen Deutschland) erlaubt. Kurz nimmt keine Weisungen aus Paris und Berlin an – weder direkt noch auf dem Umweg Brüssel.

Die türkis-grüne Regierungskonstellation Kurz-Kogler in Wien ist kein Modell für Deutschland.

Türkis-Grün
Nun des Sebastian Kurz strategische Inszenierung Teil 4
Gegen den deutschen Parteienstaat, der sich längst in den Händen von nicht legitimierten außerparlamentarischen Kräften befindet, ist der Rest vom alten, einst flächendeckenden Parteien-Proporz-Staat Österreich eine hoch transparente Veranstaltung. Nur deshalb konnte ein Sebastian Kurz die alte ÖVP in einer freundlichen Übernahme in die Neue Volkspartei verwandeln. Diese Veränderung erstreckt sich bisher nicht in alle Verzweigungen der ÖVP. Ob sie von Dauer ist, steht nicht fest. So lange Kurz Erfolg bei Wahlen hat, behält er das Heft in der Hand. Hier der demoskopische Stand nach neuwal.com.

Wie sich die Grünen in Österreich in der Regierung entwickeln, lässt sich noch nicht einschätzen. Sobald sie anfangen, die Grenzen ausdehnen zu wollen, die Kurz ihnen für die Regierungsvereinbarung abgehandelt hat, beginnt der Countdown von Türkis-Grün.

Am 26. Januar wird im östlichsten Bundesland Österreichs gewählt. Umfragen prognostizieren SPÖ-Landesobmann und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (49) im Burgenland ein Ergebnis über 40 Prozent – auf Kosten seines Koalitionspartners FPÖ.

In der Partei sei es längst ein offenes Geheimnis, meint der Kurier, »dass „der ,Dosko’ Schwung holt“.« Die Wahl im Burgenland dürfte eine Richtungswahl werden, nicht für das Bundesland, aber in der SPÖ. Wenn einer deren glücklos amtierende Bundesobfrau ablösen kann, dann Doskozil. Mit ihm hätte Kurz keine theoretische Alternative als Koalitionspartner, sondern eine höchst reale.

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Kommentare ( 50 )

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Iso
4 Jahre her

Ralf Fücks liegt in allen Punkten falsch, verfolgt er doch die längst widerlegte Hypothese, dass der Klimawandel vom Menschen gemacht ist. Ebenso ist es nicht möglich allen Kriegsflüchtlingen Asyl zu bieten, den es brennt an allen möglichen Ecken in der Welt. Von der Ukraine, über den Nahen Ost, bis in die Sahara hinein, gäbe es ein millionenfaches Anrecht auf Asyl, und das geht nicht. Ein weiteres Problem ist die Arbeitsmigration, die den Druck auf die einheimische Bevölkerung erhöht, nur zu Lohndumping und Altersarmut führt.

IJ
4 Jahre her

Alles in allem ist dies ein positiver, mutmachender Artikel über die Wiederkehr von Vernunft und Selbsterhaltungstrieb im von Merkel ethisch-moralisch ruinierten Europa, das man aufgrund seiner irrationalen, selbstzerstörerischen links-grünen Ideologisierung nur als Neo-Mittelalter bezeichnen kann. Hoffentlich ist die Zeit der grün-roten Schamanen, Wanderprediger, Rattenfänger und Cat Weazles ala Greta et al. (Kennt noch jemand die alte englische Comedy Serie?) bald vorbei. Frei nach Heine: Wenn ich heute denk an Deutschland in der Nacht, bin ich nicht um den Schlaf gebracht. Daher: Danke, Herr Dr. Hingerl.

Dr. Slonina
4 Jahre her

Es ist die grundsätzliche Frage zu stellen, wieso Europa überhaupt Migranten aus Ländern aufnimmt, die eindeutig NICHT der Vermehrung, sondern viel mehr zur Verringerung des Wohlstandes der Bevölkerung des aufnehmenden Landes führen?
Das tun ja andere Länder wie Australien oder auch Japan auch nicht.

Rosa Kafko
4 Jahre her

Die Linksradikalen, Typen wie Robert Misik, haben die SPÖ fest in marxistischer Hand. Die werden eine Doskozil verhindern.

Josef K.
4 Jahre her

Die EU scheint nach dem praktisch vollzogenen Brexit begriffen zu haben, dass die Zwangs-Zuteilung von Flüchtlingen zum Austritt weiterer Ostländer führen könnte.

Gruenauerin
4 Jahre her

Diese Horrorfrau hat uns nun wirklich in die Isolation getrieben. Jetzt kann es jeder in der Welt ganz offen sehen. Deutschland ist raus, hat nichts mehr zu bestimmen, nur noch zu zahlen. Ich kenne die österreichischen Grünen nicht, aber die scheinen von anderem Holz zu sein, als die dilettantischen, grünen, deutschen Totalitaristen. Ist Kurz nun in den Augen des deutschen Mainstreams auch ein Rechter? Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Dill Schweiger
4 Jahre her

………Boris Johnson möchte auch ein überarbeitetes Abkommen mit der EU, dass es den „Facharbeitern“ deutlich schwerer macht, in Großbritannien dauerhaft zu bleiben. Wieso berichten und diskutieren die öffentlich – rechtlichen „Hass und Hetzmedien“ nicht darüber?

GeWe
4 Jahre her

Dass Deutschland keine eigenen Interessen habe, ist einfach unwahr.
Merkel hat ihre eigenen Interessen und ’schland ist ihr Land und
das genügt dem Volk.

Pauline G.
4 Jahre her

Kurz ist mutig (im Gegensatz zu deutschen Politikern) – und realistisch (im Gegensatz zu deutschen Politikern).

Herbert Rehm
4 Jahre her

Da ich hauptsächlich österreichische Nachrichten sehe, ist meine Meinung, dass diese Regierung nicht lange hält. Interessant wird es erst, wenn die Grünen aus Regierungsdiziplinz in der Migrationsfrage eine Kröte nach der anderen schlucken und im Parlament gegen ihre tiefste Überzeugung stimmen müssen. Die Grünninen in Wien sind mindestens noch einige Prozent schlimmer als die in Berlin. Und das heißt schon was.

Dill Schweiger
4 Jahre her
Antworten an  Herbert Rehm

…..haben die österreichischen Grünen auch eine „Schwatzwutz namens Roth“?

Rosa Kafko
4 Jahre her
Antworten an  Dill Schweiger

Nicht nur eine ;o) Die haben verdammt viele „Schwatzwutze“ ..

Folke
4 Jahre her
Antworten an  Herbert Rehm

Na wenn schon. Österreich hat eine konservative Mehrheit, und bis die Grünen begriffen haben, daß sie ohnehin nur Kanzlers Kammerdiener sind, haben die Freiheitlichen ihre Störenfriede aussortiert und stehen wieder parat.