Scholz’ Beratern in der Pandemie droht eine Klage der Stuttgarter Zeitung

Die Stuttgarter Zeitung droht dem Kanzleramt mit einer Klage. Grund ist die Arbeit des Corona-Expertenrats. Das Gremium verweigert den Journalisten bisher Auskunft darüber, wie es arbeitet.

IMAGO / photothek
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), im Deutschen Bundestag, 23.03.2022

„Akzeptanz und Toleranz“ hatte der frisch gekürte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Dezember angekündigt. Die sollten seine Politik zur Pandemiebekämpfung erwerben. Das war auch eine Reaktion auf seine Vorgängerin im Amt, der vorgeworfen wurde, nur auf Experten zu hören, die das bestätigen, was sie selber denkt – und das so strikt, dass eine Bunkermentalität rund um Angela Merkel entstanden sei. Zu diesen Experten der Kanzlerin gehörten die Professoren Christian Drosten und Melanie Brinkmann, die so hoch über den Dingen schwebte, dass sie es schon für eine Zumutung hielt, im Zug die Fahrkarte vorzeigen zu müssen.

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Ein 19-köpfiger Expertenrat sollte Scholz’ Coronapolitik auf breitere Beine stellen. Wobei Merkels Hardliner Drosten und Brinkmann dem Gremium ebenfalls angehören. Die Chefin des Ethikrates Alena Buyx kommt auch weiter der Aufgabe nach zu begründen, warum die jeweilige Entscheidung der Bundesregierung die moralisch richtige ist. Während Länder wie die Niederlande öffnen, stolpert Deutschland – angeleitet von diesem Rat – weiter durch die Pandemie mit seinen kaum noch durchschaubaren Regeln à la 2G in Hotspots, sofern nicht 3G plus in Ausnahmefällen oder andersrum …

So wenig transparent diese Regeln sind, so wenig transparent arbeitet der Corona-Expertenrat. Letzteres finden zumindest die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten. Sie haben dem Bundeskanzleramt nun einen „förmlichen Widerspruch“ zugestellt und drohen, falls der Rat seine Informations-Politik nicht ändere, vors Verwaltungsgericht zu ziehen. Das sind die nächsten Stufen der Eskalationsleiter. Auf ihr Recht auf Auskunft nach dem Presseauskunfts- und Informationsfreiheitsrecht haben sich beide Zeitungen bereits bezogen.

Begonnen hat der Streit bereits im Dezember. Die Zeitungen hatten eine Anfrage gestellt, wie der Expertenrat arbeite. Dieser gibt zwar Stellungnahmen zum Umgang mit der Pandemie ab und veröffentlicht diese im Internet. Bis zu diesem Donnerstag waren acht Stellungnahmen öffentlich zugänglich. Doch wie es zu diesen kommt, teilt der Rat nicht mit. Die beiden Stuttgarter Zeitungen wollten wissen: „Wie sie zustandekommen, welche Expertise oder Studien die Mitglieder einbringen und welche Punkte noch diskutiert werden?“ Der Rat habe ihnen solche Auskünfte verweigert, teilten die Zeitungen mit. Eine Auskunft, so zitieren sie die Antwort des Rats, würde die „Beratungs- und Entscheidungsprozesse hinsichtlich des Themenbereichs Sars-Cov-2 beeinträchtigen“. Das Thema sei weiterhin im Fluss, deshalb könne man keine Details herausgeben.

Die Stuttgarter Zeitungen fragen sich nun: „Wie unter solchen Prämissen die von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Einführung des Expertenrats versprochene „Akzeptanz und Toleranz“ der Bevölkerung für die Coronapolitik erhöht werden soll?“ Was spreche dagegen, so die Zeitungen, wenn die Öffentlichkeit „die Richtigkeit oder Mangelhaftigkeit der beschlossenen Coronamaßnahmen anhand der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse diskutiert“?

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Die Zeitungen rechnen sich vor Gericht gute Chancen aus. Sie beziehen sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Das hatte den wissenschaftlichen Beirat im Bundesfinanzministerium dazu verpflichtet, seine Sitzungsprotokolle herauszugeben. Im Vergleich zu diesem Urteil komme im Fall der Pandemie und ihrer schwerwiegenden Folgen ein „überragendes öffentliches Informationsinteresse“ hinzu, argumentieren die Zeitungen.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) unterstützt die Initiative der beiden Stuttgarter Zeitungen: Der Rat sei „kein Geheimzirkel“, sagt der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall: „Gerade jetzt, da die Zahl der Corona-Infektionen Höchststände aufweist, müssen Fragen zum Expertenrat beantwortet werden.“ Mit der „regierungsseitigen Geheimniskrämerei des Kabinetts Merkel“ müsse Schluss sein, fordert der DJV-Chef.

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Kommentare ( 25 )

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Lotus
2 Jahre her

Das Gremium verweigert den Journalisten bisher Auskunft darüber, wie es arbeitet.“

Hat das Gremium überhaupt etwas getan, was die Bezeichnung „Arbeit“ verdient? Haben die „Experten“ nicht eher dazu gedient, dem Treiben der Regierung einen wissenschaftlichen Tarnanstrich zu verleihen? Würde mich nicht wundern, denn in Deutschland wundert mich (fast) gar nichts mehr.

Ulric Viebahn
2 Jahre her
Antworten an  Lotus

Ob ‚arbeiten‘ oder nicht, die Sitzungsprotokolle werden die Teilnehmer erheblich bloßstellen.

Turnvater
2 Jahre her

Jetzt auf einmal kommen diese Gestalten aus ihren Löchern?

Es muß hinter den Kulissen auch der Qualitätspresse lichterloh brennen, wenn man sich plötzlich seiner eigentlichen Aufgabe besinnt.

Allerdings zu spät.

Anti-Merkel
2 Jahre her

Wie dieser „Experten“rat funktioniert, sollte eigentlich klar sein… Tagesordnung einer Sitzung: 1. Eröffnung durch Gebet (der Gott Lauterbach wird angebetet und um Verzeihung für Sekunden ohne Maske seit der letzten Sitzung gebeten). 2. Beschwerde der Expert*innen (w/d) über das Wort Expertenrat. Einstimmige Verurteilung der Wortwahl. 3. Vortrag von Lauterbach über die Gefährlichkeit des Virus und die heilsbringenden Impfstoff*innen 4. 20 Minuten standing ovations 5. Zugabe 6. Einstimmige Verurteilung der verantwortungslosen Ungeimpften, Gleichsetzung mit Nazis 7. Eilberatung über die Beschwerde einer Expert*in (w/d), dass nicht von Ungeimpft*innen und Nazi*innen gesprochen wurde 8. Verabschiedung der Resolution, dass man negative Wörter wie „Nazi“,… Mehr

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Zitat: „Der Rat sei „kein Geheimzirkel“, sagt der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.“

> Hahaha….. „ihr Recht auf Auskunft nach dem Presseauskunfts- und Informationsfreiheitsrecht“ und „der Rat sei „kein Geheimzirke“. “

Scheinbar hat man bei den Stuttgarter-Zeitungen und beim DJV die Zeit verpennt und nach 7 und 16+ Jahren immer noch nicht mitbekommen und abgerafft wie „im besten Deutschland, welches wir jemals hatten“, mittlerweile Politik geht UND wie die „Altparteienelite“ im Parteienkartell am denken und herrschen ist.

Wie sagte doch Gorbatschow schon: „wer zu spät kommt, den bestraft das Leb….“!

moorwald
2 Jahre her

Hierzu passend: das Niedersächsische Sozialministerium beklagt in seiner neuesten Verordnung, daß es nun „erzwungenernaßen“ kaum noch Möglichkeiten für Vorschriften hat und „leider“ vieles aufgehoben wird
(Niedersachsen macht Gebrauch von der Übergangsregelung bis 2.4.)
Man fragt sich, was solche Gefühlsbekundungen und persönliche Wertungen in einem amtlichen Text zu suchen haben…

MisterX
2 Jahre her
Antworten an  moorwald

Weil es nur noch um persönliche Befindlichkeiten, Emotionen und Haltung in der Politik geht. Fakten, Zahlen, Realität sind nur Störfaktoren für die politische Traumtänzerei. Da sitzen Politiker in Deutschland, die ein gewisses Bild von der Welt haben. Alles, was dieses Bild stört, wird maximal ausgeblendet, verleugnet und wenn es sein muss vernichtet. Selbst der Krieg in der Ukraine führte letztlich nur dazu, dass man sich in der Klimapolitik noch bestätigt fühlt. Ich bin mir sicher, dass das die Ukrainer genauso sehn. (Sarkasmus) Diese Politik wird in allen Bereichen früher oder später krachend an der Realität zerschellen. Das kann man verleugnen… Mehr

Last edited 2 Jahre her by MisterX
MisterX
2 Jahre her

Da scheinen so manche im Mainstream wohl doch noch den Hals aus der Schlinge ziehen zu wollen. Für mich vergebliche Mühe. War der Mainstream für mich vorher schon nicht mehr vertrauenswürdig, wird er es seit den Schandtaten der vergangenen zwei Jahre auch nie wieder sein.
Bin gespannt wann die nächste Mahnung von der GEZ hereinflattert.

elly
2 Jahre her

Expertengremium der Bundesregierung Vorsitzender: Prof. Heyo K. Kroemer = 61 Jahre, Stellvertretende Vorsitzende: Prof. Melanie Brinkmann = 48 Jahre Dr. Reinhard Berner = 59 Jahre Prof. Dr. Cornelia Betsch= 42 Jahre Dr. Alena Buyx = 44 Jahre Dr. Jörg Dötsch = 56 Jahre Prof. Christian Drosten = 49 Jahre Dr. Christine Falk = 56 Jahre Prof. Ralph Hertwig = 58 Jahre Prof Lars Kaderali = 48 Jahre Prof. Christian Karagiannidis = 48 Jahre Prof. Thomas Mertens= 71 Jahre Prof. Michael Meyer-Hermann = 55 Jahre Dr. Johannes Nießen 64 Jahre Dr. Viola Priesemann, 39 Jahre Dr. Leif Erik Sander = 45… Mehr

Andreas aus E.
2 Jahre her

Expertenrat? Das sollte doch Expertendenrat lauten, richtig, daß dagegen geklagt wird! Ansonstens sind die Regeln sehr klar und transparent. Wenn die Inzidenz einen je nach Region zu bemessenden Richtwert übersteigt, abhängig von Tageszeit und Luftfeuchtigkeit und in Abstimmung mit Lageeinschätzungen der Nachbargemeinden, kann eine Maßnahme verfügt werden oder auch nicht, wobei es noch einen Unterschied ausmachen kann, ob der Ziehpunkt der Stichprobe auf einen geraden oder ungeraden Wochentag fällt und inwieweit das mit der Hospitalisierungsquote zusammenfällt und was die Wissenschaft tagesaktuell empfiehlt, insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen unserer EU-Partner und dem Klimageschehen, auch unter Berücksichtigung des Ukrainekonflikts, wobei natürlich… Mehr

Giovanni
2 Jahre her

Die Slogans und „Werbesprüche“ der Politiker und ihrer Lautsprecher in den öko-marxistischen Medien werden immer weniger glaubhaft.
Was diese Politiker von sich geben sind nur leere Worthülsen. Nur wenig davon wird wahrhaftig. Dies gilt für „Akzeptanz und Transparent“ und sehr wahrscheinlich auch für die Verteidigungsbereitschaft. Die dafür vorgesehenen zusätzlichen 100 Milliarden werden bereits von den Linken in der SPD zerpflückt. Alles nur „Bla-Bla“ !!

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Ich sehe meine hier mehrfach vorgetragene These immer mehr bestätigt. Veränderungen im polit-medialen Komplex kommen nur durch Druck von außen zustande. Die heimische, regierungstreue Presse erkennt langsam, dass man im umliegenden europäischen Ausland die Corona-Panik-Pandemie bereits größtenteils hinter sich gelassen hat und zu einem immer vernünftigeren Umgang mit dem Geschehen kommt. Um nicht als gänzlich unkritisch, servil und regierungstreu zu gelten versuchen nun einzelne Zeitungen, zu einer einigermaßen kritischen Berichterstattung zu finden. Jahrelang hat man die irrsinnige Merkel-Politik bejubelt und jede Kritik daran als rechtsradikal, faschistisch, kriminell oder pathologisch abqualifiziert. Mittlerweile gehen vielen Merkel-Jüngern die Augen auf und sie erkennen,… Mehr

Ulric Viebahn
2 Jahre her
Antworten an  Juergen P. Schneider

So verbessern die Verkündigungspostillen nicht ihre Glaubwürdigkeit. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, daß Glaubwürdigkeit auch nicht das Hauptkriterium für Auflage ist. Hoffentlich (wahrscheinlich) werden sie k“einen Teil ihrer Leserschaft zurückgewinnen“.