Geeint in Unzufriedenheit – getrennt in Form und Ausdruck

Die sogenannten Spaziergänge setzen sich fort und vermischen sich mit immer breiteren Bevölkerungsteilen, geeint in ihrer Unzufriedenheit mit der politischen Lage. Politiker können kaum noch Wahlkampfauftritte abhalten. Die Stimmung im Land ist angespannt.

IMAGO / Hans-Jürgen Serwe

Die Proteste gegen die Bundesregierung halten an. Zehntausende versammelten sich auch am Montag. Neben der Corona-Politik werden vermehrt die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert. Die aufgestaute Wut der Demonstranten bekam die letzten Tage vor allem Annalena Baerbock zu spüren. In Köln wurde sie ausgepfiffen und in Wuppertal mit Eiern beworfen.

Am Montag kamen wieder zehntausende Menschen im gesamten Bundesgebiet zusammen, um gegen die Bundesregierung zu demonstrieren. Die Teilnehmerzahlen dürften sich gegenüber der Vorwoche stabilisiert haben. Allein in Sachsen fanden rund 200 Spaziergänge statt.

In Nürnberg zählte die Initiative „Team Menschenrechte Nürnberg“ – wie bereits in den vergangenen Wochen – rund 2000 Demonstranten. Die Teilnehmer versammelten sich hinter einem großen Transparent mit der Aufschrift: „Wir Sind Die Rote Linie“. Ein Demonstrant forderte: „Freie Impfentscheidung – kein Impfzwang“. Auf einem anderen Plakat stand: „Frieden schaffen ohne Waffen“. Der Protest konnte ein breites politisches Spektrum mobilisieren. Es waren Flaggen der „Antifa“, der „Freien Linken“ und der Organisation „Studenten stehen auf“ zu erkennen.

In Heidenheim gingen Hunderte auf die Straße. Die Versammlungsteilnehmer skandierten: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. Auf einem Transparent war: „Impfplicht? Nein!!! Ab 15.03. pflegen euch Lauterbach und Scholz“ zu lesen. In Kempten (Allgäu) war auf einer Fahne „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ zu lesen. Ein anderer Demonstrant forderte: „Impffreiheit für alle und für immer“.

Die Teilnehmerzahlen sind weiterhin deutlich im vierstelligen Bereich. Vergangene Woche wurde von knapp 2000 Teilnehmern berichtet. Die Demonstranten versammelten sich hinter dem Slogan „Miteinanderstadt Gera“. In Meiningen und in Saalfeld versammelten sich Hunderte. Ein Demonstrant plakatierte, dass die Politik die Bevölkerung „Gespalten und Belogen“ habe. Außerdem waren viele Tröten zu hören.

Bautzen bleibt eine Hochburg der Corona-„Spaziergänge“. Nach Teilnehmerangaben kamen 1700 Personen zusammen und damit 200 mehr als letzten Montag. Auch in Chemnitz demonstrierten wieder Hunderte. Der Demonstrationszug verlief diese Woche ohne besondere Vorkommnisse. Vergangene Woche soll es zu von der Polizei verursachten Schubsereien und Rangeleien gekommen sein.

Am Corona-Protest in Köln dürften um die 1000 Demonstranten teilgenommen haben. Behördliche Angaben liegen aber auch hier – wie bei den anderen erwähnten Protesten – nicht vor. Es waren Parolen wie „Für die Freiheit – auf die Straße“ zu vernehmen. Auf einem Luftballon stand: „Stop Corona Lüge“. Vor Ort war auch hier die „Freie Linke“.

Annalena Baerbock, die nach Insa-Umfrage die zweitbeliebteste Politikerin des Landes ist, wurde am Samstag bei einem Wahlkampfauftritt in Köln mit einem Pfeifkonzert empfangen. Unter den Demonstranten waren auch viele Corona-„Spaziergänger“. Die Demonstranten plakatierten „Booster – next shot“ oder „Stop Corona Lüge“. Zudem protestierten Mitglieder der MLPD und Free-Assange-Anhänger. Schon im Vorfeld der Rede wurden kartonweise Trillerpfeifen verteilt, die bis zum Ende der Veranstaltung genutzt wurden. „Kriegstreiber“, „Hau ab“ und „Baerbock muss weg“ schallte es durch die Kölner Innenstadt.

Die Worte Baerbocks waren kaum zu verstehen. Die Außenministerin musste ins Mikrofon schreien, um sich überhaupt bemerkbar zu machen. Schließlich richtete sie einige Worte an die Demonstranten. „An die, die hier gerade ganz laut pfeifen und brüllen: Es ist auch das große Glück in unserem Land, dass man frei seine Meinung äußern kann, dass sie keine Sorge haben müssen, dafür ins Gefängnis zu kommen. Ich bitte sie nur: Das Recht auf Meinungsfreiheit heißt auch, andere nicht zu überbrüllen.“

Ähnliche Szenen spielten sich einen Tag später in Wuppertal ab. Auch dort wurde sie mit „Kriegstreiber“- und „Hau ab“-Rufen empfangen. Die Außenministerin sprach gerade davon, dass „nicht die lautesten sich immer durchsetzen“, da wurden ihr drei Eier entgegengeworfen. Diese verfehlten ihr Ziel. Sofort traten Sicherheitsbeamte auf die Bühne und schirmten Baerbock ab. Die mutmaßliche Eierwerferin, eine junge Frau, erwartet nach Angaben der Polizei nun eine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung. Der Staatsschutz ermittelt.

Den Demonstranten rief Baerbock entgegen: „Ihr könnt so viele Eier werfen, wie ihr wollt, wenn ihr meint, davor haben wir Angst. Ich kann nur klar und deutlich sagen: So einfach kriegt ihr uns nicht weg!“ Und weiter: „Was glaubt ihr denn, was glaubt ihr denn, was eure Kinder meinen? Dass sie morgen in der Schule einen Stein schmeißen können? Solche Vorbilder, die braucht glaube ich niemand in unserem Land.“

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Kommentare ( 20 )

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Jens Frisch
1 Jahr her

„So einfach kriegt ihr uns nicht weg!“
Ja, leider. Aber wir haben auch gerade erst angefangen und wenn der Michel sich demnächst entscheiden muss, ob er satt wird oder sich ein Bier gönnt, dann wird es derart „ungemütlich“, dass ein Annalenchen sich das gar nicht vorstellen kann.

Urbanus
1 Jahr her

Nach meiner Einschätzung: in Münster (Westf.) sind unter den Spaziergängern ca. 80% potentielle bzw. ehem. Grün-Wähler. Die Zahl wächst.

KoelnerJeck
1 Jahr her

Das Recht auf Meinungsfreiheit heißt auch,, …

Es gibt kein Recht auf Freiheit! Der Mensch ist frei geboren und derjenige, der die Freiheit einschränken will, muss zeigen, dass er ein Recht dazu hat.
Schätze die Zahl der Teilnehmer am Spaziergang in Köln gestern auf 2 000.

Last edited 1 Jahr her by KoelnerJeck
OWL
1 Jahr her

Die Grundrechte ausgesetzt, Inflation, Kriegstreiberei, Zensur, rassistische Diskriminierung weisser Europäer, verrottende Infrastruktur bei höchster steuerlicher Belastung, eine zweifelhafte Klimapolitik, die lediglich die Industrie und Arbeitsplätze auslagert und die Landwirtschaft zur Stillegung von Ackerflächen zwingt – in einer Zeit der Knappheit. Die Zerstörung unserer Kultur und Lebensweise, unseres Wohlstands, unserer Freiheit. All das sind die Früchte von bestens dotierten Politikern, die gerne unser Geld nehmen, aber sonst mit dem Wahlpack nichts anzufangen wissen. Mich wundert, dass sie sich wundern. Was sollen wir denn bitte schön bejubeln? Den grünen Pass,der uns vom gesellschaftlichen Leben ausschliesst? Die laufenden Planungen zur Bargeldabschaffung, damit wir… Mehr

Kassandra
1 Jahr her

Ach, wer solche grüne wie diese Sandra Detzer in seinen Reihne duldet, braucht sich über Eierwerfer nicht zu beschweren. Die MdB im letzten November: „Wo wir Grünen an die Schalthebel der Macht kommen, werden wir nicht mehr verhandeln.“ Ich fasse das als Drohung auf, wenn eine abschlusslose Baerbock heute von sich gibt: „So einfach kriegt ihr uns nicht weg!“ Was also hilft – außer Eiern? Mit ihr sollten übrigens jetzt alle, die hinsichtlich der Ukraine etwas propagieren wollen, in Kiew wie in Butscha gewesen sein. So viele Ruinen wie Besucher können dort gar nicht vorhanden sein – Wochen, nachdem dort… Mehr

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat 1: „Die mutmaßliche Eierwerferin, eine junge Frau, erwartet nach Angaben der Polizei nun eine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung. Der Staatsschutz ermittelt.“ > Jo, na klar doch ermittelt der Staatsschutz. Denn im besten Deutschland, welches wir jemals hatten, ermittelt der Staatschutz doch mittlerweile jeden und alles was nicht stram auf links-grüner Regierungs- und Altparteienpolitik mitmarschiert und anderer Meinung ist. Kritik an die links-grüne Regierungs- und Altparteienpolitik ist im besten Deutschland aller Zeiten eben nicht mehr erwünscht und wurde zur Staatsfeindlichkeit erklärt. Entsprechend haben diese in der Regierung sitzenden Demokrstiefeinde doch auch das NetzDG eingeführt und so dafür gesorgt das selbst… Mehr

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

„Das Recht auf Meinungsfreiheit heißt auch, andere nicht zu überbrüllen.“ Komisch nur, dass die Grünlinge das trotzdem schon immer so gemacht haben. Ich erinnere mich noch. Bei Kohls Wahlkampfautritten standen die Rotgrünen auch immer hinten mit ihren Trillerpfeifen. Konservative haben so was umgekehrt nie getan. Also ich kann es nur ausdrücklich begrüßen, wenn der wütende Mob die Grünlinken wegbrüllt. Wegen Fairness und so. „Was glaubt ihr denn, was glaubt ihr denn, was eure Kinder meinen? Dass sie morgen in der Schule einen Stein schmeißen können?“ Ja Annalena. Du hast es erfasst. Wenn einem was nicht passt, dann darf, ja muss… Mehr

Hektor
1 Jahr her

Komisch , wenn die Grünen Widerstand und Gegenwind bekommen ist ihr Geule groß , dabei waren die doch die Wegbereiter des :
Ziviler Ungehorsam ist eine Form der Beteiligung der Bürger des Staates am politischen Prozess der Willensbildung und Entscheidung. Zu einer parlamentarischen Demokratie, wie es die Bundesrepublik Deutschland ist, gehören Initiativen ebenso zur politischen Willensäußerung, wie Parlamente, Parteien und Verbände.
Startbahn West , Brockdorf , Gorleben , usw , usw,

Andreas aus E.
1 Jahr her
Antworten an  Hektor

Die „Grünen“ bzw. deren Umkreis kannten seinerzeit noch die „Demozwille“. Man sieht sie heute häufig noch auf Aufklebern der Antifa. Die Dinger waren zu „Startbahn-West-Zeiten“ sogar noch frei erhältlich, es gab entsprechende Inserate in Illustrierten, als Zubehör bestellbar Magazin und Zielfernrohr.
Damit kann man einen umbringen oder Auge ausschießen.
Man sollte nie vergessen, aus welchem Umfeld „Grüner“ hervorsprossen.
Und heute jammern die, wenn es sie selbst trifft – widerliches Pack.

Rifugio Auronzo
1 Jahr her

Ich bitte sie nur: Das Recht auf Meinungsfreiheit heißt auch, andere nicht zu überbrüllen.

Oft genug erlebt, dass die Antifa und das berühmte „breite Bündnis“ irgendwelche Demos rechts der Mitte zusammenbrüllt. Die Behörden sorgen dafür, dass die Gegendemo auf wenige Meter herangelassen wird und die eigentliche Veranstaltung nicht mehr wirklich stattfinden kann aufgrund der Lautstärke.
Jetzt wendet sich das Blatt und Baerbock -stellvertretend für jenes politische Spektrum- fordert Rechte ein, welche man der Gegenseite nie zugestanden hat. Wir sarkastisch.

Delegro
1 Jahr her

Frieden schaffen ohne Waffen. Das ich nicht Lache! Der Kriegstreiber heißt Putin und der lässt sich nicht mit warmen Worten beeindrucken. Frieden schaffen, zur Not auch mit Waffen ist wohl eher angesagt. Diplomatie und Gespräche immer. Hier muss jede auch nur erdenkliche Möglichkeiten genutzt werden. Aber wenn Putin schlicht nicht will, überzeugen wir ihn auch nicht durch Demos und warme Worte. Pazifismus ist O.K., sollte aber nicht den Blick auf die Wirklichkeit verstellen.

Julischka
1 Jahr her
Antworten an  Delegro

Kennen Sie eigentlich alle Zusammenhänge der Russen mit den Ukrainern oder „wissen“ Sie nur das was im (Staats)Fernsehen verbreitet wird? Die Wenigsten von uns „wissen“ doch worum es (geschichtlich) geht. Und genau deshalb sollten wir uns da raushalten!