Göring-Eckardt über Samariter, Stoffteilung und Aufmerksamkeitsökonomie

Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Politikerin und abgebrochene Theologiestudentin verwechselt den heiligen Martin mit dem barmherzigen Samariter. An beiden könnten sich die Aufnahmeforderer tatsächlich ein Beispiel nehmen. Sie erwarteten schließlich nicht, dass die Allgemeinheit ihre Barmherzigkeit bezahle.

imago Images/Christian Spicker

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Katrin Göring-Eckardt flog vor einigen Tagen auf die griechische Insel Lesbos, um sich, wie es heißt, ein Bild von dem gerade abgebrannten Migrantenlager Moria zu machen und die Übernahme der Einwanderer überwiegend nach Deutschland zu fordern. Ihre Tätigkeit beschrieb sie gegenüber einem Kamerateam so: „Wir kümmern uns hier um die Menschlichkeit.“ Deutschland sollte jedenfalls vorangehen.

Um das zu unterstreichen, bemühte die Politikerin und kurzzeitige Theologiestudentin eine biblische Quelle:

„Der barmherzige Samariter hat auch seinen Mantel geteilt und hat nicht gewartet bis jemand kommt und sagt, ich wäre auch noch bereit.“

Derjenige, der seinen Mantel teilte, war erstens nicht der barmherzige Samariter, sondern der Heilige Martin. Und er teilte seinen eigenen Mantel, statt andere zu zwingen, ein Stück von ihrer Kleidung abzuschneiden. Ihm wäre es auch nicht eingefallen, zu diesem Zweck 13000 symbolische Schwerter oder Scheren vor dem Reichstag aufzustellen. Auch der barmherzige Samariter, den Göring-Eckardt etwas verschwommen im Gedächtnis ihres Herzens hatte, half mit eigenen Mitteln einem Einzelnen, der unter Räuber gefallen war:

„Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn.
Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.“

Er drängte also nicht den Wirt, die Rechnung zu übernehmen, sondern zahlte selbst. Darin liegt eine Lehre, die von der moralischen Höhe aus meist übersehen wird: Wer seine eigenen Mittel verwendet, wägt ab, wie weit seine Hilfsleistung zu seinen Möglichkeiten passt. Der Samariter gibt zwei Denare, stellt noch einen oder zwei in Aussicht, falls es nötig sein sollte, aber er geht keine unbegrenzte Zahlungsverpflichtung ein. In wenigen Tagen sollte der Überfallene wieder auf den Beinen sein. Dann enden Hilfsbedürftigkeit und Hilfe.

St. Martin teilte seinen Mantel nur einmal für einen Bedürftigen. Auch darin liegt eine praktische Begrenzung. Denn irgendwann erfüllt ein vielfach zerschnittenes und verteiltes Mantelstück nicht mehr die Funktion eines Mantels, sondern lässt so viel Blöße unbedeckt wie ein Vierteltheologiestudium. Dem heiligen Martin dürfte auch klar gewesen sein, dass eine Mantelteilung nicht die Herstellung von Mänteln ersetzt.

Wer so wie Katrin Göring-Eckardt aus der Bibel argumentiert, nicht ganz textsicher, aber ganz selbsterfüllt, der sollte in dieser Manier auch praktisch weitermachen und sich den Samariter wie den heiligen Martin zum unmittelbaren Vorbild nehmen. Das beginnt mit dem eigenen Geld – bei einer Fraktionschefin kommt dies vom Staat, allerdings nicht zu knapp – lässt sich aber auf die beiden großen Kirchen ausdehnen, die als alteingesessene NGOs sehr stark für eine Übersiedlung am besten aller Migranten aus Moria werben.

Die Politikerin Göring-Eckardt war von 2009 bis 2013 Präses der EKD-Synode, ihr Lebensgefährte Thies Gundlach ist Vizepräsident des Kirchenamts der EKD. Er besitzt wahrscheinlich einen besseren Überblick über die Finanzen der Evangelischen Kirche als die Öffentlichkeit. Die kann angesichts der 889 Millionen Euro Einnahmen aus Mieten, Pachten und Kapitalerträgen für 2020 nur ungefähr abschätzen, welches Vermögen dahintersteht.

Bei der katholischen Kirche sieht es ebenfalls nicht übel aus. Das Bistum München und Freising besitzt gut sechs Milliarden Euro, das Bistum Köln 3,35 Milliarden, das Bistum Limburg steht mit einer Milliarde vergleichsweise karg da. Beide Gemeinschaften verfügen neben Aktien und Geld über Immobilien, Grund und Boden, also das, was dringend nötig ist, um hauptsächlich junge Männer in Deutschland anzusiedeln. Denn wenn auf den Plakaten steht: „wir haben Platz“, dann sind damit Notaufnahmeeinrichtungen gemeint, in denen die Migranten nicht lange bleiben wollen, abgesehen davon, dass sie anders als der Überfallene in der Samaritergeschichte Verpflegung und individuelle Unterkunft nicht nur erhoffen, sondern verlangen. Eigentlich müsste auf den Schildern stehen: „Wir haben Geld“.

Das wäre eine nützliche Aussage, vor allem, wenn jemand auch Name und Adresse dazu liefert. Die Kirchen könnten mit ihrem Vermögen bürgen, die Aufenthaltskosten übernehmen, möglicherweise, indem sie zusätzlich ihre Mitglieder um Beiträge bitten. Das, was sie geben wollen, könnten sie selbst einschätzen. Egal, wie der Betrag ausfiele, er würde auf eine Begrenzung des Zuzugs hinauslaufen. Unendlich ist das Kirchenvermögen wie übrigens jedes andere Vermögen nicht. Der Gedankenstrang, dass eigentlich in erster Linie die islamischen Verbände in Deutschland einen finanziellen Beitrag leisten müssten, soll hier nicht weiter verfolgt werden.

Die übliche Antwort auf einen Vorschlag dieser Art lautet, er sei populistisch. Erstens ist das kein Argument. Zweitens dürfte es den größeren Populismus mit dem aufmerksamkeitsökonomischen Blick auf das eigene Wählermilieu darstellen, seine moralische Höhe auf den Geldbergen anderer Leute zu errichten. Erst einmal die eigenen Denare zu nehmen, dann die der Kirchen und der mehr oder weniger angeschlossenen Parteien, das würde übrigens auch exakt der Göringschen Forderung entsprechen, jemand müsse vorangehen. Wenn es eine Frage von Leben und Tod ist: Wäre es dann nicht naheliegend, selbst einzuspringen, statt den Migranten vom Schreibtisch aus zu empfehlen, auch neue Zelte niederzubrennen und mit Selbstmord zu drohen?

Wenn Göring-Eckardt begrüßt, dass in Moria das alte Migrationssystem „in Trümmer“ gelegt wurde, und ein neues fordert: Dieses Modell der individuellen Kostenübernahme von einzelnen Deutschen ließe sich schneller verwirklichen als eine so genannte europäische Lösung.

Wer auf diese Weise gibt, am besten schweigend, der hätte endlich einen echten Grund, sich moralisch besser zu fühlen als der Rest. Ein Argument gegen das Teilen des eigenen Vermögens fällt spätestens seit dem 11. September 2020 weg, dem Termin des Göring-Eckardt-Auftritts in Moria, nämlich die Frage, wer demnächst alles noch kommt und eine weitere Teilung fordern könnte.

Einem Videoreporter der Welt sagte sie dort auf die vorsichtige Frage nach dem Pull-Effekt, also der Magnetwirkung auf neue Migranten, wenn die jetzigen nach Deutschland überführt werden: „Alle Migrationsforschung sagt uns: Den Pull-Effekt gibt es nicht.“ Sie wiederholt es dann noch zweimal. Anzusehen ist es hier.

Es würde sich also um eine einmalige Anstrengung von Grünen-Politikern und Politikerinnen, den Kirchen und ihren Gläubigen handeln.

Das Gegenmodell zum eigenen Vorangehen ist in Matthäus 23 so gut beschrieben, als hätte ein Prophet den Text verfasst:

„Sie sagen’s wohl, und tun’s nicht. Sie binden aber schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf den Hals; aber sie selbst wollen dieselben nicht mit einem Finger regen. Alle ihre Werke aber tun sie, daß sie von den Leuten gesehen werden.“

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Kommentare ( 160 )

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Philokteta
3 Jahre her

„Irgendwie ist dieser Zusammenhang „Samariter und Mantel teilen“ aber auch verbreitet.“

Na ja, in katholischen Gebieten wird das eher weniger verwechselt.

Aber was soll man auch erwarten, wenn die St. Martins Umzüge inzwischen Laternenumzüge heißen.

Peter Kurz
3 Jahre her

Schade, dass dieser brilliante Artikel dann plötzlich in Kirchen-Bashing mündet, das man sonst nur aus linken Kreisen kennt!
Nicht die Vermögenswerte der katholischen Kirche sind zu kritisieren sondern deren Okkupierung durch linke Zeitgeisterfahrer.
Caritas und die Kirchenspitze sind fest in linken Händen, verschärft noch durch den linksnaiven Papst Franziskus aus Argentinien.
Er verdrängte den konservativen Papst Benedikt.

Denis Diderot 2018
3 Jahre her
Antworten an  Peter Kurz

Benedikt wsr kein Konservativer. Ratzinger war und ist ein brillianter Intellektueller. Seine Schriften sind scharf wie Messer. Johannes Paul II. war ein Konservativer.

Herbert
3 Jahre her

Form und Inhalt sollten möglichst übereinstimmen. Wenn ich mir das Bild von KGE anschaue, dann ist diese Übereinstimmung perfekt gegeben. Bei dem „intelligenten“ Gesichtsausdruck allemal.

Franck Royale
3 Jahre her

„Ein Kluger tut alles mit Vernunft; ein Tor aber stellt Narrheit zur Schau.„

Quelle: Altes Testament. Die Sprüche Salomos (#Spr 13,16)

„Ein Tor hat nicht Gefallen an Einsicht, sondern will kundtun, was in seinem Herzen steckt.“

Quelle: Altes Testament. Die Sprüche Salomos (#Spr 18,2)

bkkopp
3 Jahre her
Antworten an  Franck Royale

Dies scheint mir übrigens auch perfekt für Donald Trump zu passen.

HGV
3 Jahre her

Es werden immer wieder die Themen Asyl und Migration (grundsätzlich wirtschaftlich) zu einem Brei vermischt, der mittlerweile ungenießbar ist. Die Kirchen (und andere NGOs) wollen an der Migration verdienen, da es ein gutes Geschäft ist, diese Leute auf Kosten der Steuerzahler zu pampern. Es ist eine Industrie rund um die wirtschaftliche Migration entstanden, die auf Dauer den Wirtskörper tötet.

Karl Napf
3 Jahre her

Im Gegensatz zu St. Martin teilt KGE nicht ihren Mantel sondern unseren Mantel.
Sie soll teilen was sie will – wenn es ihr gehoert. Deutschland gehoert ihr nicht.

Schiffskoch
3 Jahre her

Wikipedia ist links, wäre sie neutral müsste beim Eintrag für Dummdreistigkeit ein Symbolbild von KGE stehen. Jahrelang auf Steuerzahlerkosten Theologie studiert, dann noch nicht Mal den heiligen Martin kennen. Das wirklich erschreckende aber ist: Wo sind die Mannsbilder, welche dieses Früchtchen Mal in die Schranken weisen?

Proll27
3 Jahre her
Antworten an  Schiffskoch

Dummheit, wenn sie so massenhaft auftritt wie bei den GrünInnen, ist inzwischen das neue Normal. Diese PolitkasperInnen sind das Ergebnis der deutschen Bildungskatastrophe.

TSt
3 Jahre her

..besser das angefangene Studium absolvieren, nicht so wirres Zeug in die…

Papi Langstrumpf
3 Jahre her

Wozu Bibelkenntnis????, ich denke ihre Korankenntnisse sind deutlich ausgeprägter.

Gruenauerin
3 Jahre her
Antworten an  Papi Langstrumpf

Ist zwar logisch, aber wiederum auch nicht. Ihre Korankenntnisse dürften sich auf Null befinden, sonst würde sie sich ernsthaft Sorgen darum machen, dass sie im Islam in ihr Haus verbannt werden würde. Man hat ihr aber sicherlich die Mär von der Gleichberechtigung der Geschlechter erzählt, die Mohammed im Koran niedergeschrieben haben soll. Wozu dann noch lesen?

Cethegus
3 Jahre her

KGE, das sind die Art von Leuten, die früher in kirchlichen Gruppen ihre Helfersyndrome und völlig verqueren Weltsichten ausleben konnten und selbst da hat man nur den Kopf geschüttelt, ob dieser völlig verquasten Weltfremdheit.
Heute bestimmen solche Irren die Richtung der Politik eines Hochtechnologielandes mit über 80 Millionen Einwohnern mit!

Vorwurf geht hier nicht an diese durchgeknallten **, die wissen es einfach nicht besser, sondern an die Bücklinge und Waschlappen, die solchen Leuten aus Opportunismus, falsch verstandener Höflichkeit oder einfach nur Desinteresse ermöglicht haben über mehr zu bestimmen als die örtliche Grabbelgruppe!!!!!!

TSt
3 Jahre her
Antworten an  Cethegus

solche (w)irren „Geister“ gab (und gibt) es zu allen Zeiten… zumindest das „Sitzfleisch“…