Gericht kippt Ausgangssperre in Hannover: „Nicht nachprüfbare Behauptungen“ reichen zur Rechtfertigung nicht aus!

Das Niedersächsische OVG hat die Ausgangssperre in Hannover wegen mangelnder Verhältnismäßigkeit gekippt. Die Urteilsbegründung ist wegweisend - und das Urteil auch. Denn nach dem gleichen Modell soll der "Bundeslockdown" auch funktionieren.

IMAGO / Die Videomanufaktur

In Hannover durfte man zwischen 22 und 5 Uhr morgens das Haus nur mit „triftigem Grund“ verlassen: Es galten also genau die Ausgangsbeschränkungen, die auch bundesweit von vielen gefordert werden und schon das ein oder andere mal in Beschlussvorlagen des Kanzleramtes standen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bestätigte nun die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannovers und stufte diese Ausgangssperre als rechtswidrig ein, sie verstoße gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Ausgangssperren seien die Ultima Ratio und nur dann in Betracht zu ziehen, wenn andere Maßnahmen nicht mehr greifen.

Brisant ist vor allem die weitere Urteilsbegründung. Die Region Hannover hatte vor allem damit argumentiert, dass die Ausgangssperre erforderlich sei, um Verstöße von feiernden Jugendlichen gegen die Kontaktbeschränkungen unterbinden zu können. Das wies das Gericht zurück, in einer Pressemitteilung heißt es: Die Region Hannover „habe zudem nicht ansatzweise nachvollziehbar aufgezeigt, dass und in welchem Umfang sie bisher Bemühungen unternommen habe, die behauptete unzureichende Einhaltung der Kontaktbeschränkungen durch staatliche Kontrolle und staatliches Eingreifen zu verbessern.“

Gunnar Schupelius:
Je länger der Lockdown, desto weniger Begründung
Und dann fällt der Satz: „Nicht nachprüfbare Behauptungen reichten zur Rechtfertigung einer derart einschränkenden und weitreichenden Maßnahme wie einer Ausgangssperre nicht aus. Insbesondere sei es nicht zielführend, ein diffuses Infektionsgeschehen ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären.“
Und: „Der Erlass einschneidender Maßnahmen lediglich auf Verdacht lasse sich in diesem fortgeschrittenen Stadium der Pandemie jedenfalls nicht mehr rechtfertigen.“

Maßnahmen auf Verdacht, aufgrund von „nicht nachprüfbare Behauptungen“ reichen auch in der Corona-Politik also nicht aus. Genau auf solchen Verdächtigungen und Behauptungen beruht allerdings so ziemlich die gesamte Lockdown-Politik.

Auch ganz grundsätzliche Einwände gegen die Ausgangssperre werden ins Feld geführt:  Es erscheine „nicht angemessen, alle in einem bestimmten Gebiet lebenden Personen einer Ausgangsbeschränkung zu unterwerfen, nur weil einzelne Personen und Personengruppen die geltenden allgemeinen Kontaktbeschränkungen nicht freiwillig befolgten“, vielmehr müsste man auf spezifischere Maßnahmen setzen. Auch das ist von zentraler Bedeutung: Man darf nicht die gesamte Gesellschaft für das Verhalten einzelner in Geiselhaft nehmen.

Diese Sätze sind ein Schlag für diejenigen, die im Bund jetzt einen bundeseinheitlichen Lockdown verhängen wollen, insbesondere auch mit Ausgangssperren genau dieser Form. Denn wenn man derartige Maßnahmen schon regional nicht ausreichend begründen kann, ist eine bundesweite Argumentation schlichtweg unmöglich. Niemand kann nachweisen, dass die Ausgangssperre tatsächlich in allen Kreisen der Bundesrepublik begründet ist. Erneut schiebt ein Gericht den willkürlichen und pauschalen Restriktionen der Politik einen Riegel vor und pocht auf Verhältnismäßigkeit und Präzisierung. Die Lockdown-Politik bewegt sich in einer immer finsterer werdenden Grauzone.

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Kommentare ( 79 )

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lube
3 Jahre her

Wer gibt denen das Recht uns wie Kriminelle einzusperren?
Die Regierigen brechen fortlaufend Recht und Gesetz bis hin zum Grundgesetz.
Sie müssen von 00:00 bis 23:59 eingesperrt werden.

stefan4712
3 Jahre her

Da fallen mir sofort einige Bürgerüberwachungsgesetze ein, die die Stasi Partei SPD mit der CDU/CSU genau auf dieser Grundlage beschlossen hat.
Vorratsdatenspeicherung, Kennzeichenscanner, Metadatenspeicherung usw. !! Und genau wie in der Pandemie ist die Begründung, alles nur zur meiner Sicherheit !! Aber irgendwie wird die Mehrzahl der Bürger nicht wach und läßt sich weiter durch ARD/ZDF mit deren Angstmeldungen einschüchtern.

pbmuenchen
3 Jahre her

Wer aufgrund nicht nachprüfbarer Behauptungen Gesetze oder Verordnungen erlässt oder ändert, gehört entsprechend bestraft. Alleine der Umstand, dass sich jemand anmaßt, uns einzusperren, zu separiereren, die Arbeit zu untersagen, um uns vor uns selbst zu schützen, spottet jeder Beschreibung.

Ulrich
3 Jahre her

„Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Das war gestern (1936) und auch nur in einem Gedicht. Heute allerdings bittere Wahrheit: „Stell dir vor, es gibt ein Gerichtsurteil und es wird von den Betroffenen nicht registriert.“ Da gibt es Urteile zu konkreten Einzelfällen, aber die dürfen auch nur dort angewandt werden. Und selbst das darf bezweifelt werden. Mit dem xten Zusatz zum Infektionsschutzgesetz dürfen dann wahrscheinlich selbst Klagen in dieser Richtung nicht mehr angenommen werden. Hat sich nach dem Urteil des Wiener Verwaltungsgerichtshofs zur Aussagekraft des PCR-Tests irgendetwas geändert? Die Corona-Karawane zieht weiter, als wäre nichts geschehen.

Manfred_Hbg
3 Jahre her

Zitat: „Erneut schiebt ein Gericht den willkürlichen und pauschalen Restriktionen der Politik einen Riegel vor und pocht auf (…..) Präzisierung.“

> Mhh, wie bitte kann und soll man von politischen Versagern, unstudierten-/gelerntten Nullen und Nixnutzen so etwas wie „Präzisierung“ erwarten oder einfordern können?

Albert Pflueger
3 Jahre her

Viel allgemeiner gefasst muß man fragen, warum überhaupt davon ausgegangen werden kann, daß gegen Menschen, die gesund sind, irgendwelche Maßnahmen zur Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit, und dazu gehört auch das Tragen von Masken und das Verbot, ein Restaurant oder ein Kino zu besuchen, zulässig sein sollten? Vom Grundgesetz ist das nicht gedeckt!

Juergen P. Schneider
3 Jahre her

Die Gerichte sind tatsächlich die letzte Hoffnung in diesem Land der Panikmache und Hysterie. Bin gespannt was die Alternativlose jetzt wieder aus dem Zylinder zaubert, um ihren irren Kurs fortzusetzen.

Georg J
3 Jahre her

Es gibt noch demokratisch und rechtsstaatlich urteilende Richter. Die halten der Politik den Spiegel ins Gesicht. Gut so!

Oblongfitzoblong
3 Jahre her

Wenn wir in Deutschland uns nicht von der Interpretation der mit einem PCR-TEST positiv Getesteten als Infizierte, also Kranke, also quasi schon auf dem Totenbett liegende Menschen trennen, können wir reden, klagen, demonstrieren, lamentieren soviel wir wollen. Es wird sich nichts ändern! Das Urteil aus Wien hat doch gezeigt, wie es geht. Wien ist nicht auf einem anderen Planeten.

PiSquare
3 Jahre her
Antworten an  Oblongfitzoblong

Ich glaube, die Frage hier ist, ob ein asymptomatisch infizierter die Viren weitergeben kann. Zwar ist klar,dass ein PCR Test eine Fehlerquote aufweist und dass er die Virenlast erst bei der Analyse potenziert und so auch geringste Mengen Virusmaterial feststellen kann, die, für sich genommen, nichtmal zu Krankheitssymptomen führen müssen. Nur diese beim Infizierten geringe Virenlast vermehrt sich nicht nur in der Laboranalyse, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch beim Infizierten. Sie kann also, im Laufe der Zeit, sowohl beim getesteten als auch bei von ihm infizierten zu Krankheitssymptomen führen, die beim Testen noch nicht evident waren. Würden wir uns… Mehr

Friedensreich
3 Jahre her
Antworten an  PiSquare

Was wollen Sie uns denn mit dem Kommentar sagen ? Das ist verkappte Regierungspropaganda.

Schroeder
3 Jahre her
Antworten an  PiSquare

Erst mal richtig, aber nicht so wichtig.
. . . kann aber (Virenlast), auch zur Immunisierung führen. Was ja für den Einzelnen, der nicht den ganzen Tag seine verbrauchte Luft wieder einatmet und sich im freien bewegt, nur von Vorteil wäre/ist.

Albert Pflueger
3 Jahre her
Antworten an  PiSquare

Ihre Argumentation wäre richtig, wenn jeder Kontakt mit einem vollständigen, funktionsfähigen Virus mit Sicherheit zu dessen massenhafter Replikation im menschlichen Körper führen würde, was eine Erkrankung auslösen würde. Weder ist das der Fall, weil wir ja ein Immunsystem haben, noch ermöglicht der PCR-Test eine Aussage darüber, ob das detektierte Virusmaterial von vollständigen, funktionsfähigen Viren stammt. Aus diesem Grund erkranken nur die allerwenigsten positiv getesteten. Und genau aus diesem Grund hat der Testerfinder erklärt, daß der PCR-Test zur Diagnose ungeeignet ist. Es ist ein logischer Fehlschluß: Wenn bei allen, die an Covid19 erkrankt sind, ein PCR-Test das Virus nachweisen kann, folgt… Mehr

merlin999
3 Jahre her

Wer glaubt das es die in Berlin nur im geringsten Juckt, was welches Gericht gegen sie entscheidet, der ist ein Torr. Die machen sich höchstens Gedanken, wie sie das Volk noch mehr darangsalieren können. Erziehung oder Umerziehung ist ihr Motto, egal auf welche Art und Weise.