FDP zittert um den Verbleib im Landtag von Niedersachsen

Niedersachsen wählt. Die Prognosen sehen einen Sieg für Rot-Grün voraus. Vor allem für die FDP wird die Wahl zum Test. Den Liberalen geht es wieder wie zur Zeit der Koalition mit der CDU: Sie sind auf Leihstimmen angewiesen.

IMAGO / Die Videomanufaktur
Christian Lindner gemeinsam mit dem Spitzenkandidaten der FDP in Niedersachsen Dr. Stefan Birkner in Braunschweig zu Gast.

Drei Landtage standen zur Wahl, seit sich Christian Lindner entschieden hat, im Bund wieder zu regieren. Dreimal haben die Wähler dem Chef der Liberalen signalisiert, dass er schlecht in Berlin regiert. Zumindest eine Hilfe war er für seine lokalen Parteifreunde nicht. Nun also Niedersachsen. 2017 holte die FDP dort 7,5 Prozent, jetzt stehen die Liberalen in Umfragen bei 5 Prozent. Da sie zwischen Göttingen und Meppen in der Opposition sind, kann der Rückgang kaum an der schlechten Arbeit vor Ort liegen.

Für liberale Stammwähler ist Lindners Bilanz verheerend: Der Staat greift immer öfters in die Privatwirtschaft ein. PR-Begriffe wie „Sondervermögen“ oder „Schutzschirm“ sollen kaschieren, dass sich die Liberalen auf eine ungeheure Staatsverschuldung eingelassen haben. Und aus dem Versprechen von Jusitzminister Marco Buschmann, aus den Corona-Maßnahmen auszusteigen, wurden „die strengsten Regeln“ in Europa. Wer als Wähler persönliche Freiheit bestellt hat, hat von der FDP Staat, Staat und nochmal Staat geliefert bekommen.

Um ein Drittel liegt die FDP in den Umfragen schwächer als bei ihrem Ergebnis von 2017 in Niedersachsen. Ein Rauswurf aus dem Landtag wäre eine Katastrophe für Lindner. Zumal nächstes Jahr mit Bremen und Bayern zwei Landtagswahlen anstehen, bei denen für die FDP traditionell auch nicht viel zu holen ist. Einer von drei Koalitionspartnern im Bund wäre also im Dauerkrisenmodus, wenn das am Sonntag schief geht. Und das vor einem Winter, in dem sich die Industrienation Deutschland sorgen muss, ob sie genug Strom hat. Genug Wärme. Und ob ihre Wirtschaft auch 2023 noch Weltrang hat.

Entsprechend springt das rot-grüne Lager jetzt der FDP bei. Auch dessen wohlgesinnte Medien. Mit teils bizarren Blüten: Der Spiegel featuret Marie-Agnes Strack-Zimmermann, wie sie durch die Ukraine reist. Inklusive Videos, wie die Bundestagsabgeordnete aus einem Zug steigt. Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein langweiliger Schritt für die Menschheit. Noch lustiger: Marco Buschmann. Die Bild inszeniert den Mann als harten Hund, der sich in der Corona-Frage von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an der Leine hat führen lassen. So werde er die Pipeline-Saboteure jagen, kündigt Buschmann in der Bild an und zeigt dabei einen bestellt aggressiven Gesichtsausdruck. Der Justizminister wirkt dabei so deplatziert wie es Chuck Norris im Tutu als Tänzer in Schwanensee tun würde. Und dann natürlich noch Lindner, der derzeit verzweifelt überall alles verspricht, was er bisher nicht gehalten hat.

Die FDP ist an dem gleichen Punkt angelangt wie 1995. Sie hat sich ihrem Koalitionspartner – damals die CDU – so sehr ergeben, dass sie nun ohne dessen Hilfe nicht mehr lebensfähig ist. Es fragt sich, was für liberale Wähler entmutigender ist: wie wenig die FDP unter Lindner an Liberalem geliefert hat. Oder wie sehr sie sich selbst zum abhängigen Anhängsel von Rot-Grün gemacht hat. Wenigstens fünf Prozent müssen es am Sonntag sein, um die gleiche Rechtfertigungsmaschine anwerfen zu können, die Staatsschulden „Sondervermögen“ nennen. Um über den verheerenden Zustand der FDP hinweg zu täuschen.

Die CDU profitiert – zumindest laut den Prognosen – nicht von den Verwerfungen der Ampel. Sie fällt demnach auf 27 Prozent zurück, da sie vor fünf Jahren noch 33 Prozent geholt hat und seitdem mit der SPD eine Große Koalition bildet. Das führt zu Beißhemmungen im Wahlkampf. Dazu kommt mit Bernd Althusmann ein Spitzenkandidat, der es in den fünf Jahren nach seiner ersten Niederlage nicht geschafft hat, sein Profil zu schärfen – und im Bund ein CDU-Chef Friedrich Merz, der die Grünen eher umwirbt, als sie für die Fehler in der Ampel verantwortlich zu machen.

So werden die Grünen denn am Sonntag zum Wahlsieger werden. Der Sieg wird nicht so deutlich ausfallen, wie es vielleicht noch vor einem halben Jahr gewesen wäre. Aber da die Partei beim letzten Mal nur 9 Prozent einfuhr, dürfte sie mit einem Zuwachs rechnen. Stephan Weils SPD wird ein paar Prozentpunkte verlieren, aber im Amt bleiben. So ist am Sonntag mit einem Szenario zu rechnen, das sich alle schönreden und es wird auch für alle einen Ansatz geben, der ihnen das ermöglicht. Spannend für den nichtparteipolitischen Beobachter ist dann noch die Wahlbeteiligung. Die ging zuletzt rasant runter. Tut sie das in Niedersachsen auch, wird das ebenfalls ein Thema sein. Wenn auch keines, das während des Wahlabends diskutiert wird.

TE wird am Sonntag ausführlich über den Wahlabend berichten.

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Kommentare ( 79 )

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JuergenR
1 Jahr her

Auch wenn es sich nur um die Landtagswahlen handelt, aber die FDP mit einem Lügner Marco Buschmann zum Ende aller Corona-Maßnahmen braucht niemand!

Rasparis
1 Jahr her

Eine der beiden Vorgängerparteien der „F.D.P.“ war bekanntlich die „DDP“ der Weimarer Epoche (ab 1931 nach stetigem Niedergang in „DStP“ -„Deutsche Staatspartei“- umbenannt).
Zur DDP liest man in der notorischen Netzenzyklopädie folgendes:
„Keine andere Partei konnte in diesem Maße Beamte zur Verfügung stellen“.
Wie man sieht, ist sich die „F.D.P.“ über ein Jahrhundert hinweg treu geblieben.
Einen liberalen Impetus sollte man allerdings von einer solchen Partei nicht erwarten.

Christa Wallau
1 Jahr her

Man wird ja mal träumen dürfen…
Ich stelle mir vor, daß die FDP nicht über die 5%-Hürde kommt und die AfD tatsächlich zweistellig wird. 15% müßten eigentlich drin sein! Das wäre ein gewaltiger Fortschritt und ein Zeichen dafür, daß endlich m e h r deutsche Bürger begriffen haben, welch elendes Spiel mit ihnen getrieben wird.
Vielleicht wird mein Traum ja wahr, und wenn nicht, dann holt mich eben die Realität wieder ein.. Als Realist, der ich normalerweise bin, kann ich damit leben.

LF
1 Jahr her

Vor vielen Jahren hat sich die FDP als Interessenvertreter des Mittelstands, der kleinen Unternehmerbetriebe dargestellt.
Heute sind es Wasserträger der Grünen.
Daher hoffe ich, wie schon einmal passiert, dass Sie rausfliegen. Diese Partei biedert sich denen an, die ihr helfen, Macht zu bekommen. Für die Bürger ist diese Partei weit weg.

Gabriele Kremmel
1 Jahr her
Antworten an  LF

So ist es. Eine glaubwürdige FDP hätte niemals Lockdowns mitgetragen und Geschäftsschließungen widerstandslos geduldet.

Dieterfc
1 Jahr her

Das sehe ich genauso, zumal ich bis vor 6 Monaten noch Mitglied dieser Partei war !

Babylon
1 Jahr her

Man kann bei der FDP auch nach intensivem Suchen nichts Liberales mehr finden. Warum sollen Menschen, die persönliche Freiheit nach wie vor schätzen und einen schlanken Staat, der ich auf seine Kernaufgaben beschränkt bevorzugen anstelle eines Etatismus von Parteien, die sich den Staat zur Beute gemacht haben, diese Partei wählen? Wegen einer Bellizistin Strack-Zimmermann, die Kriegstourismus betreibt? Sie ist überflüssig und kann in der unter fünf Prozent Versenkung verschwinden.

Last edited 1 Jahr her by Babylon
Rasparis
1 Jahr her
Antworten an  Babylon

Die schwer verhaltensauffällige, gelernte Verlagsreisende Strack-Zimmermann -in militärischen Dingen kerninkompetent, was allerdings typisch ist für sog.Transatlantiker mit dünnem Hintergrund- wäre idealerweise einmal selbst in die HKL zu schicken, eingedenk ihrer Abkömmlinge (wenn die denn welche haben sollte).

Andreas aus E.
1 Jahr her

FDP und SED bleiben – meine Prognose, außen vor, AfD wird einen Achtungserfolg erzielen und weiter Zuschauerbank hüten, Union und Sozen wie erwartbar. Wahlsieger wird wie immer der Wahlblock „Grüne“+Nichtwähler sein. Anhänger der „Grünen“ gehen immer wählen (oder haben längst per Brief abgestimmt), die Nichtwähler sind Deppen, die das mehr oder minder mittragen. Für mich 8ist jeder Nichtwähler ein „Grün“wähler, wobei ich für die Aktiven der Politsekte fast noch etwas Achtung habe, die haben über ihren Schwachsinn wenigstens mal nachgedacht bzw. wurden aktiv (und sei es nur der Schlurf zur Urne), während der Nichtwähler ja bloß dumm herumsitzen muß und… Mehr

SB
1 Jahr her

Eigentlich müßig, sich mit Gewinnen und Verlusten einzelner Blockflöten zu befassen, solange die absolute Stimmenmehrheit ja ohnehin „in der Familie“ bleibt. Und was der Block nicht richtet, besorgen Lobbyverbände und NGOs am Parlament vorbei. Ohne direkte Demokratie in Form von Volksentscheiden und kommunaler Selbstverwaltung wird der Spuk kein Ende nehmen.

Homer J. Simpson
1 Jahr her

Ich wage jetzt auch mal eine grundsätzliche Wahlprognose: Es wird sich an der Konstellation nicht ändern! Der dumme Michel wird wieder so wählen, wie er immer wählt, denn die noch drückt er den Lichtschalter und das Licht geht an, er kann noch heizen und warm duschen und er kann noch in geöffneten Supermärkten einkaufen oder an Tankstellen tanken und Internet/Smartphone/Entertainment klappt auch unterbrechungsfrei. Also warum endlich den Knoten lösen und endlich die AfD zu legitimieren? Nein, es bleibt beim Block! Bis zum bitteren Ende! Also, immer weiter auf den Abgrund zu!

santacroce
1 Jahr her

Ein gefährliches Spiel für Lindner. Wer so wenig Stammwähler hat, darf nicht so schlecht regieren. Sonst droht die Opposition! Im Fall von Niedersachen, die APO – die außerparlamentarische Opposition. Oder auch politische Insolvenz.
Apropos Insolvenz, damit hat Lindner Erfahrung. Das kann er in einer stillen Stunde dem Robert mal erklären…