EU will Barzahlungen über 10.000 Euro verbieten

Brüssel will eine EU-weite Bargeldobergrenze von 10.000 Euro einführen – und spielt bereits mit dem Gedanken weiterer Bargeldverbote. Das Argument der Verbrechensbekämpfung ist zweifelhaft.

© Getty Images

Innerhalb der EU sollen Käufer Beträge über 10.000 Euro nicht mehr bar begleichen dürfen. Bislang ist das in Deutschland bei Vorlage des Ausweises erlaubt. Die EU rechtfertigt die Pläne mit dem Kampf gegen Geldwäsche, wie aus einer Mitteilung vom Dienstag hervorgeht. In dem Entwurf der entsprechenden EU-Verordnung erwägt Brüssel sogar eine „weitere Senkung der Grenze für große Barzahlungen“. In Artikel 63 heißt es, drei Jahre nach Geltungsbeginn der Bargeldobergrenze werde die EU-Kommission einen Bericht vorlegen, der die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer weiteren Senkung bewerte.

Angesichts dessen befürchtet Thierry Lebeaux, dass die 10.000-Euro-Grenze erst der Anfang ist. „Das ist typisch für die EU: 10.000 Euro tun dem Bürger nicht sehr weh, weil nur wenige so große Summen bar begleichen. Aber es geht darum, die Bargeldobergrenze in das EU-Recht einzuführen, um sie später leichter senken zu können“, sagt der Generalsekretär des europäischen Bargeldverbands Esta im Gespräch mit TE.

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Die EU verteidigt die Bargeldobergrenze als nötig, um Geldwäsche zu verhindern. „Hohe Barzahlungen lassen sich nur schwer aufdecken und stellen für Straftäter somit eine gute Gelegenheit zur Geldwäsche dar“, heißt es in der Mitteilung. Das EU-weite Verbot sei hoch genug, um den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel nicht infrage zu stellen und erkenne „die wichtige Rolle des Bargelds“ an.

Thierry Lebeaux überzeugt die Begründung der EU nicht. „Die Kriminellen, die noch immer Bargeld zur Geldwäsche verwenden, haben das 21. Jahrhundert und die enormen Möglichkeiten, die Fintechs bieten, um Geld schnell, sicher und praktisch kostenlos um die Welt zu bewegen, noch nicht ganz verstanden“, sagt er. Das alte Klischee vom kriminellen Grenzübertritt mit Koffern voller Geldscheine sei zwar nett, aber heutzutage völlig unzutreffend. Der Transport von Bargeld sei für Kriminelle teuer, zeitraubend und risikoreich.

Der Volkswirt Friedrich Schneider sagt, es gebe „keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass Bargeld die Ursache für Kriminalität ist“. Ein Krimineller werde auch in einer bargeldlosen Welt Wege finden, Straftaten zu begehen. Geld könnte man auch mit Kryptowährungen oder mit Scheinfirmen waschen, die Rechnungen für fingierte Exporte und Importe ausstellten, erklärt der emeritierte Professor der Universität Linz, der als ausgewiesener Experte für Schattenwirtschaft und Organisierte Kriminalität gilt. „Eine Bargeldobergrenze ist leicht zu umgehen, etwa durch Aufstückeln von Beträgen.“

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Auch Lebeaux findet, dass eine Obergrenze keine Verbrechen verhindert. Zudem würde das Verbot nur für Unternehmen gelten und nicht für natürliche Personen – Verbrecher und Terroristen seien aber selten in Unternehmen integriert. „Sie handeln als Einzelpersonen, sodass sie von den Regeln nicht betroffen sind“, sagt der Vertreter des Bargeldverbands. Viele Käufe seien für Terroristen ohnehin illegal, etwa von Waffen und Sprengstoffen.

Statistiken legen nahe, dass Bargeld beim Geldwaschen bloß eine Nebenrolle spielt. Laut dem Zoll stecken Kriminelle illegal erworbenes Bargeld vor allem in hochwertige Güter, etwa Kunstgegenstände, Antiquitäten oder Luxusgüter. Der Jahresbericht 2019 der Financial Intelligence Unit (FIU) gibt aber auch zu, dass der Zoll in dem Jahr „lediglich“ 40 Verdachtsmeldungen erhielt, die eindeutig dem Kunstsektor zugerechnet werden konnten. Im Jahresbericht 2016 berichtete die FIU von Sicherstellungen bei verfahrensunabhängigen Finanzermittlungen in Höhe von über 69 Millionen Euro. Nur ein Bruchteil davon – nämlich rund 3,5 Millionen Euro – war Bargeld. Den Löwenanteil machten „Forderungen und Rechte“ aus. Bei verfahrensunabhängigen Finanzermittlungen resultieren die Sicherstellungsmaßnahmen direkt oder indirekt aus Erkenntnissen, die die Strafverfolgungsbehörden nach dem Geldwäschegesetz erlangt haben, heißt es in dem Bericht.

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Lebeaux verweist auf einen Bericht der EU-Kommission, laut dem nur 0,5 Prozent des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs illegal sei. Reisende müssen Beträge ab 10.000 Euro bei Grenzübertritt deklarieren. EU-weit würden 60 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr angemeldet, aber nur 300 Millionen seien im Schnitt falsch oder gar nicht deklariert, heißt es in dem Bericht aus dem Jahr 2017. „Das sind peanuts. Bei den Panama und Paradise Papers ging es um Hunderte von Milliarden und einer der Vorwürfe lautete auch Geldwäsche – Bargeld war aber nicht im Spiel“, sagt Lebeaux.

Weil Reisende ohnehin Barsummen über 10.000 Euro bei Grenzübertritt deklarieren müssen, bringe die Obergrenze „nichts Neues“ in das bestehende Regelwerk ein – außer, dass sie Barzahlungen in Ländern verbiete, die keine Höchstgrenzen hätten.

Lebeaux sieht darin eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips – also dass die EU nur eingreifen soll, wenn Mitgliedsstaaten Aufgaben nicht alleine lösen können: „Da die Begründung des Gesamtpakets die Notwendigkeit einer transnationalen Zusammenarbeit ist, kann man sich fragen, ob eine Bestimmung, die nur auf nationaler Ebene wirkt, ein relevantes Instrument für eine EU-Verordnung ist.“

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Auch der Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann kritisierte kürzlich eine mögliche Bargeldobergrenze. Es sei fraglich, ob ein Verbot von Barzahlungen über 10.000 Euro das geeignetste Mittel gegen Geldwäsche sei, „oder ob man damit nicht vor allem auch den ehrlichen Bürger trifft“. Er störe sich an einer Obergrenze „als solcher“. Der Eindruck könne bei Bürgern erweckt werden, „dass Bargeld quasi anrüchig ist“. Es gebe „keinen wissenschaftlich fundierten Beleg, dass mit Barzahlungsobergrenzen das Ziel erreicht wird, Geldwäsche zu bekämpfen“. Daher halte er eine Barzahlungsobergrenze für „verfehlt“, sagte das Vorstandsmitglied der Bundesbank, das für Bargeld zuständig ist.

Laut dem Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland gibt es in 12 EU-Staaten eine Höchstgrenze für Barzahlungen. In Italien liegt sie bei 2999,99 Euro, in Frankreich bei 1000 Euro für dort ansässige Steuerzahler und in Griechenland bei 500 Euro, Autokäufe ausgenommen.

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Kommentare ( 35 )

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Dirk Bender
2 Jahre her

Der Staat möchte die vollkommene Kontrolle über das Eigentum der Bürger – Immobilienbesitz, Konten, Bargeld (am besten zukünftig nur noch elektronisch und nicht mehr in Papierform) und Edelmetallbesitz. Nur so lässt sich sicherstellen, dass bei sinkenden Steuereinnahmen in einer (Wirtschafts)-Krise und stetig steigenden Soziallasten von denen „genommen“ werden kann, die noch etwas haben. Die Einführung einer EU weiten Bargeldobergrenze von 10.000 Euro sit ein weiterer Schritt hin zur Bargeldabschaffung. Bargeldabschaffung hat viele Vorteile: Ein Bankenrun wäre so unmöglich. Wenn es kein echtes Geld mehr gibt, kann ich auch kein echtes Geld mehr von der Bank abholen. Man hat dann auch… Mehr

Dieter
2 Jahre her

Es geht nur darum, das Bargeld durch überwachbares Ersatzgeld zu ersetzen. Spätestens wenn der Digitale Euro für alle vorgeschrieben ist, gibt es eine Totalüberwachung jedes Einzelnen.
Der nächste Schritt ist dann das von Frau Karlischek bis 2030 geforderte „Social Scoring“.
Die ersten Punkte gibt es für den digitalen Impfnachweis in der Wallet.
danach geht es dann da lang:
https://www.modernatx.com/mrna-technology/mrna-platform-enabling-drug-discovery-development
https://www.digitale-exzellenz.de/zukunft-gen-festplatten-dna-als-speichermedium/
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/507640/Klaus-Schwab-Great-Reset-wird-zur-Verschmelzung-unserer-physischen-digitalen-und-biologischen-Identitaet-fuehren

Last edited 2 Jahre her by Dieter
Tibs50
2 Jahre her

Diese Regelung ist so überflüssig wie die Zitzen eines Mannes (auch die hochgehypte Diverse werden damit auch nie säugen können).
Wenn ein Kriminelle wegen dieses Gesetzes nicht innerhalb von 2 Tagen neue Wege findet sein Geld zu Waschen, dann hat er jegliche Daseinsberechtigung verloren. Er wird ihn also finden. Schwer ist das ja nicht.

K. Sander
2 Jahre her

„Weil Reisende ohnehin Barsummen über 10.000 Euro bei Grenzübertritt deklarieren müssen, bringe die Obergrenze „nichts Neues“…….“ Da hilft etwas wie der Tipp aus DDR-Zeiten. Wir waren Ender der 1970er Jahre jedes Jahr in Polen und der CSSR im Urlaub. Da waren die Bargeldobergrenzen auch festgelegt (wenn ich mich richtig erinnere, waren es 500 Mark). Wir sind damals mit dem Auto dorthin gefahren. Durch die Fahrkosten war das teurer als der Grenzwert. Wir hätten so dort nicht drei Wochen bleiben können. Als wir das erste mal in der CSSR waren hat uns ein Vater wegen der Kontrolle durch den Zoll einen… Mehr

K. Sander
2 Jahre her

Bargeldabschaffung funktioniert nicht. Es gab schon mehrfach Stromausfälle in ganzen Orten. Damit funktionierten Festnetz, Internet und auch Mobilfunknetze nicht mehr. Das gab es vor etwa 2 Jahren auch in einem Ortsteil von Berlin. Einkaufen ging nicht mehr und man musste weit weg fahren. In den vergangenen Jahren ist es auch viermal passiert, dass mein Konto gesperrt wurde, weil angeblich die TAN falsch war. Bei der Postbank geht das über das optische Verfahren. Man hält den TAN-Generator vor den Monitor und der liest die TAN ein. Weil ganz kurze Interneteinbrüchen waren die Nummern immer wieder falsch und das Konto wurde gesperrt.… Mehr

Klaus D
2 Jahre her

EU will Barzahlungen über 10.000 Euro verbieten…..find ich gut!

Mausi
2 Jahre her

Regeln wie Subsidiarität? Lt. Vosgerau gelten Regeln, bis „man“ sich auf etwas anderes einigt, praktische französische Auffassung. Es ist so sinnlos, von der EU oder den Regierungen in D und seinen Landen das Einhalten von Regeln zu fordern. Inzwischen wirft sogar das Bundesverfassungsgericht die Regeln über Bord.

Regeln sind nur für das Fussvolk da.

Ingolf
2 Jahre her

Menschen mit fragwürdigem Hintergrund (bzgl. öffentlicher Gelder) und ohne jegliche demokratische Legitimation wollen Millionen unbescholtenen Menschen vorschreiben, wie man Vergehen bzgl. Finanzen verhindern kann.
Für mich ist das vergleichbar mit „den Bock zum Gärtner machen“.

Mausi
2 Jahre her

Es ist so aussichtslos einzufordern, dass die EU oder Regierungen in D bzw. seinen Landen Regeln zum Schutz der Bürger vor Staatsmacht einhält. Es ist niemand da, der diese Forderungen wirksam unterstützt. Inzwischen hält sich selbst das Verfassungsgericht nicht mehr an Regeln.

GUMBACH
2 Jahre her

Sie glauben doch nicht wirklich diese offensichtliche Lüge?