Die Bürokratie wächst in Deutschland – und schafft seltsame Bündnisse

Die Bürokratie wächst in Deutschland, statt wie versprochen zu schrumpfen. Die dazugehörigen Zahlen hat ein bemerkenswertes Bündnis verbreitet – und damit eine offene Frage beantwortet.

picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow
Symbolbild

Das Bündnis Sahra Wagenknecht. Gibt es das noch? Eine Frage, die sich zumindest den Bewohnern der Bundesländer stellt, in denen die Partei von Oskar Lafontaine seiner Frau nicht im Landtag sitzt. Trotz einer glänzenden Ausgangslage hatte das BSW im Februar den Einzug in den Bundestag verpasst. Auch weil es in den Landtagen, in denen es vertreten ist, der „Brandmauer“ huldigt, gegen deren Existenz es Wagenknecht vor gut anderthalb Jahren vermeintlich gegründet hat.

In einem seltsamen Bündnis ist dem Bündnis nun eine Schlagzeile geschenkt worden: „Die Bürokratie für Unternehmen erreicht ein Rekordniveau, ist so schlimm wie noch nie!“ Veröffentlicht hat das die Bild. Der Springer-Verlag promotet also die Amerika-Kritikerin und ehemalige Chefin der Kommunistischen Plattform in der PDS. Besagte Kommunistische Plattformerin inszeniert sich als Schutzpatronin der deutschen Wirtschaft. Und wenn jetzt Friedrich Merz (CDU) noch ein Versprechen einhält, muss das Raum-Zeit-Kontinuum ein für alle Mal zerstört sein.

Die dazugehörigen Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt, das eine Sonderauswertung für die Wagenknechts vorgenommen habe. Demnach ist die Zahl der Informationspflichten der Unternehmen in den letzten sechs Jahren von 11.400 auf 12.300 Pflichten gestiegen. Das habe die Bürokratiekosten von 50 auf 64 Milliarden Euro im Jahr ansteigen lassen.

Die Union war im Wahlkampf ein fleißiger Anzeigenkunde der Bild. Der Springer-Verlag kämpft für diese Regierung, etwa im Bündnis „Made for Germany“, das versprochen hat, eine dreistellige Milliarden-Summe an Investitionen für das Land klarmachen zu wollen. Die Bild versucht sogar Merz’ Staatsmodernisierungsminister Karsten „Wer bitte?“ Wildberger (CDU) als harten Hund der Regierung zu inszenieren. Wie passt da jetzt der gemeinsame Angriff mit der Kommunistischen Plattformerin auf die deutsche Bürokratielast?

Nun. Mit der Bild zusammenzuarbeiten entspricht der Strategie des Bündnis Sahra Wagenknecht: Einerseits bleibt die Plattformerin Teil des Bündnisses zum Erhalt der „Brandmauer“, andererseits tut Wagenknecht so, als ob sie gegen besagte Mauer sei. Wenn sie mit der Bild zusammenarbeitet, simuliert sie die Zusammenarbeit mit einem simuliert konservativen Medium – anderthalb Jahre BSW waren ohnehin im Wesentlichen Simulation.

Und die Bild? Verfolgt ebenfalls eine Doppelstrategie. Sie tut so, als ob sie eine Hüterin der freien Marktwirtschaft sei. Wenn Wagenknecht das kann, dann kann die Bild das auch. Außerdem kann die Zeitung das Ergebnis im Sinne ihres Anzeigenkunden steuern: Unter Friedrich Merz ist der bürokratische Aufwand – entgegen seiner Versprechen – gestiegen. Doch die Bild steht zu ihrem Anzeigenkunden und lässt Wagenknecht die Schuld dafür der Ampel zuschieben.

Und die Bild endet den kessen Text mit einer versöhnlichen Note: „Es bleibt noch viel zu tun für die Regierung Merz und für Deutschlands neuen Minister für Entbürokratisierung und Staatsmodernisierung, Karsten Wildberger (CDU).“ Denn die Wagenknecht-Partei hält sich der Springer-Verlag warm, weil Oskar Lafontaine immer mal für eine Geschichte gut ist. Doch die nächste Harte-Hund-Inszenierung um Wildberger dürfte bereits in Arbeit sein – das Raum-Zeit-Kontinuum ist gerettet.

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Kommentare ( 19 )

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Der Ketzer
2 Monate her

Solange man an die EU-Richtlinien nicht herangeht, wird eine Entbürokratisierung scheitern.

humerd
2 Monate her

Nicht nur der Beamtenstaat lässt die Bürokratie anschwellen, es ist vor allen Dingen auch die Subventionspolitik, meist werden Subventionen als „Förderungen“, „Unterstützungen“, „Hilfen“ etc. bezeichnet.
Wer sich vom Staat, also den Steuerzahlern teilweise finanzieren lässt, der muss dann halt Berichtspflichten erfüllen.

GefanzerterAloholiker
2 Monate her

Der öffentliche Dienst verdeckt die wirkliche Arbeitslosigkeit und Perspektivenlosigkeit von Millionen Angestellten im öffentlichen Dienst.
Gebracuht wird nur ein Drittel des öffentlichen Dienstes und das ist üppig.

Nibelung
2 Monate her

Die Bürokratie war schon immer seit Preußens Zeiten unsere Zierde und unterscheidet sich nur in der Anzahl zu früher, was heute schon so inflationär ist, daß es kein Mensch mehr versteht und sich der entsprechenden Dienstleister bedienen muß, um aus dem Dschungel der Vorschriften überhaupt heraus zu finden und das ist das Spezialgebiet aller Juristen, die haufenweise im Parlament und in den Verwaltungen sitzen und von berufswegen nicht viel anderes können, als sich über neue Anordnungen Gehör und die passende Legitimation zu verschaffen. Das führt anstelle von Ordnung zu einer überbordenden Lähmung des gesamten Gefüges und belegt die Einfalt, anstelle… Mehr

Haba Orwell
2 Monate her

> Wenn sie mit der Bild zusammenarbeitet, simuliert sie die Zusammenarbeit mit einem simuliert konservativen Medium – anderthalb Jahre BSW waren ohnehin im Wesentlichen Simulation. Westeuropa zerfällt real, da hilft das gesamte Simulieren der Welt nicht. In der „Bildzeitung“ wird die Lage vermutlich massiv beschönigt? https://tkp.at/2025/09/10/der-zerfall-von-europa-nimmt-fahrt-auf/ > „… In Deutschland ergab sich die statische Unwahrscheinlichkeit des plötzlichen Todes von mittlerweile sieben Kandidaten der AfD für die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Dagegen verblassen das dritte Jahr mit Rezession, zunehmender Zahl von Insolvenzen und dem Wegzug von großen betrieben in Länder mit günstigen Energiepreisen. … Die EU befindet sich im Zustand des Zerfalls.… Mehr

Hieronymus Bosch
2 Monate her

Die Bild-Zeitung ist und bleibt ein Schmierblatt! Das war sie schon immer!

A-Tom
2 Monate her

Was hat den Döpfners Legastheniker-Postille mit „Made in Germany“ zu tun?
Oder ist das ein Hinweis, dass bei Springer der Wurm drin ist?

Last edited 2 Monate her by A-Tom
Guzzi_Cali_2
2 Monate her

Ein mir flüchtig Bekannter wollte seinen Carport ERWEITERN. Nach Rücksprache mit ein paar Leuten, die einschlägige Erfahrungen mit dem lokalen Bauamt hatten (das wegen kleinster Geschichten ein Riesenfaß aufmacht), erhielt er den Rat, ja keine schlafenden Hunde zu wecken und einfach gaaaanz langsam anzufangen, zwischenrein Pausen einzulegen und dann in Tippelschritten weiterzubauen. So wurde das dann auch gemacht. Jetzt steht das Teil seit 5 Jahren, kein Hahn hat danach gekräht, ist schöner als der alte Carport, stabil wie sonstwas – kein Ärger, kein Streß. Falls je einer kommt, ist die Strafe für die Nachgenehmigung schon einkalkuliert.

Judith Panther
2 Monate her

Das BSW und mit ihm die Zugstute Wagenknecht verschwinden,
weil es „… in den Landtagen, in denen es vertreten ist, der „Brandmauer“ huldigt, gegen deren Existenz Wagenknecht es vor gut anderthalb Jahren vermeintlich gegründet hat.“
Jetzt wird das unbelehrbare Stalingroupie und Original-SED-Gewächs
selber zum Maueropfer: Zum BRANDMAUEROPFER!! 🤣🤣🤣

BK
2 Monate her

In der Bild muss die Wagenknecht schon noch mal ein paar Gastbeiträge schreiben. Schließlich ist diese Zeitung (?) sowas wie das Handelsblatt für Rentner und die Sahra wird auch bald 60, also genau das richtige Format, um die „Ommas gegen rächts“ auf Parteilinie zu bringen. Dass die bei der SPD auf der Payroll stehen, macht ja nichts und ist eine gern genommene Quersubventionierung, der wahren, antikapitalistischen Plattform. Denn eins hat die Bündnisfrau Sahra W. erkannt, man schlachtet nicht den Gaul, der seit Jahrzehnten den Wagen zieht und das Geld in die eigenen Taschen spült.

joly
2 Monate her
Antworten an  BK

Bild ist rot gedruckt – das reicht der Wagenknechtin aus, um aktiv zu werden.