„Deutschland muss Digitalisierung endlich ernstnehmen!“

Entbürokratisierung und Digitalisierung sollen eigentlich Hand in Hand gehen. Doch davon ist Deutschland Lichtjahre entfernt. In einem Tichys Einblick vorliegenden Zehn-Punkte-Plan fordert Digitalexpertin Barbara Benkstein (AfD) von der Bundesregierung ein radikales Umdenken.

IMAGO / Björn Trotzki

Ein Schlüssel zur Entbürokratisierung ist für IT-Experten des Bundestages die Digitalisierung. Selbst Robert Habecks Digitalisierungsindex seines grünen Bundeswirtschaftsministeriums muss eingestehen: „Die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland stagniert im Jahr 2023 weiterhin: Der Digitalisierungsindex beträgt 108,6 Punkte im Jahr 2023 im Vergleich zu 110,5 Punkten im Jahr 2022.“

Die Opposition macht der trägen Ampelregierung jetzt Dampf. Vielerorts gibt es noch Merkel-LTE mit klaffenden Funklöchern oder unsichere Datennetze vom Landratsamt bis in oberste Behörden. Aber das ist Deutschland im Zeitalter der digitalen Revolution.

Die Digitalexpertin der Alternative für Deutschland im Bundestag Barbara Benkstein hat jetzt einen Zehn-Punkte-Plan für schnelleren Fortschritt aufgestellt, der Tichys Einblick vorliegt.

„Deutschland muss Digitalisierung endlich ernstnehmen“, fordert darin zuallererst die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete aus Sachsen. „Der Abhörskandal bei der Luftwaffe zeigt, wie fahrlässig wir mit der Digitalisierung umgehen.“ Darum müsse es jetzt ein radikales Umdenken bei den Regierungen von Bund und Ländern geben.

In Punkt eins verlangt sie eine schnellere Entbürokratisierung, „die Verwaltung muss durch Digitalisierung bürgernäher und effizienter werden“. Die Bundesregierung habe aber im Haushalt 2024 die dafür vorgesehenen Gelder um 370 Millionen Euro gekürzt. Dieses Geld sei unbedingt wieder im Bundesetat einzuplanen, angesichts der vielen Milliarden, die die Ampelregierung für Bürgergeld, Asyleinwanderung oder Klimafonds ohne Kürzungen bereitstellt.

Selbst Hessens Entbürokratisierungsminister Manfred Pentz (CDU) kritisiert das Bürokratieentlastungsgesetz der Bundesregierung heftig: „Homöopathischer Ansatz für den Bürokratie-Burnout-Patienten Deutschland“. Mehr noch: „Von einem Bundesjustizminister, der selbst davon gesprochen hat, dass Deutschland der ‚Bürokratie-Burnout‘ drohe, habe ich mehr erwartet“, meint Pentz. Seine Kritik zielt auf Ressortchef Marco Buschmann von der FDP, die seit Jahrzehnten über den bürokratischen Staat klagt, aber in Regierungsfunktion meist nichts auf die Reihe bekommt. Hier treffen die Anschauungen von Pentz (CDU) und Benkstein (AfD) kongruent aufeinander.

„Glasfaser ist unsere Zukunft“, sagt Benkstein. Doch Deutschland komme beim Ausbau zu langsam voran. Chaotische Förderung, lahme Genehmigungsverfahren, kaum Umsetzungskontrollen. Hier müsse es endlich eine bessere und schnellere Aufgabenerfüllung geben. Obendrein habe niemand einen Gesamtüberblick und koordiniere die Digitalisierung unseres Landes. Die AfD-Expertin schlägt daher in ihrem Zehn-Punkte-Plan ein Digitalministerium vor, „um doppelte oder schädliche Arbeiten zu vermeiden und so viel Zeit und Geld zu sparen“.

Digitalisierung im Mittelstand in Zahlen laut Bundesnetzagentur

Vorbild solle bei der Digitalisierung Estland sein, denn das EU-Land sei uns weit voraus – „in den Köpfen und bei der Infrastruktur“. Nach einem Hackerangriff 2007 wurde dort ein sicheres Behörden-Intranet aufgebaut. Sicherheit ist für Benkstein eine Frage der Führungskräfte. Denn der Taurus-Abhörskandal war vermeidbar. Sie fordert daher, leitendes Personal aller staatlichen Stellen so zu schulen und auszustatten, dass sicherheitsrelevante Informationen stets bestmöglich geschützt sind.

Weil linke Terroristen Bahntrassen und Fabriken lahmlegen, müsse der Staat zudem seine kritische Infrastruktur vor solchen Anschlägen schützen. „Stromleitungen, Rechenzentren, Kommunikationskabel usw. sind unsere Nervenbahnen“, mahnt Benkstein. Zudem müsse der Mangel an Fachkräften gelöst werden. Überall fehle IT-Personal. Damit Deutschland seinen steigenden Bedarf decken kann, schlägt sie vor, bereits in der Schulausbildung die Weichen neu zu stellen. MINT-Fächer müssen gestärkt werden, um das Pisa-Versagen in Erfolge umzukehren.

Die Digitalexpertin setzt zudem auf mehr Souveränität. Denn Deutschland sei abhängig von ausländischer Hardware. Der Bund müsse Deutschland für Neuansiedlungen wie Halbleiterfabriken attraktiver machen. Benksteins Rezept: „Steuern und Strompreis runter, Genehmigungsverfahren kürzen, Infrastruktur ausbauen und mehr Fachkräfte ausbilden! Das ist nachhaltiger als Subventionen.“ Gleiches gelte bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Die USA und China dominierten den KI-Markt. Auch deutsche Betriebe böten gute Produkte an. Aber ihnen fehle eine KI-taugliche Infrastruktur. Deshalb sollte Deutschland in Rechenzentren investieren, um Abhängigkeiten zu vermeiden.

Abschließend spricht sich Digitalexpertin Benkstein noch gegen die Abschaffung des Bargeldes aus. „Niemand braucht den digitalen Euro der EZB, denn er bedeutet die totale Überwachung jedes Einzelnen.“ Benkstein fordert hingegen, „die Kryptowährung Bitcoin als Zahlungsmittel, Anlageobjekt und Wertspeicher nicht weiter zu behindern“.

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Kommentare ( 46 )

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46 Comments
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Toby
1 Monat her

Passend zum Thema mal eine aktuelle Meldung des BSI: https://www.borncity.com/blog/2024/03/27/bsi-warnung-mind-17-000-exchange-server-in-deutschland-verwundbar Es zeigt das verbreitete Elend der IT im besten Deutschland aller Zeiten: eine frappierende Verantwortungslosigkeit und Ignoranz sowie Unbildung breiter Bevölkerungsschichten selbst bei einfachsten IT-Themen. Mir tut jeder SysAdmin leid, der in so einem Umfeld versucht, seine Systeme bestmöglich abzusichern, aber meist „von oben“ alleine gelassen wird. Frei nach dem Motto: Weg von Microsoft? Linux? Was ist das? Updates / Patches? Brauche ich nicht, never change a running system! Uns ist ja noch nie was passiert. ITSec / Datenschutz? Brauche ich nicht, ist kompliziert, kostet Geld und ich habe ja… Mehr

Last edited 1 Monat her by Toby
Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  Toby

Eben. Wozu braucht es MINTler, wenn sie nach Anweisung von irgendwelchen BWLern-Juristen und sonstigen Quereinsteigern handeln müssen?

Transformation
1 Monat her

Ich freue mich über jeden Tag, der die Digitalisierung verzögert. Von mir aus kann sie ausbleiben. Sie wird zu nichts anderem genutzt als zur Kontrolle, Überwachung, Ausgrenzung (siehe Pandemie), Verboten und am Ende für ein Punktesystem.

Für mich gibt es NUR Nachteile.

Petra Horn
1 Monat her

Die Bürokratie, also die Lenkung und Überwachung durch den Staat soll doch gar nicht aufhören. Das einzige, was den Staat an der Digitalisierung interessiert, ist daß diese beiden Ziele verstärkt erreicht werden.

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  Petra Horn

Jedes Mal, wenn DE etwas ernst nimmt, wird mir Angst, siehe Migration, Corona, Energie…
Manchmal wäre es einfach mal gut Fünfe gerade sein lassen.

Teiresias
1 Monat her

Die Digitalisierung ist meiner Erfahrung nach u.A. ein Problem des Föderalismus und des Parteienstaats. Die Hierarchie aus Bund, Ländern und Kommunen gebiert aus sich heraus umständliche Insellösungen. Jede Kommune hat ihre eigene IT, eigene Entscheidungswege, eigenes Personal. Ein typisches Beispiel sind die Bibliotheken, die jede für sich alle dasselbe tun, dieselben Bücher anschaffen nach der Spiegel-Bestsellerliste. Das Rationalisierungspotential wäre enorm, rührt aber an Kompetenzen, Zuständigkeiten und Interessen (Versorgungsposten). Speziell die Vielzahl der Posten, die durch die Digitalisierung wegfallen würden, betreffen die Interessen des Parteienstaats. Der Parteienstaat liebt den Föderalismusdschungel, in dem sich die für den Parteienstaat so wichtigen Versorgungsposten verstecken… Mehr

Berlindiesel
1 Monat her

In einem irrt die AfD-Expertim: Es gibt keine Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Bürokratie. Ab eine Akte als Papiermappe oder pdf abgespeichert wird, spielt keine Rolle. Entbrürokratisierung bedeuet Entstaatlichung, und damit Verlust von Einkommensopportunitäten und Macht im Staat.

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  Berlindiesel

Richtig – Entbürokratisierung minimiert die Datenmenge und Anzahl der Genehmigungsstufen…
Das ist etwas anderes als Dokumentenlenkung – wie bisher nur mit dem Rechner.

Walter Eiden
1 Monat her

Ob früher oder später, sie wird schon kommen die Volldigitalisierung. Wir sollten uns aber auch im Klaren darüber sein dass wir dann auch mehr oder weniger komplett Gläsern sind.

StefanB
1 Monat her

Auch für die Digitalisierung gilt: So viel wie nötig und nicht so viel wie möglich. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Ein Beispiel ist das neue digitale Rezept beim Arzt: Wo ist der Vorteil gegenüber dem dünnen Papierrezept? Nirgends! Wenn man Pech hat, steht man in der Apotheke und bekommt das Medikament nicht, weil das Rezept von der Praxis noch nicht freigeschaltet wurde. Die ganze Infrastruktur samt Servern, Strom und Krankenkassenkartenlesegeräten in den Apotheken (das Service-Personal noch gar nicht mitgerechnet) ist garantiert nicht ressourcen- und energieärmer, als das Ausdrucken eines Papierrezepts. Kompletter Nonsens. Aber garantiert wird zentral erfasst, wer von wem warum… Mehr

Innere Unruhe
1 Monat her
Antworten an  StefanB

Und dann hat jemand dem RZ den Stecker gezogen. Was tut man dann als Patient??
Man soll ich von der Idee verabschieden, Digitalisierung diene den Menschen.

J. Braun
1 Monat her

Ich bin strikt gegen eine Digitalisierung bei den Behörden, sie dient nämlich nur genau zwei Dingen: 1. der besseren Überwachung des lästigen Bürgers durch vollständige Vernetzung der Behörden untereinander und 2. der Verlagerung des Risikos für Fehler bei der Bearbeitung der Formulare weg von der Behörde hin zum Bürger. Und dann, wenn alles schön digitalisiert ist und man keinen menschlichen Ansprechpartner für Korrekturen und Beschwerden mehr hat, dann hat sich der digitale, gläserne Bürger selbst durch sein unqualifiziertes Gejubel pro Digitalisierung ins Bein geschossen. Ich möchte weiterhin mein Papierformular, das ich im Ernstfall bei einem Behördengang mit meinem Sachbearbeiter durchspreche.… Mehr

Hannibal ante portas
1 Monat her

„Ein Schlüssel zur Entbürokratisierung ist für IT-Experten des Bundestages die Digitalisierung.“ Ganz schön naiv. Erinnert mich an die Zukunftsvisionen der Energieexperten der späten 40er und frühen 50er Jahre: Atomenergie löst absolut alle Energieprobleme. Es gab ernsthafte Forschungen Eisenbahnzüge (!) und Flugzeuge (!) mit Kernenergie anzutreiben.

Hannibal ante portas
1 Monat her

„Ein Schlüssel zur Entbürokratisierung ist für IT-Experten des Bundestages die Digitalisierung.“ Ojemineh, EIN ordentlich medial befeuertes Bedrohungsszenario und ALLE, ABSOLUT ALLE Daten sind für den Staat (und „angeschlossene nicht näher definierte Kreise“) frei zugänglich. Kombiniert mit dem Zentralbankgeld als einzigem Zahlungsmittel ist absolut alles transparent: wann wurde das letzte Mal für alternative Medien gespendet, wo und wann war jemand im Urlaub (Co²), wie oft durfte die Domina gegen Bezahlung die Peitsche schwingen… einfach absolut alles.