Berliner Polizei bestätigt Verfahren gegen brutalen Beamten

„Mittlere zweistellige Zahl von Anzeigen“ wegen gewaltsamer Übergriffe – Ermittlungen dauern an.

IMAGO / U. J. Alexander

Der Sprecher der Berliner Polizei Thilo Cablitz bestätigte auf Anfrage von TE, dass bei der Staatsanwaltschaft bis jetzt „eine mittlere zweistellige Zahl von Anzeigen“ wegen Polizeiübergriffen während der verbotenen Demonstration von Corona-Maßnahmenkritikern am vorvergangenen Wochenende eingegangen ist.
Vor allem eine auf Video festgehaltene Szene hatte in den sozialen Netzwerken für Empörung gesorgt: Dort ist zu sehen, wie ein Beamter eine Frau, von der keine offensichtliche Gefahr ausgeht, am Hals packt und mit Wucht zu Boden schleudert. Der UN-Sonderbeauftragte gegen Folter Nils Melzer hatte vor allem diese Szene kritisiert. „Die Frau“, so Melzer, „hätte sterben können.“

Auf die Frage von TE nach diesem Vorfall antwortet Cablitz:
„Das Video ist bei der Polizei Berlin bekannt, ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ist eingeleitet worden. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht weiter zu dem Sachverhalt äußern können.“

Eine andere Videoaufnahme zeigt einen Beamten, der einem auf den Boden sitzenden Demonstranten – augenscheinlich einem Minderjährigen – von dem keine Widerstandshandlung ausgeht, ins Gesicht schlägt.

Auch hier fragte TE nach. Die Polizei antwortete, der Demonstranten habe zu Personen gehört, die die Kreuzung Kaiserdamm an /Sophie-Charlotten-Straße mit einer Sitzblockade gesperrt hatten. Um die Straße zu räumen, sei „unmittelbaren Zwang durch einfache körperliche Gewalt in Form von Lösen von Haltegriffen, auch durch Schocktechniken, z. B. Stöße gegen den Oberkörper, Wegtragen sowie Schieben und Drücken“ eingesetzt worden. Weiter heißt es: „Maßnahmen gegen augenscheinlich Minderjährige wurden nicht durchgeführt. Bei dem von Ihnen beschriebenen Sachverhalt handelte es sich augenscheinlich um einen jungen Erwachsenen. Identitätsfeststellungen der Personen wurde nicht durchgeführt, um eine weitere Verzögerung/Unterbrechung der Einsatzfahrt zu vermeiden. Der Videoausschnitt liegt dem Dezernat für Polizei- und Amtsdelikte des Landeskriminalamtes ebenfalls vor. Die Ermittlungen dazu dauern an.“

In ihrer Stellungnahme kündigte die Berliner Polizei auch an, dass bei den Ermittlungen der Historiker Jörg Baberowski als Zeuge gehört werden soll. Der Professor an der Humboldt-Universität hatte auf Facebook geschildert, wie er als Passant zufällig Zeuge geworden sei, wie ein Polizist mehrfach mit der Faust auf einen schon am Boden liegenden Mann eingeschlagen habe.

„Eine Zeugenvernehmung wird durch die sachbearbeitende Dienststelle im Rahmen der Ermittlungen erfolgen“, so Polizeisprecher Thilo Cablitz.
Nicht nur die Staatsanwaltschaft bemüht sich um Aufklärung der Übergriffe. Auch der UN-Anti-Folterbeauftragte Melzer forderte die Bundesregierung auf, zu den Übergriffen der Polizei Stellung zu nehmen.

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) wollte bisher kein systematisches Fehlverhalten der Polizei erkennen. Er verteidigte den Einsatz gegen Demonstranten ausdrücklich.

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Kommentare ( 95 )

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MfS-HN-182366
2 Jahre her

Die „Ordnungskräfte“ im Mittelalter waren in Lohn und Brot bei den Magistraten und den Bürgermeistern. Die Burgherren und Kirchenfürsten verfügten über ebensolche Ordnungskräfte. Sie wurden, ohne Herabsetzung, Büttel genannt. Das war in der Zeit des Feudalismus. Später, in „moderneren Zeiten“ wurden diese Kräfte, Gendarmen oder Polizisten genannt. Sie waren die Exekutivorgane dieser Zeit und niemnd behauptet, es wären demokratische Zeiten gewesen. In Merkel-Deutschland, ein neofeudalistischer Mehrparteien-Staat, indem dessen Exekutivorgane angeblich von Demokraten geleitet und überwacht werden, können wegen der vielen Übergriffe und der Missachtung des Grundgesetzes, diese Polizisten auch Büttel genannt werden. Ein Polizist, der auf sein eigenes Volk einprügelt… Mehr

unbelievable
2 Jahre her

Eine negative Entwicklungsspirale mit der Polizei, die seit einigen Jahren auch bei Bagatellkontakten festzustellen ist.
Alle, die ihre Erlebnisse mit der Polizei schildern sind sich sicher, das selbst erfahrene, unverschämte Verhalten kommt nur gegenüber den erkennbaren „Ureinwohnern“ dieses Landes zustande.

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her

Also wenn es nach den „unbeleiteten Minderjährigen“ geht, beginnt „junger Erwachsener“ etwa ab 35.
Bei Querdenkern ab 12?

Gerd Heidenreich
2 Jahre her

Wenn das auf dem Video ein „junger Erwachsener“ ist, fresse ich einen Besen!
Die Polizisten müssen mächtig Frust haben, wenn sie so als „Freund und Helfer“ in Erscheinung treten. Was ich in Anbetracht ihrer Rolle als „Prügelknabe der Nation“ auch ein Stück weit verstehen kann. Nur sollten sie sich dafür diejenigen vornehmen, die sie in diese Rolle gebracht haben.

Oneiroi
2 Jahre her

Schon amüsant. Steht ein volbärtiger südländer vorm polizisten und behauptet 14 zu sein, wird dem erstmal geglaubt. Steht ein augenscheinlich deutscher Junge vor der Polizei, wars ein Mann…nicht mal „junger Mann“ gönnt man ihm?….lustiger wäre nur noch, wenn sie behauptet hätten, das wäre ein polizeibekannter Hooligan aus der rechten szene, der mit seinem sitzen eine Gefahr für die Polizei darstellt.

F.Peter
2 Jahre her

Glaubt irgendjemand, dass in diesem Sachverhalt genauso rigoros ermittelt wird, wie das z.B. bei der aufgeblasenen Reichstagserstürmung der Fall war. Oder bei anderen nicklichen Verstößen, die man in die rechte Ecke geschoben hatte?? Links bleibt links bleibt links. Da wird gegenüber den betroffenen Beamten ein Gespräch geführt – und nächstes Mal geht es genauso wieder weiter! Es sei denn, die Antifa ist mal wieder aktiv…….

Riffelblech
2 Jahre her

Der nachhaltige sehr schlechte Eindruck der Polizei ,speziell der BP wird noch sehr lange nachhalten . Die Polizisten wurden aufgepeitscht, angestachelt und letztlich zur Frustabarbeitung auf Demonstranten losgelassen .
Der gleiche Vorgang wie in Russland ,Weißrussland usw . Dort allerdings ist derartiges Vorgehen für die Politik und Medien hochproblematisch . Hier aber nicht .
Hier ist die sogenannte Demokratie zu Gange und dort eben die Diktatur .
Finde den Unterschied und man weiß wem man vertrauen kann.

Sieben Sinne
2 Jahre her

Ein junger Erwachsener, ich erkenne einen Heranwachsenden . Wie wurde das denn festgestellt, wenn keine Personenalien abgenommen wurden? Und, nach Schubsen sieht das nicht aus. Ob der Einsatz unmittelbarer Gewalt bei einer Sitzblockade angemessen ist? In China vielleicht, aber im besten aller Deutschlands?

Als letztes. Wenn die sich ja alle ihrer Sache hinsichtlich der Massnahmen so sicher sind und sich in der absoluten Mehrheit wähnen, warum lässt man die Proteste nicht einfach zu?

Iso
2 Jahre her

Ich sag´s ja immer wieder, nicht nur die Bullen sind Arschlöcher, sondern alles was beim Staat arbeitet, und in der Wirtschaft nicht zurecht kommt.

Roland Tichy
2 Jahre her
Antworten an  Iso

…bitte etwas freundlicher. Kenne auch sehr tüchtige Beamte und Mitarbeiter.

Helmut in Aporie
2 Jahre her
Antworten an  Roland Tichy

Er beschreibt den Trend!

jorgos48
2 Jahre her

Eine Krähe sticht der anderen doch nicht das Auge aus. Da treten die Nebelwerfer in Aktion bis Gras über die Sache gewachsen ist. In zwei Wochen ist alles vergessen.