Die Trecker rollen weiter – auch ohne großes Mediengeleit

Landwirte in Deutschland und Europa demonstrieren weiter gegen die agrarfeindliche Politik aus Berlin und Brüssel. Auch in den letzten Tagen kam es zu friedlichen, aber auch zu hitzigen Demonstrationen, sodass selbst die EU mancherorts einlenkt. In Berlin ist das weiterhin kein Thema.

IMAGO

Folgt man der medialen Berichterstattung, könnte man zu dem Schluss kommen, dass ganz Deutschland bereits vor Wochen ein Einsehen hatte, die Aufmüpfigkeit der Bauern ad acta gelegt hat und seitdem alle Kräfte massiert im Kampf gegen Rechts™ zum Einsatz bringt. Doch weit gefehlt. Abseits der öffentlich-rechtlichen Kameras gehen die Proteste der Bauern weiter, auch jenseits der deutschen Grenzen, und haben dabei sogar einen Teilerfolg auf EU-Ebene errungen – der allerdings, geht es nach der Ampel, den deutschen Landwirten nicht zugutekommen soll.

Deutschlandweit fanden auch in den letzten Tagen wieder Proteste der Landwirte statt. In Frankfurt/Oder wurden nicht nur Autobahnauffahrten und der Bahnhof blockiert, sondern auch der Grenzübergang nach Polen. Unterstützung erhielten die Landwirte dabei von Handwerkern, die sich im Zuge des mittlerweile ebenfalls um sich greifenden Unternehmerprotests der Blockade anschlossen. Auch in Sonneberg (Thüringen) und Bautzen (Sachsen) fanden gemeinsame Protestkundgebungen statt.

— Franz Branntwein™ 🍀 (@FranzBranntwe10) February 12, 2024

In der Nacht auf letzten Sonntag brach ein Feuer auf dem landwirtschaftlichen Betrieb eines Mitorganisators von Protesten in Oelsnitz im Erzgebirgskreis aus. Die Polizei untersucht wegen möglicher Brandstiftung; eine Schmiererei in der Nähe des Tatorts („Schluss mit der Blockade sonst brennt alles“) lässt einen Zusammenhang mit den Bauernprotesten vermuten. Anstatt jedoch die Landwirte einzuschüchtern, fanden tags darauf Solidaritätskundgebungen in Oelsnitz, sowie in Aue im Erzgebirge statt.

Der MDR berichtet: „Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) bezeichnete den Brandanschlag als ‚heimtückisch, abscheulich und pure Vernichtung‘. Auch Marc Bernhardt vom Verband ‚Land schafft Verbindung‘ verurteilte den Brandanschlag scharf. ‚Es darf und es kann nicht sein, dass Leute, die auf die Straße gehen, die wahrscheinlich auch eine andere Meinung haben, ob berechtigt oder vielleicht auch unberechtigt, sich deswegen um ihre betriebliche Existenz oder vielleicht sogar um ihre Familien fürchten müssen.‘“ Die polizeilichen Ermittlungen laufen.

Wie angespannt die Stimmung ist, wurde auch am Rande eines Protests in Unterlüß deutlich. Bauern nutzten einen Besuch von Kanzler Scholz zum Spatenstich einer neuen Munitionsfabrik dazu, ihn an ihre Forderungen zu erinnern.

Brisant wurde die Lage dann am Aschermittwoch, als Proteste in Biberach (Baden-Württemberg) derart hitzig wurden, dass der traditionelle politische Aschermittwoch der Grünen abgesagt werden musste. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte seinen geplanten Besuch in Biberach kurzerhand ab. In der zunehmend hitzigen Atmosphäre kam es zu Tumulten, unbestätigten Berichten zufolge wurde sogar eine Scheibe eines Autos aus der Kolonne von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir eingeschlagen. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Bei einer Kundgebung auf dem Gigelberg sprach dann auch Özdemir und forderte Fairness ein: „Ich habe am Brandenburger Tor jede einzelne Rede gehört, ich habe zugehört und danach habe ich geantwortet. Das kann man ruhig auch mal anerkennen, wenn man fair ist. Aber fair muss man nicht immer sein, das habe ich schon verstanden. Dass Sie nicht fair sind, das habe ich verstanden.“

Als die Veranstaltung in Biberach aufgrund der anhaltenden Proteste letzten Endes abgesagt werden musste, wiesen Sprecher des Bauernverbands darauf hin, dass der Protest vor der Halle nicht von ihnen organisiert worden sei. Zu den Bauern hatten sich „auch eine Menge anderer Leute, die mit der Politik der Regierung unzufrieden sind“ gesellt. Das vom Bauernverband angestrebte Gespräch mit Özdemir fiel damit ins Wasser.

Trotz der aufgeheizten Stimmung äußerte sich Cem Özdemir im Nachgang differenziert: „Die, die da jetzt über die Stränge geschlagen haben, das ist nicht die deutsche Landwirtschaft. Das waren Einzelne, die sich da so benommen haben.“

Dass es nicht nur die deutsche Landwirtschaft ist, die ihrem Unmut Luft macht, zeigte sich in den letzten Tagen auch andernorts in Europa. In Polen demonstrierten Bauern unter anderem gegen ukrainisches Billiggetreide, in Spanien protestierten die Landwirte gegen die ruinösen Nachhaltigkeitsgesetze der EU und in Moldawien riefen die Bauern die Regierung zu einer Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben auf, da ansonsten die Aussaat im Frühjahr gefährdet sein könnte. In Antwerpen blockierten die Landwirte den Zugang zu Europas zweitgrößtem Hafen.

Selbst in Brüssel setzt sich mittlerweile die Erkenntnis durch, dass man den Bauern zumindest teilweise entgegenkommen müsse. Die EU-Kommission beschloss nun die Verlängerung einer Ausnahmeregelung zur Aussetzung einer Regel, derzufolge Bauern vier Prozent ihrer Nutzfläche brach liegen lassen müssen. Die Regelung war ursprünglich zwecks Sicherung der Lebensmittelversorgung im Zuge des Ukrainekriegs ausgesetzt worden. Nun soll diese Ausnahmeregelung bis Ende des Jahres verlängert werden – trotz Protests von Deutschland.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) versprach hingegen sich dafür einzusetzen, den „überstürzten und unreifen Beschluss“ in Deutschland nicht umzusetzen. Grund genug anzunehmen, dass auch in den kommenden Wochen Deutschlands Landwirte auf die Straße gehen werden – auch wenn die Kameras der Medien weiterhin in eine andere Richtung weisen.

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