52 Prozent der Deutschen fühlen sich „machtlos“

Laut einer Umfrage haben immer mehr Deutsche das Gefühl, keinen Einfluss darauf zu haben, was vor Ort geschehe. Die Stimmung ist so schlecht wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Es ist ein gerne bedientes Narrativ der öffentlich-rechtlichen Medien: Menschen, die nicht mehr mit den Veränderungen der Gegenwart zurechtkommen, Verschwörungstheorien, die um sich greifen, die Ohnmacht, „fremden Mächten“ ausgeliefert zu sein. Das alles bedient die jüngste Umfrage des Allensbach-Instituts eigentlich nicht.

Denn seit 1992 haben die Bürger auf die Frage, ob sie Einfluss vor Ort hätten, jedes Jahr positiver beantwortet als zuvor. In den 30 Jahren habe sich der Wert langsam, aber stetig verbessert, so Allensbach – von 22 Prozent bis auf 47 Prozent im Jahr 2021. Die Zahl derjenigen, die sich als „machtlos“ verorteten, fiel dagegen im selben Zeitraum von 55 auf 30 Prozent.

Die neueste Erhebung, bei der Allensbach 1.039 Personen befragte, zeigt dagegen einen völlig umgekehrten Trend. 2022 haben 52 Prozent sich als „machtlos“ verortet, nur 30 Prozent sagen, dass sie Einfluss auf das hätten, was vor Ort geschehe. In Ostdeutschland fällt das Ergebnis noch deutlicher aus. 63 Prozent konstatierten, man sei als Bürger machtlos, nur 14 Prozent äußerten sich positiv.

Das ist eine bemerkenswerte Umkehr in einem kurzen Zeitraum. Offenbar hat ein ganz bestimmtes Ereignis in kürzester Zeit, das in den Jahren 2021/2021 eine Rolle spielte, den Bürgern die Zuversicht genommen. Vielleicht hängt es allein an Corona; vielleicht hängt es aber auch an einer Melange aus Gründen. TE-Kollege Mario Thurnes hat es treffend so benannt:

„Persönliche Freiheiten sind auf dem Rückzug: Die Themen unserer Tage lauten Heizungsverbot, Verbot größerer Bargeldmengen, Umsiedlung von Senioren in kleinere Wohnungen, Regulierung von Fleischkonsum, Werbeverbot für Milch, anlasslose Chatkontrolle, Beweislastumkehr für Beamte oder politisch Unliebsame, die der Staat über ein Jahr in Untersuchungshaft gefangen hält.“

Die Ohnmacht der letzten Jahre hat sich demnach festgesetzt. Politik und Medien haben bisher jedoch wenig unternommen, um das erodierte Vertrauen zurückzugewinnen oder sich gar zu entschuldigen. Vielmehr zieht ein anderes Narrativ am Horizont herauf: Die Menschen fühlen sich machtlos, angesichts der grassierenden Klimakrise. Oder: Weil so viele Leute verunsichert sind, wählen sie AfD.

Statt die tieferliegenden Probleme anzugehen, dürfte sich der Trend immer mehr verschärfen. Wer davon überzeugt ist, seine Regierungspolitik nur schlecht zu erklären, statt seine schlechte Regierungspolitik als solche zu bezeichnen, wird den Kurs nicht verlassen. Im Zweifel ist der Bürger dann unmündig, verführt – oder kann nicht einmal mit Messer und Gabel essen.

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Kommentare ( 88 )

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88 Comments
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Freiheit fuer Argumente
10 Monate her

Meine Vermutung: Diejenigen, die AfD wählen fühlen sich weder machtlos oder verunsichert. Wir trotz der öffentlichen Stimmung AfD wählt, dürfte sich sehr bewusst dafür entschieden haben, zumal alle andereren zwischenzeitlich schon mal dran waren, ohne dass sich in den grundlegenden Fragen etwas gebessert hätte

Jens Frisch
10 Monate her

Die anderen 48% sind dann wohl Beamte und Besserverdiener…

Moses
10 Monate her

Es ändert sich nichts, solange wir nicht den Menschen, sondern Parteien wählen.

Takeda
10 Monate her

Wenn ich Sonneberg und die Wahl, oder vielmehr, wie der politmediale Komplex mit dieser demokratischen Wahl umgegangen ist, dann kann ich die Machtlosigkeit verstehen. Die FAZ schreibt gerade übrigens, das die Studie beweise, das der Osten schon immer viele Rechtsextreme hatte. Bereits vor der AFD. Da wundern sich die Journos, das immer wenige für diesen Mist bezahlen wollen. Aber liegt ganz bestimmt nur am „Neuland“.

CIVIS
10 Monate her

Ein schönes Zusammenspiel von Gallina und Thurnes,

…der Finger liegt nun in der Wunde, genauer gesagt im letzten Abschnitt des Artikels: „Im Zweifel ist der Bürger dann unmündig, verführt – oder kann nicht einmal mit Messer und Gabel essen.“

Nun ja, wenn´s sich der Bürger so wünscht und er sich das alles gefallen lässt !

Jasper K.
10 Monate her

Und ich fühle mich machtlos, wenn unser Bundesaußenschnatterinchen uns wieder mal blamiert. Sie vermutet Kobolde in E-Autos, erklärt Russland den Krieg, und jetzt kommt der Speck der Hoffnung (bacon of hope, nicht beacon of hope). Sie ist eigentlich eine Spitzendiplomatin, aber einem Vergleich mit Hans-Dietrich Genscher hält sie nicht annähernd stand. Wie gerne würde ich verhindern, dass wir Deutschen vor aller Welt dumm dastehen. Aber mit diesem Personal in Berlin – keine Chance.

Nibelung
10 Monate her

Die Bürger sind nicht machtlos, sie müssen sich nur näher kommen auch über politische Grenzen hinweg, denn der Feind kommt von außen und hat sich unserer Politiker bemächtigt und das ist unser eigentliches Problem und kann nur beseitigt werden durch eine gemeinsame Front, politisch und auch außerparlamentarisch und das ganz legal und sie sind weg und wir haben unsere Ruhe und können das Land so gestalten wie es Mehrheiten haben wollen.

Fieselsteinchen
10 Monate her
Antworten an  Nibelung

Damit die Bürger sich nicht näherkommen, wird die „Brandmauer“ errichtet, wird die Opposition politisch und medial durch den Schmutz gezogen. Das ist das Ziel, die Macht der Bürger mittels Spaltung und Misstrauen zu brechen. Würden alle einfach nicht mehr mitmachen, gemeinsam, wäre der Spuk vorbei! Deutschlandstreik! Riesige Demonstrationen wie in London. Die Coronamaßnahmen wären selbst nie soweit gediehen, wenn die Bürger, die Restaurant- und Ladenbesitzer einfach geöffnet hätten. So viele Polizisten gibt es gar nicht! Es lag am Bürger, einfach nicht mehr mitzumachen! In Mexiko hat es funktioniert! In anderen Ländern auch! Nur in Deutschland trug man Maske und achtete… Mehr

Last edited 10 Monate her by Fieselsteinchen
Ralph Martin
10 Monate her

Ist doch so.
Die Menschen sind machtlos.
Aller vier Jahre darf man wählen: einen Einheitsbrei aus Verarmung, Verschlechterung und Niedergang oder das Änderungsversprechen, inklusive der danach üblichen Beschimpfungen und Beleidigungen.

wat nu
10 Monate her

Das wirkliche Problem ist, dass sich die Bürger ihrer Macht nicht bewusst sind.
Würden alle Bürger – und ich rede nicht nur von Steuerzahler – ihre Arbeit niederlegen, wäre sofort klar, wer hier das sagen hat.
Solange der Bürger diese Art von klarer Ansage nicht macht, wird sich gar nichts ändern.

Kassandra
10 Monate her
Antworten an  wat nu

Es sind zu wenige, die bislang merkten, dass sie hinter die Fichte geführt wurden. Und die Nachkommen werden quasi ab der KITA im Sinne des Regimes erzogen. Und die ganz anderen sind mit Geburt unterworfen, haben also nur die Ziele des Allergrößten auszuführen. Denen ist unsere Gesellschaft egal.
Ja. Sie haben recht. Wenn ein Generalstreik gelänge, könnte vielleicht noch etwas gewonnen werden. Aber der Blick nach Frankreich lässt böses ahnen.

ktgund
10 Monate her

Die Ohnmacht hat auch unabhängig von den spezifischen Corona-Maßnahmen zugenommen. Corona war ein Katalysator, der auch von den Rathäusern gerne genutzt wurde, um bisher öffentlich diskutierte kommunalpolitische Themen wieder hinter verschlossenen Türen zu entscheiden. Was man in den letzten 20 Jahren in Sachen Bürgerbeteiligung erreicht hatte, wurde wieder eingestampft. Statt wirklich konstruktive Dialogformate zu ermöglichen, beschränkt man sich auf Information oder verlagert gar gänzlich auf desinformierende Propaganda-Formate, bei denen Hochglanzwerbung im Sinne der Politik verbreitet wird, statt Fakten umfassend zu thematisieren. Das alles ist eingebettet in eine politische Kultur des Nichthandelns und Aussitzens, denn Probleme werden meist gar nicht mehr… Mehr