Passives Wahlrecht entziehen: Hubigs Gesetzentwurf verändert den Wahlkampf

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) will ab sechs Monaten Haft wegen „Volksverhetzung“ das passive Wahlrecht kappen, zwei bis fünf Jahre. Klingt nach Schutz, ist aber ein Machtwerkzeug: unbestimmte Begriffe, Deutungskämpfe, richterliche Sperre. Heute AfD, morgen jede Opposition.

picture alliance / dts-Agentur

Es ist immer dieselbe Verpackung: „Demokratie schützen“, „Resilienz stärken“, „Hass und Hetze bekämpfen“. Und innendrin steckt der alte Reflex, der in Berlin längst zur Staatsräson geworden ist: Wenn die politische Auseinandersetzung nicht mehr zum gewünschten Ergebnis führt, muss das Strafrecht eben nachhelfen. Der Entwurf von Hubig will das passive Wahlrecht zeitweise entziehen, wenn jemand wegen Volksverhetzung zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Der Vorstoß ist offiziell im BMJ als Gesetzgebungsvorhaben dokumentiert: Unter dem Titel „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des strafrechtlichen Schutzes des Gemeinwesens“ führt das Ministerium den Entwurf, inklusive der geplanten Verschärfung rund um Volksverhetzung und der Option, bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zusätzlich den Verlust der Wählbarkeit für zwei bis fünf Jahre anzuordnen.

Dass Gerichte „im Einzelfall“ entscheiden sollen, klingt beruhigend, ist aber in Wahrheit die Verschiebung der politischen Sprengkraft in den Alltag der Strafjustiz. Ausgerechnet dort, wo Aktenlage, Zeitdruck und lokale Spruchpraxis den Ton setzen, soll künftig über Wählbarkeit entschieden werden. Selbst die Befürworter räumen ein, dass das heikel ist.

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Der entscheidende Punkt ist nicht, dass man keine verurteilten Brandstifter im Parlament haben möchte. Der entscheidende Punkt ist, wie man definiert, wer ein Brandstifter ist. Volksverhetzung lebt von auslegungsbedürftigen Begriffen, von Grenzziehungen, von Deutungen. Was als „Angriff auf Menschenwürde“ gilt und wann „öffentlicher Frieden“ gefährdet ist, ist genau das Feld, auf dem Politik heute ihre Gegner markiert.

Und wer glaubt, diese Markierung sei dauerhaft nur für eine Richtung reserviert, hat nichts verstanden. Heute trifft es „die Richtigen“, die man in Talkshows bereits seit Jahren zum politischen Ungeziefer erklärt. Morgen trifft es jeden, der der jeweiligen Mehrheit gefährlich wird. Das ist keine Verschwörungstheorie, das ist der banale Mechanismus jedes Machtinstruments, das man einmal in den Werkzeugkasten gelegt hat.

Besonders entlarvend ist, wie aus einer ursprünglich engeren Idee ein breiterer Zugriff wird. Im Umfeld der Koalitionspläne war von mehrfacher Verurteilung die Rede. Im aktuellen Vorstoß steht das so nicht mehr im Mittelpunkt. Die Hürde wird praktisch tiefer gelegt, der Hebel schneller erreichbar.

Natürlich wird das alles mit steigenden Fallzahlen unterfüttert. Mehr registrierte Volksverhetzungen, mehr Verurteilungen, also müsse der Staat härter reagieren. Aber steigende Zahlen sind auch das Ergebnis eines Staates, der immer mehr in Sprache hineinregiert, immer mehr meldet, verfolgt, exemplarisch sanktioniert. Am Ende wächst nicht nur das Statistikfeld, sondern auch die Versuchung, daraus politische Konsequenzen zu basteln.

Die Regierung verkauft den Entzug der Wählbarkeit als Schutzmaßnahme. Tatsächlich ist es eine Kandidatensperre, also eine Vorfeldbereinigung des Wettbewerbs. Man bekommt die AfD nicht klein, also dreht man an den Zugängen: zuerst rhetorisch, dann administrativ, dann strafrechtlich. Das Muster ist nicht subtil, es ist nur inzwischen normalisiert.

Und nein, das Argument „Das gibt es doch schon“ macht es nicht besser. Ja, es existieren Regelungen zum Verlust des passiven Wahlrechts durch Richterspruch und bei schweren Verurteilungen. Aber genau deshalb ist die Ausweitung so gefährlich: Man dockt an vorhandene Mechanik an und hängt einen politisch dehnbaren Tatbestand daran.

Dazu passt das Detail, dass solche Nebenfolgen bislang kaum genutzt wurden und nun plötzlich politisch aufgeladen werden. „Totes Recht“ wird dann interessant, wenn man es braucht. Nicht für die Demokratie, sondern für die Mehrheitsverwaltung.

Wer wirklich Demokratie schützen will, begibt sich in Debatten, um sie zu gewinnen, statt sie zu verrechtlichen. Wer dagegen Debatten verliert, versucht, die Regeln des Spiels umzuschreiben. Hubigs Entwurf ist kein mutiger Schutzwall. Er ist ein Signal: Wenn die Wähler nicht folgen, wird eben an der Wählbarkeit gedreht.

Und damit ist die rote Linie sichtbar: Nicht der Extremist ist die einzige Zielscheibe, sondern der politische Gegner, den man sonst nicht mehr eingefangen bekommt. Heute AfD, morgen jede Opposition, die dem Betrieb zu laut, zu unbequem, zu wirksam wird.

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Kommentare ( 55 )

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Mein Onkel
2 Stunden her

Wenn Links-Grüne auf Gegendemos „Deutschland, du mieses Stück Schei**e!“ skandieren, dann ist dies in den Augen solcher Politiker/-innen garantiert kein Hass und keine Hetze…
Doppelmoral, wo man auch hinschaut, bei dieser Sippschaft.

Raul Gutmann
1 Stunde her
Antworten an  Mein Onkel

Losgelöst von konkreten Themen hat sich in ‘schland eine interessante Erscheinung etabliert: Weniger ist von Bedeutung, WAS gesagt wird, entscheidend vielmehr ist, WER etwas sagt.
Ein Beispiel gefällig? Aber gerne: Die drei Worte „Alles für …“ rufen im Falle bürgerlicher Quelle die Staatsanwaltschaft auf den Plan, bei Linken dagegen … richtig: Nichts, nothing, nada, niente, rien, tipota…

Matthias
2 Stunden her

Naja, sie will den Absturz ihrer eigene Partei etwas verlangsamen. Passt doch in „Unsere Demokratie“!

Felix Dingo
2 Stunden her
Antworten an  Matthias

Diese Systemlinge sind unerträglich.
Hoffentlich marschiert die US-Armee nach 80 Jahren demnächst zum zweiten Male hier ein.
Die Systemlinge werden sich dann wohl über den „Rattenpfad“ nach Südamerika abseilen.
Wie damals die Nazis, die sich mit Hilfe des Vatikan über den o.g. „Rattenpfad“ nach Südamerika aus dem Staub machten.

Waehler 21
42 Minuten her

Alle Die bei der Antifa waren oder noch sind raus! Klingt gut!

Teide
47 Minuten her

Man wird die Opposition, heute die AfD, schneller einsperren. Wo bisher für ein falsches Wort Geldstrafen gab, werden jetzt Haftstrafen ausgesprochen. Praktisch nach jedem Interview und jeder Wahlkampfrede werden, schon jetzt, AfD Politiker angezeigt. Ein halbes Jahr Haft zerstört ein bürgerliches Leben. Wegen einem falschen Satz.

Egozentrik
48 Minuten her

Allein dieser Gesetzesvorschlag belegt den Tatbestand des Hasses und der Hetze. Allerdings, was soll’s? Hass und Hetze ist eine Meinung, nein, sondern ein Gemütszustand, der nicht rational ist, also ohnehin per se kein Vergehen sein kann, so wie auch Liebe und Gnade es sind!
Schon in Orwells „1984“ war der Gemütszustand „Liebe“ verboten, aber der Hass erlaubt, bzw. öffentlich gefördert und gefordert!

Last edited 46 Minuten her by Egozentrik
Petra Horn
50 Minuten her

Die De- und Neukonstruierer der Sprache sind voll im Einsatz!
In diese Grundlagenarbeit für die Manipulation der westlichen Gesellschaften fließen Milliarden!!

alter weisser Mann
54 Minuten her

So langsam fällt Schicht um Schicht der Maske „unserer Demokraten“.
Ich bin mir unschlüssig, wie ich die künftig bezeichnen sollte.

89-erlebt
1 Stunde her

Egon Krenz wird auch heute wieder genüsslich über diese verfaulte, parasitäre BRD lachen. Dieses genüssliche Lachen hält ihn gesund. Ich glaub Egon wird demnächst 89 .. Huch war da was 🤔

Klaus-Dieter L.
1 Stunde her

Der „Volksverhetzungsparagraph“ §130 ist ein Gummiparagraph. Gerichte können ihn also wunderbar interpretieren und drehen. Im derzeitigen Zeitgeist legt man den Paragraphen fast nur gegen die rechten Seite aus. Der Zeitgeist kann sich aber wieder drehen, und was dann? Prinzipiell sollten kluge Politiker deshalb niemals Gesetze erlassen, die sich bei veränderter politischer Lage gegen sie selbst richten könnten.

Steuernzahlende Kartoffel
1 Stunde her

Die ehemalige Arbeiter- und heutige Ausländer- und Faulenzerpartei bringt nur noch Minderleister hervor. Ob die daran denken werden, rechtzeitig die 5-%-Hürde abzuschaffen, bzw. für die „richtigen“ Parteien aufzuweichen?

Jens Frisch
1 Stunde her

„…mehr Verurteilungen…“
Ach was? Wenn bereits der allerwelts Spruch „Alles für D…“ eine Verurteilung nach sich zieht, muss man eigentlich schon dem Vorbild von Steinmeier folgen und ganz auf die „Sprache der Täter“ verzichten.

MfS-HN-182366
1 Stunde her

Der Unterschied zwischen „Unsere Demokratie“ und der Nazidiktatur besteht darin, dass die Nazis schlagartig das Recht schliffen und bogen und jetzt ist der Vorgang subtil und schleichend. Das Endergebnis ist gleich: Zerstörung des Rechtsstaates und der Demokratie.