Bei Illner: Deutschland droht der Rentenkollaps

Junge Abgeordnete der Union blockieren den Rentenkompromiss der Regierung. Zu spät? Der SPD-Generalsekretär geht davon aus, dass das Paket durch das Parlament kommt. Künftig drohen Verteilungskämpfe. Die Debatte bei Illner ist inhaltlich festgefahren, mutige Stimmen und Ideen fehlen. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Einst versprach das verstorbene CDU-Urgestein Norbert Blüm, dass die gesetzliche Rente sicher sei. Was damals schon eine gewagte These war, ist heutzutage fast schon ein leeres Versprechen. Die gesetzliche Rente in Deutschland ist nichts anderes als eines der weltweit größten Schneeballsysteme. Wie bei jedem Schneeballsystem funktioniert alles, solange immer genug neue Leute in das System einzahlen. Aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland droht in naher Zukunft der Kollaps des Systems. Andere Länder haben wegen sinkender Geburtenraten längst umgesteuert und setzen erfolgreich auf eine kapitalmarktbasierte Altersvorsorge.

Doch in Deutschland weigert man sich bis heute gegen einen Pensionsfonds, wie ihn viele skandinavische Länder haben. Die bundesrepublikanische Rentenproblematik ist an diesem Abend das Thema bei Maybrit Illner. In der Runde sitzt mit dem Vorsitzenden der Jungen Union, Johannes Winkel, ein Kritiker der Rentenpläne der Bundesregierung, die auf Kosten der jungen Generation gehen könnten. Mit dem SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf ist ein Verfechter der Rentenpläne der Regierung geladen, was zu gelegentlichem Streit führt.

Wirklich harte inhaltliche Auseinandersetzung ist allerdings Fehlanzeige, weil sich die Politiker weitgehend einig sind, dass man die Misere tatenlos weiterlaufen lassen wird. Es ist die große Schwäche des Talks, dass so gut wie gar nicht über eine Überwindung des kaputten Rentensystems debattiert wird. Der Erkenntnisgewinn für den Bürger ist nach der Sendung gleich null.

Die Junge Union droht mit Blockade

Spät sind die Mitglieder der Jungen Union aufgewacht. Wahrscheinlich zu spät. Es haben sich in der Unionsfraktion 18 junge Abgeordnete gefunden, die den derzeit geplanten Rentenplänen der Bundesregierung nicht zustimmen wollen. Einer der jungen Parlamentarier ist der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel. Bei Illner spricht er über die Gründe für die ablehnende Haltung. „Der Nachhaltigkeitsfaktor ist bis 2031 ausgesetzt“, kritisiert er. In der Tat plant die Bundesregierung eine Haltelinie von 48 Prozent für das Rentenniveau. Diese Haltelinie führt bei steigenden Löhnen zu einer Beitragsexplosion, weil das Rentenniveau an die Lohnentwicklung gekoppelt ist. „Es tauchen Folgekosten von 118 Milliarden auf“, erklärt Winkel. Gleichzeitig versichert er: „Es geht nicht um Rentenkürzungen.“

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Tim Klüssendorf, der SPD-Generalsekretär, sieht die Blockade von Winkel und Parteifreunden kritisch. „Wir erfüllen den Koalitionsvertrag“, raunt Klüssendorf vorwurfsvoll in Richtung Winkel. Der SPD-Mann stellt klar: „Wir haben das Niveau von 48 Prozent festgehalten.“ Daran möchte die schrumpfende SPD auf gar keinen Fall rütteln. Ist es doch seit jeher sozialistischer Glaube, dass man seine Wähler kaufen kann. Weil ältere Bürger noch eher mal ihr Kreuz bei der verzwergten Arbeiterpartei machen, setzen die Genossen alles daran, diese Klientel zu umsorgen. „Wir tun manchmal so, als würden wir Geschenke verteilen“, versucht sich Klüssendorf zu rechtfertigen.

Für die Autorin und Filmemacherin Julia Friedrichs ist klar, dass die Politik Lösungen auf die lange Bank schiebt. „In Wahrheit ist es so, dass es so nicht weitergehen kann“, sagt sie in Richtung der Politiker. „Wir werden dramatisch schnell altern“, skizziert sie. Von Winkel fordert sie, dass dieser bei seiner Ablehnung bleiben soll. „Wenn im Koalitionsvertrag eine schlechte Lösung steht, dann muss man opponieren“, findet Friedrichs zu recht. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Gruppe um Winkel sich am Ende fügt. „Wir tragen den Koalitionsvertrag mit“, erklärt der JU-Chef. In diesem ist von der Mütterente der CSU und der Haltelinie der SPD die Rede. Es ist deshalb folgerichtig, wenn der SPD-Generalsekretär mutmaßt, dass das Paket am Ende durch das Parlament kommt.

Konflikte sind vorprogrammiert

Schon jetzt ist abzusehen, dass es in naher Zukunft zu Verteilungskämpfen kommen wird. Die sozialen Sicherungssysteme sind aufgrund der angespannten finanziellen Lage des Bundes und der demographischen Schieflage in Gefahr. „Die Rente ist wie ein Kettenbrief“, erklärt der Ökonom Clemens Fuest. Der ifo-Chef warnt: „Sie jetzt gesetzlich festzulegen, ist falsch.“ Vielmehr solle die Politik über Rente in der Öffentlichkeit debattieren, findet Fuest. „Die Rente ist ein Wahlkampfthema“, mahnt er an. Mit am Tisch sitzt die ehemalige Linken-Politikerin Katja Kipping.

Feigenblatt Aktivrente
Das Ende der Rentenillusion
Die Sächsin ist nach ihrer Politkarriere Chefin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der im Kern sozialistische Forderungen vertritt. „Es braucht eine breitere Einzahlungsbasis“, meint Kipping. „Alle sollen in die Rente einzahlen“, fordert sie.

Ökonom Fuest schüttelt mit dem Kopf. „Man müsste diesen Beitragszahlern etwas wegnehmen, wenn man einen positiven Effekt haben will“, erklärt er. Denn wenn Gutverdiener wie Politiker, Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen würden, dann würden sie auch später wieder etwas herausnehmen wollen. Bei Beamten wäre bei einer Umstellung von Pensionen zu Renten zu erwarten, dass diese viel höhere Löhne fördern würden, um überhaupt auf eine vergleichbare Rente zu kommen.

Ein weiterer linker Vorschlag von Kipping richtet sich an Frauen. „Frauen sollen in einem Vollzeitjob einzahlen“, meint die ehemalige Berliner Senatorin der Linkspartei. Dieser Vorschlag ist bizarr für jemanden, der ganz fest an die umlagefinanzierte Rente glaubt, wie es Kipping tut. Viele Frauen entscheiden sich dafür, eine Familie zu gründen, und entscheiden sich bewusst gegen eine Vollzeittätigkeit. Diese Frauen ziehen künftige Beitragszahler groß und stützen das System. Es mag zwar dem Weltbild von Kipping widersprechen, dass der Ehemann der Hauptverdiener ist und die Frau zuhause bei den Kindern bleibt, doch eben diese Familien leisten einen wertvollen Beitrag zur Stabilität des Systems.

Alles in allem ist der Talk eine Enttäuschung. Die Debatte verläuft unkonkret und ist inhaltlich festgefahren. Mutige Stimmen und Ideen fehlen in der Runde. Die deutsche Politik scheut sich aus Angst vor dem Wähler, über große Reformen nachzudenken. Lieber machen es sich die Abgeordneten bequem, vertagen die Reformen und wälzen die Kosten für das Rentensystem auf die jüngere Generation ab. Kommt das geplante Rentenpaket ohne Änderung durch den Deutschen Bundestag, kann man den Generationenvertrag als gekündigt betrachten.

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Kommentare ( 120 )

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120 Comments
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Dat Heindel
1 Monat her

Deutschland hat in Westeuropa eines der niedrigsten Renten überhaupt. Mit etwas mehr als 48% in Deutschland liegt Deutschland fast auf dem letzten Platz was das Renten Niveau in Westeuropa betrifft. Es gibt viele Gründe, eines der Hauptgründe, dass nicht alle von allen Einnahmen in die Rentenkasse einzahle mussten und müssen. Ich hatte Telecom Aktien erworben (von Liebling Kreuzberg Manfred Krug massiv beworben), gefloppt, ich hatte geriestert, gefloppt.Ich hatte ein sog. „Steuersparmodell“ eine zusätzliche Versicherung erworben, Gottseidank nicht so hoch. Ich habe sie mir jetzt auszahlen lassen, und natürlich wurden darauf Steuern fällig. Wer erreicht überhaupt noch das Rentenalter von 65… Mehr

moorwald
1 Monat her

Jedes umlagefinanzierte System scheitert, wenn Zufluß und Abfluß aus dem Gleichgewicht geraten. Alle Auswege kosten Wählersimmen:
Erhöhung der Beiträge (geht nicht unbegrenzt)
Späteres Renteneintrittsalter (kommt einer Rentenkürzung gleich)
Senkung der Rentenhöhe (reicht schon jetzt bei vielen nicht)
Wahrscheinlich wird die Rente in Zukunft ganz aus Steuermitteln finanziert werden müssen. Zusätzlich müßte man dem Arbeitnehmer soviel von seinem Einkommen lassen, daß er privat vorsorgen könnte und müßte.
Vielleicht bekommen die Rentner der Zukunft auch Sachleisttungen in Form von Bezugsscheinen…

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Verehrter Herr Kramer, die Altparteien machen alles richtig. Die jungen Wähler wollen sich mehrheitlich mit dem Thema nicht befassen und die alten Wähler wollen keine Veränderung, solange das Geld noch fließt. Das Aussitzen funktioniert für Union und SPD seit Norbert Blüm, also seit 40 Jahren. Warum sollen sie eine erfolgreiche Strategie ändern?

Nibelung
1 Monat her

Sie ist eine von vielen, die das rot-grüne System tragen und nach 1989 schnell aus der SED ausgetreten ist um sich darüber im neuen Medienumfeld eine erneute dienliche Situation zu schaffen, die vorher schon war und nur der Standort gewechselt wurde und solche elastischen Typen im Eigeninteresse gab es damals haufenweise und sind nach der Wiedervereinigung geräuschlos was geworden, weil der grün-rote Zeitgeist geradezu die ideale Voraussetzung geboten hat sich unbeschadet für eigene Zwecke einzubringen. Dabei fühlte man sich schon fast wie zuhause, die ehemalige Kanzlerin mit eingeschlossen und noch viele mehr, die das Fingerchen dazu hatten um sich erneut… Mehr

Weltenwandler
1 Monat her

Wenn man tagtäglich die Zeitungen liest, alle Meinungsvarianten, kommt man zu der Feststellung, daß Deutschland eine reiche Regierung hat und unsere Politiker augenscheinlich mit offenem Scheckbuch und Stift in der Hand durch die Welt reisen. Also warum die Diskussion ? Und zuhause kann man sich auch Millionen von Kostgängern leisten, die nie zum Steueraufkommen beigetragen haben. Warum hat man da ausgerechnet bei den Renten solche Geizpropleme ?

Last edited 1 Monat her by Weltenwandler
HarryDax
1 Monat her

Laut SPD heute im Bundestag ist die AfD an allem schuld!
Jede Kritik ist rechtswidrig und Hetze!
Argumente von der AfD sind durch Schein und Lug und Trug in DE verteilt und die jungen Zuschauen im Bundestag glauben das was die „Guten“ sagen.
Siehe Phönix TV. Ja, da war das zu sehen. Ich frage mich immer warum die AfD Leute so dumm sind und grölen.
Warum sind die nicht so schlau wie Leute von den Altparteien?
Vielleicht haben den Linken recht!?

Radikaler Demokrat
1 Monat her

Wieso wird eigentlich immer nur auf die Rentner abgezielt und nie auf die Pensionäre? Wieso haben Pensionäre nach 40 Dienstjahren 75% der letzten Besoldungsstufe aus STEUERGELDERN – wofür es dann kurz vor der Pension noch ein paar Beförderungen gibt – und Rentner nach 45 Jahren mit Mühe 48% des letzten Nettoeinkommens?

Last edited 1 Monat her by Radikaler Demokrat
moorwald
1 Monat her
Antworten an  Radikaler Demokrat

Es sind schon lange nur noch 71,75% – aber trotzdem ist der Abstand durchschnittliche Pension zu durchschnittlicher Rente enorm.

thorau
1 Monat her

Das Rentensystem wird aktuell durch die nachfolgende Generation der Arbeitnehmer in Deutschland finanziert. Sollte man dann nicht deutlich niedrigere Renten an die zahlen, die nichts zur Entstehung dieser Generation beigetragen haben? Quasi ein Dämpfungsfaktor für Kinderlose, die sich de facto ja durch Kinder anderer Leute aushalten lassen? Es wäre sicherlich sehr schwer, so etwas im Detail einigermaßen überzeugend zu regeln und klare, sinnvolle Grenzen zu ziehen (was ist mit Kindern, die nie arbeiten und einzahlen, ungewollt Kinderlosen, verstorbenen Kindern etc…). Aber man könnte ja eine simple Regel einführen: nie Kinder gehabt – weniger Rente. Besser wäre es natürlich, auf ein… Mehr

Philokteta
1 Monat her

Bald ist es geschafft, und auch der letzte ist dann davon überzeugt, die Boomer (und Putin selbstverständlich) seien an allem schuld, nicht nur an der Rentenmisere.
Wozu sonst sind solche Runden denn zu gebrauchen?

Deutscher
1 Monat her
Antworten an  Philokteta

Der Boomer ist halt der neue Nazi. Mir wurscht, dann wähle ich jetzt halt auch passenderweise die „Nazi“-Partei.
Ich war lange auf Seiten der Jungen, war selber ein Linker, wenn auch nicht ein 100%iger. Aber als es losging, dass junge Linke mich beschimpften, als „alter weißer Mann“, als „Boomer“, der an allem schuld ist, dachte ich mir, OK, wenn ihr mich für euren Feind haltet, dann werde ich das künftig auch sein.

Last edited 1 Monat her by Deutscher
Edwin
1 Monat her

Liebe Deutsche,

nicht klagen sondern ertragen.

Bei der Bundestagswahl 2005 wollte die Mehrheit der Deutschen kein kapitalgedecktes oder wie ich es weniger ideologisiert bezeichne, ein rücklagengedecktes System. Prof. Dr. Kirchhof, der dies damals vorgeschlagen hatte, wurde diffamiert und abserviert. Heute ist der Übergang zu spät.

Also nicht dauernd jammern, sondern zu seinen Entscheidungen stehen und damit leben!

Paprikakartoffel
1 Monat her
Antworten an  Edwin

Die Mehrheit der alten wohlversorgten Deutschen, und die Mehrheit der kinderlosen Medienschlabberer, denen bei dem Gedanken schwummerig wurde, für ihre Altersversorgung nicht den Nachwuchs anderer Leute ausbeuten zu können.