Die Auto-Produktion ist wieder da – und keiner nimmt’s wahr

Die Produktion der heimischen Auto-Werke hat wieder das Niveau der letzten Vor-Corona-Jahre erreicht. Aber in der Branche will keine Zuversicht aufkommen. Als ob man davor zurückschrecken würde, die Wohlfühl-Hängematte der staatlichen Fürsorge nun verlassen zu müssen. 

imago images / Sylvio Dittrich
Fertigung in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden.

Manchmal kann man als Beobachter der Automobilszene nur den Kopf schütteln! Und wird fatal an den APO-Slogan Ende der 60er erinnert, der da lautete:“ Stellt Euch vor, es ist Krieg und keiner geht hin!“ Entsprechend scheint in der deutschen Autoindustrie zu gelten: Die Hersteller produzieren inzwischen wieder so viele Autos wie vor der Krise – und keiner freut sich!

  • Da hat die deutsche Autoindustrie als Folge der Corona Pandemie und des weltweiten Lockdown bei allen wesentlichen Schlüsselzahlen wie Neuzulassungen, Produktion und Export, den schlimmsten Einbruch seit der Weltfinanzkrise in 2009 hinter sich und wird mit Milliardenbeträgen vom Staat gestützt. 
  • Da brachen Pkw-Produktion und -Eport im Frühjahr zeitweise um fast 100 Prozent, die heimischen Neuzulassungen um fast 70 Prozent ein.  
  • Da wurde von allen Beteiligten, vor allem in der notleidenden Zulieferindustrie, nicht sehnlichster als eine konjunkturelle Besserung der Lage gewünscht.

Und dann tritt diese Besserung pünktlich vor dem Weihnachtsfest endlich ein und das Wachstum beginnt mit kräftig positiven Zuwachsraten (wie in den TE-Branchenreports wiederholt angekündigt; Anmerk. d. Verf.) – und keiner in der Branche nimmt Notiz davon. Als ob man davor zurückschrecken würde, die Wohlfühl-Hängematte der staatlichen Fürsorge nun verlassen zu müssen. 

Wie dem auch sei, der Verband der Automobilindustrie (VDA) jedenfalls ging in seiner monatlichen Berichterstattung auf dieses denkwürdige Ereignis nicht ein. Stattdessen ist der Monatsbericht Dezember betitelt: „Erneuerung der älteren Fahrzeuge stockt“. Verbandspräsidentin Hildegard Müller konzediert zwar, dass es in der zweiten Jahreshälfte eine leichte Erholung gab, sorgt sich aber mehr darum, dass als Folge des Einbruchs „ …modernste Fahrzeuge in geringerer Zahl auf den Markt kommen, und daher ältere Wagen länger gefahren werden. Das ist nicht gut für die Klimabilanz.“ Womit sie natürlich Recht hat!

Automobilindustrie weiter auf Erholungskurs

Die Erholung der Autokonjunktur vom Sommer setzte sich im November weiter fort, wenngleich das Andauern der Corona-Krise die Stimmung am Markt und vor allem die Nachfrage aus dem Lager der Selbständigen und Kleinunternehmen weiter belastete. Dafür entwickelt sich die aufgestaute Nachfrage der Privaten auffallend positiv.

  • Im November wurden in Deutschland lt. KBA 290.150 Pkw neu zugelassen,  drei Prozent weniger als im Vorjahresmonat. In den ersten elf Monaten des laufenden Jahres erreichte der Inlandsmarkt ein Volumen von 2,6 Mio. Pkw (-22 Prozent). Im Gesamtjahr 2020 ist mit ca. 2,9 Millionen neuen Pkw mit einem deutlichen Rückgang gegenüber 2019 von 20 Prozent zu rechnen.
  • Gegen den Markttrend nahm im November die Anzahl privater Zulassungen um +22,8 Prozent zu, ihr Anteil erhöhte sich weiter auf 39,4 Prozent. Die gewerblichen Zulassungen dagegen  gingen um -14,7 Prozent zurück.
  • Neuzulassungen mit alternativen Antrieben erfuhren im November eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vergleichsmonat 2019. Batterie Elektrofahrzeuge (BEV) legten mit 28.965 um +522,8 Prozent zu, Plug-In-Hybride (PHEV) verzeichneten mit 30.621 einen Zuwachs von +383,4, alle Hybride zusammen mit 71.904 Fahrzeugen ein Plus von +177,2 Prozent. Flüssig- und Erdgasfahrzeuge erzielten zusammen ein Plus von +51,9 Prozent, spielten aber mit einem Marktanteil von lediglich 0,5 vH praktisch keine Rolle. 
  • Tesla, die kalifornische Elektroauto-Marke, konnte im November 1680 E-Autos zulassen, +500,0 Prozent mehr als im November 2019 (!). Von Januar bis November konnte der automobile Neubürger aus Grünheide in Deutschland als führendem europäischen Markt für Elektroautos 13.149 Fahrzeuge verkaufen, 37,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Das heißt, der Anteil von Tesla am gesamten BEV-Markt beträgt lediglich 5,8 vH – deutlich weniger als in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Am Gesamtmarkt hat Tesla einen Anteil von 0,5 vH. Da bleibt viel Raum nach oben um die Kapazitäten von 500.000 Einheiten Jahresproduktion der Gigafactory in  Grünheide, von Elon Musk kurz „Giga Berlin“ getauft, zu füllen.

  • Den größten Anteil an den Neuzulassungen im November hatten weiterhin mit 40,4 vH die Benziner, auch wenn deren Neuzulassungsvolumen gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres um -32,3 Prozent zurückging, gefolgt von den Diesel-Pkw, deren Anteil nach einem Minus von -25,2 Prozent 24,3 vH betrug. Memo: Vor zwei Jahren war der Anteil noch doppelt so hoch.

Die Pkw-Produktion konnte im November mit 449.900 Einheiten erstmals in diesem Jahr mit einem Plus von 7 Prozent aufwarten, wenn auch unterstützt durch einen zusätzlichen Arbeitstag. Allerdings lag die Pkw-Inlandsfertigung im bisherigen Jahresverlauf (Januar – November) mit 3,2 Mio. Einheiten noch deutlich unter dem Vorjahreswert (-26 Prozent). Im Gesamtjahr wird sie mit rund 3,5 Millionen (-25 Prozent) auf den niedrigsten Stand seit 45 Jahren gesunken sein.

Die Produktion von Elektro-Pkw hat sich in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres – trotz der Anlaufschwierigkeiten des ID.3 bei VW  – auf knapp 250.000 verdoppelt. Und die Dynamik nimmt zu: Allein im September verdreifachte sich die Inlandsproduktion von E-Autos auf den neuen Höchstwert von über 62.200 Elektro-Pkw. Das heißt, dass gegenwärtig bereits jeder sechste in Deutschland hergestellte Pkw einen Elektroantrieb hat. Dieser Trend wird sich nach Auffassung des VDA fortsetzen.

Ebenfalls von der Öffentlichkeit kaum bemerkt hat sich 2020 in der deutschen Autoindustrie ein Beschäftigungswunder abgespielt. Trotz des Produktionseinbruchs von 25 Prozent waren im September 2020 genau 803.575 Mitarbeiter beschäftigt, kaum weniger als ein Jahr zuvor (833.405). Hierin spiegelt sich der große Erfolg der Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung – Stichwort: Kurzarbeit.

Wie nicht anders zu erwarten entwickelte sich der Pkw-Export ähnlich wie die Produktion. Im November wurden 340.000 Pkw aus Deutschland exportiert (+ 11 Prozent), im bisherigen Jahresverlauf (Januar – November) waren es allerdings nur 2,4 Mio. (-26 Prozent). Der Export dürfte im Gesamtjahr 2020 mit 2,6 Mio. Pkw um 25 Prozent unter dem Vorjahreswert liegen.

 

Ausblick

Prognosen sind immer schwierig, aber die anhaltende Corona Pandemie und die unübersichtliche Lockdown-Ausgangslage machen Prognosen über die Marktentwicklung 2021 besonders schwierig. Unsicher ist vor allem, wann der Impfstoff in welchen Mengen kommt und wie er wirkt, und wie die Reaktion der Konsumenten und Investoren darauf ist. 

VDA-Präsidentin Müller vertritt folgende vorsichtig zuversichtliche Auffassung: „Auf dem Pkw-Inlandsmarkt erwarten wir im kommenden Jahr ein Wachstum von 9 Prozent auf 3,1 Mio. Neuzulassungen. Damit ist das Vor-Krisenniveau (3,5 Mio.; Anmerk. d.Verf.) allerdings noch in weiter Ferne. Auch die Pkw-Produktion und das Exportgeschäft dürften sich im kommenden Jahr erholen. Wir rechnen mit einer Produktion von 4,2 Mio. Pkw im Jahr 2021 in Deutschland. Dies bedeutet einen Anstieg um 20 Prozent gegenüber 2020, aber die dramatischen Rückgänge werden damit noch längst nicht ausgeglichen …. Der Export dürfte im kommenden Jahr ebenso steigen wie die Produktion: Auch hier wird ein Plus von 20 Prozent auf 3,1 Mio. Pkw erwartet.“

Dieser Sicht schließen wir uns an, dem ist nichts hinzuzufügen. Außer der auf langjähriger Erfahrung gegründeten Hoffnung des Automobilökonomen, dass alles besser kommen kann als heute absehbar. Denn aufgestauter Bedarf ist da! Hat sich einmal die Meinung in der Gesellschaft durchgesetzt, mit dem Impfstoff sei eine absehbare Rückkehr zu normalen Zeiten gesichert, kann die Markterholung auch stürmischer ausfallen als heute vorstellbar. Die Erfahrungen mit ähnlichen Schocks in den letzten 50 Jahren lassen solche Vorstellungen zu. 

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Kommentare ( 38 )

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Westried
3 Jahre her

Ich empfinde diesen Beitrag als angenehm sachlich. Es wird ja zwischen Fakten und der Meinung/Erfahrung des Autors differenziert. Ich verstehe den Artikel so, dass es nicht so zappenduster ausschaut wie befürchtet und das staatlichen Eingriffe der Branche geholfen haben. Es ist nicht eitel Sonneschein, die Zeiten werden schwieriger (vor allem in den Zulieferwerken in Deutschland), aber deshalb ist ja nicht gleich alles negativ. Die Automobilindustrie ist von schon immer abhängig von Subventionen (deren Sinn man schon hinterfragen kann) und unterliegt andererseits immer neuen strengeren (weltweiten) Vorschriften. EU7 kommt übrigens frühestens erst 2025 ebenso die neuen CO2 Grenzwerte. 2025 wird dann… Mehr

Onan der Barbar
3 Jahre her

Ganz bestimmt aus Mitleid mit den Verbrennungsmotorherstellern und deren Arbeitnehmern, denn die E-Gurus wollen ja nur das Beste für alle. Nur deshalb hat E-lon Muskrat ja auch noch nicht das perpetuum mobile gebaut, weil dann in den Ölländern alles den Bach hinunterginge.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

 „ …modernste Fahrzeuge in geringerer Zahl auf den Markt kommen, und daher ältere Wagen länger gefahren werden. Das ist nicht gut für die Klimabilanz.“ Womit sie natürlich Recht hat!

Woher wissen Sie denn, dass sie Recht hat?
Können Sie mir das CO2-Märchen so erklären, dass ichs glaube? Mit Fakten und Logik und so, nicht mit Modellen ohne Pflanzen und Wolken?
Ich bin ganz Ohr.

Nun ja
3 Jahre her

Da kann ich Ihnen helfen. Überführung eines A6 Hybrid inkl. Autobahn mit vielen Baustellen, Vmax etwa 150 km/h aber nur kurz die meiste Zeit eher 80-90, Einstellung Mischbetrieb (kein reiner Batteriebetrieb sondern optimale Batterienutzung). Verbrauch laut Bordcomputer 6 Liter Benzin und 4,2 kWh Strom auf 100 km. Auf Langstrecken (d.h. praktisch ohne Akkuunterstützung) verbrauchen unsere 2 E-Klassen Dieselhybrid ziemlich genau 1 Liter Diesel mehr als ihre Vorgänger, jeweiligen ähnlich großen Autos, die ebenfalls einen 4 Zylinder-Diesel in der 200+ PS Klasse hatten. Wie Sie sehen sind wir bei den Dienstwagen großzügig. Mehrere mir bekannte Firmen bleiben aber stur beim Diesel.… Mehr

amendewirdallesgut
3 Jahre her

Wie bei vielen Artikeln , vor allen denen die auch in einer Börsenzeitschrift stehen könnten , gilt die alte Regel : es reicht nicht nur zu verstehen was der Autor Dir sagen will , viel wichtiger ist es jedoch herauszufinden was er Dir zu verschweigen sucht , eigentlich sehr schade kratzt es doch auch am Image der Plattform auf der er erscheint

fatherted
3 Jahre her

Ich bin wirklich mal gespannt an wen Musk seine Brandenburgr E-Kisten verkaufen will. Wer in der EU kauft sich solche Teile? Evtl. Dienstwagen für Behördenleiter? naja…das wären ja dann erstmal einige zehntausend….aber dann?

FerritKappe
3 Jahre her

Hurra, dieses Jahr gab es einen Monat der nicht deutlich schlechter als 2019 war.
Wo soll da der Grund zum Jubeln sein? Oder hat der eine Monat den desaströsen Rest des Jahres ausgeglichen?

Onan der Barbar
3 Jahre her

Dem Rest der Welt ist es egal, ob Deutschland versucht, Autos zu verbieten. Die Chinesen hatten die Fahrrad-Ära und wollen mit Sicherheit nicht dahin zurück.
Die Probleme kommen erst dann, wenn Entwicklung UND Produktion nach China verlegt sind und in Deutschland nur noch ein paar durchgegenderte, politisch korrekte Marketingbüros sitzen, deren Hauptaufgabe darin besteht, sicherzustellen, dass auf den Bildern von glücklichen Autobesitzern genügend schwarze Gesichter und Männer in Röckchen zu sehen sind und keinesfalls eine Frau irgendewtas in Rosa trägt.

ersieesmussweg
3 Jahre her

Die Wirkungsgrade beider Antriebe müssen miteinander multipliziert werden, da kommt nicht mehr viel raus. Bzgl. des Gesamtwirkungsgrades sind Hybride sicher die schlechteste Kombination, die man sich vorstellen kann. Und? Sie werden dennoch bejubelt und teuer gekauft.

Kaltverformer
3 Jahre her

Zitat: „Das ist nicht gut für die Klimabilanz.“
Damit ist eigentlich schon alles gesagt, wenn eine Vertreterin des Automobilverbandes lieber merkelsche Klimapolitik als Automobilwirtschaft betreibt.
Ich persönlich kaufe mir erst ein Batterieauto, wenn es die gleiche Reichweite wie mein Benziner, zu den gleichen Kosten und dem gleichen zeitlichen Aufwand (Tanken/Laden) und der gleichen Haltbarkeit zu kaufen gibt.