Japanisierung der Weltwirtschaft

Weltweite Handelsliberalisierungen und Freihandelsabkommen dürften zweifelsohne das Wachstum des Welthandels unterstützen. Aber Strukturreformen und zugleich expansive Fiskalpolitik und expansive Geldpolitik passen nicht zusammen. Von Norbert F. Tofall

© Stephen Jaffe /IMF via Getty Images

Weltweit wird versucht, Wirtschaftswachstum durch Niedrig- und Negativzinsen sowie durch unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen zu erzeugen. Ob USA oder China, Europa oder Japan oder anderswo, überall werden niedrige Zinsen als Heilmittel für Wachstum und Konjunktur angesehen. Ein Investitionsboom ist aber trotzdem nir­gendwo zu erkennen. Nach wie vor ist überall von Investitionsschwäche die Rede.

Ende September haben sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die Welthandelsorganisation (WTO) auf das verlangsamte Wachstum des Welthandels seit 2012 hingewiesen. Der IWF führt im 2. Kapitel seines World Economic Outlook aus, „that the overall weakness in economic activity, in particular in investment, has been the primary restraint on trade growth, accounting for up to three-fourths of the slowdown.”

  • Laut IWF ist die weltweite Investitionsschwäche maßgeblich für das verlangsamte Wachstum des Welthandels verantwortlich.
  • Der IWF sieht die besondere Notwendigkeit für eine schuldenfinanzierte expansive Fiskalpoli­tik, um weltweit die Nachfrage zu beleben. Eine daraus folgende Kon­junkturüber­hitzung mit höheren Inflationsraten sollen die Zentralbanken hinneh­men.
  • Der IWF erörtert leider nicht, dass die von ihm festgestellte weltweite Investitions­schwäche auf die verhinderte Bereinigung der Finanzkrise zurückzuführen ist.

Der IWF sieht die Gefahr, dass das verlangsamte Wachstum des Welthandels und defla­tionäre Entwicklungen in eine Abwärtsspirale aus noch größerer Verschuldung, Ar­beitslosigkeit und stagnierendem Wirtschaftswachstum führen könnten. Notwendig sei, dass Länder mit Verschuldungsspielraum diesen nutzten, um durch entsprechende Aus­gabenprogramme die Nachfrage anzuregen. Zudem müßten Strukturreformen eingeleitet werden.

Da das Vertrauen in die Zentralbanken schwinde, die Inflation an Gang zu bekommen, sei eine expansive Fiskalpolitik besonders notwendig. Eine daraus folgende Konjunk­turüber­hitzung solle von den Zentralbanken hingenommen werden, weshalb sie ihre Geldpoli­tik weltweit koordinieren sollten. Darüber hinaus müssten weltweit Handels­hemmnisse und der seit 2008 verstärkt zu beobachtende Protektionismus zurückge­drängt werden.

Weltweite Handelsliberalisierungen und der Abschluß von Freihandelsabkommen dürften zweifelsohne das Wachstum des Welthandels unterstützen. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern die Forderung nach Strukturreformen einerseits mit den Forderun­gen nach expansiver Fiskalpolitik und weiterhin expansiver Geldpolitik andererseits zusammenpassen sollen.

Seit der Krise verhindern Regierungen und Zentralbanken Reformen durch unvereinbare Ratschläge

Da Strukturwandel mit schöpferischer Zerstörung verbunden ist, sind Konjunkturein­brüche und Anpassungsrezessionen in der Regel unvermeidlich. Aber seit Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 verhindern Regierungen und Zentralbanken genau diese Anpas­sungsrezessionen durch Niedrig- und Negativzinsen und unkonventionelle geldpoliti­sche Maßnahmen. Sie fordern zwar Wachstumsinitiativen und Investitionsoffensiven und beklagen das Produktivitätsdesaster, bereinigende Konjunktureinbrüche und Anpas­sungsrezessionen sollen aber verhindert werden. Weltweit folgt man der Illusion, man könne eine Finanzkrise ohne Bereinigung überwinden.

Nur wer in dieser Illusion gefangen ist, wundert sich über die weltweite Investitions­schwäche, die kaum noch wachsende Produktivität und die Wachstumsschwäche des Welthandels. Anstatt die Wachstumsschwäche des Welthandels als weiteren Beleg für eine fortschreitende Japanisierung der Weltwirtschaft zu deuten, fordert jetzt nicht nur der IWF von den Regierungen eine expansive Fiskalpolitik zur Nachfragebelebung. Neue Stimuli für Wachstum und Investitionen müssten generiert werden.

Die erhöhten Staatsausgaben zur Nachfragebelebung sollen über neue Staatsschulden finanziert werden. Da hohe Staatsschuldenstände aber nur bei Niedrig- und Negativzin­sen tragbar sind, wird eine Bereinigung der Finanzkrise weiterhin verhindert. Eine an­haltende private Investiti­onsschwäche und wirtschaftliche Stagnation werden die Folge sein. Die Japanisierung der Weltwirtschaft geht in die nächste Runde.

Wann diese Abwärtsspirale durch die systemimmanenten Sollbruchstellen unse­res Kre­ditgeldsystems aufgehalten wird, ist offen. Wenn die Bürger und Anleger welt­weit nicht nervös werden, kann unser Kreditgeldsystem durch unkonventionelle Maß­nahmen der Geldpolitik und ewige Null- und Negativzinsen noch sehr lange über Wasser gehalten werden. Die beabsichtigten Wirkungen dieser Zentralbankpolitik werden jedoch im­mer geringer.

Leider nimmt dies der IWF nicht zum Anlass, sich dem Problem zu stellen, dass unter den Bedingungen von geldpolitisch verzerrten Preisen die Wahrscheinlichkeit von Re­alkapitalverzehr steigt. Dieser realen Handlungsbeschränkung kann letztlich niemand ausweichen. Es ist unter Globalisierungsbedingungen zwar möglich, das harte Greifen dieser realen Handlungs­beschränkung zeitlich zu verzögern und räumlich zu verlagern und diesen Prozess durch Abwertungswettläufe zu stützen. Die reale Handlungsbe­schränkung und das ökonomi­sche Gesetz können jedoch durch unkonventionelle Maß­nahmen der Geldpolitik und Zinsmanipulationen der Zentralbanken auch unter Globali­sierungsbedingungen nicht außer Kraft gesetzt werden, was die weltweite Investitions­schwäche, das geringe Produktivitäts­wachstum und die Wachstumsschwäche des Welt­handels mehr als deutlich belegen.

Es ist an der Zeit, dass sich der IWF dieser fortschreitenden Japanisierung der Weltwirt­schaft entgegenstellt.

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