Börse: Eine Zeitung gegen eine Bank – wer hat Recht?

Super Bowl gegen Wallstreet; Financial Times gegen Wirecard, EU gegen Großbritannien, USA gegen China - die Börse wird spannend kommende Woche.

ANGELA WEISS/AFP/Getty Images

Wenn am Sonntag in Atlanta der 53.  Super Bowl zwischen den New England Patriots und den Los Angeles Rams ausgespielt wird, ist eines klar: Ob Ticketpreise (bis zu 23 000 US-Dollar) oder Werbepreise (zehn Millionen US-Dollar je Werbeminute), das größte Sportereignis der USA mit 110 Millionen Zuschauern ist gut für Rekorde aller Art. Eines ist das Endspiel aber nicht mehr: ein guter Indikator, wie es mit der Börse weitergeht. Lange galt: Wenn ein Team wie die Patriots aus der AFC das Endspiel gewinnt, wird der S & P 500 im Gesamtjahr nachgeben. Wenn dagegen ein Team wie die Rams aus der NFC siegt, dann legen die US-Aktienkurse bis Jahresende zu. In fünf Jahrzehnten hielten sich die Ergebnisse auf dem Finanzmarkt zu über 80 Prozent an die Resultate auf dem Spielfeld — eine für einen nicht ganz ernst zu nehmenden Indikator recht hohe Eintrittswahrscheinlichkeit. Allerdings hat die alte Regel in den vergangenen vier Jahren kein einziges Mal mehr gegriffen. Super-Bowl-affine-Anleger wurden seit 2015 — um im Football-Jargon zu bleiben — gleich vier Mal knapp vor der Touchdown-Linie abgefangen. ​

Am Freitag, dem letzten Handelsrag vor dem Endspiel, entwickelten sich die Kurse nach der Bekanntgabe des US-Arbeitsmarktberichts insgesamt uneinheitlich. Der Dow Jones Industrial hielt sich am Ende mit 0,3 Prozent über Wasser. Er schloss bei 25.064 Punkten und brachte so ein Wochenplus von 1,3 Prozent über die Ziellinie. Deutliche Kursgewinne nach Zahlen bei Ölwerten und Merck & Co sicherten ihm eine relative Stärke. Bei den Technologiewerten ging es nach zwei starken Tagen hingegen abwärts: Der NASDAQ 100 fiel um 0,5 Prozent auf 6.876 Punkte. Deutliche Kursverluste bei Amazon nach den Resultaten bremsten hier die Euphorie. Der marktbreite S&P 500 legte um 0,1 Prozent auf 2.707 Punkte zu.

Beim Handelsstreit bleibt die Lage weiter unkonkret: Auf die Gespräche an den vergangenen beiden Tagen zurückblickend war unter den Beteiligten einmal mehr von Fortschritten die Rede. Eine Einigung zeichne sich aber weiter nicht ab, gaben sich die Analysten der LBBW vorsichtig. US-Präsident Donald Trump sagte, wenn alles funktioniere, stehe ein „großartiges Handelsabkommen“ bevor.

Die US-Wirtschaft hat im Januar deutlich mehr Arbeitsplätze geschaffen als erwartet, im Jobbericht gab es mit einer schwachen Lohnentwicklung und einer überraschend gestiegenen Arbeitslosenquote auch gegenläufige Aspekte. Wie es hieß, bringt dies keine eindeutigen Rückschlüsse für die Geldpolitik. Trotz der Zeichen für eine wirtschaftliche Stärke gebe es auch Gründe für die zuletzt vorsichtiger gewordene Haltung der Fed.

Weitere Konjunkturdaten untermauerten das robuste Wirtschaftsbild. Die Stimmung der Verbraucher hatte sich zum Jahresauftakt nicht so stark wie erwartet eingetrübt und der ISM-Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie war überraschend gestiegen.

Bei Amazon hatten ein starkes Weihnachtsgeschäft und boomende Cloud-Dienstleistungen für einen glänzenden Jahresabschluss gesorgt. Das vierte Quartal übertraf die Erwartungen der Wall Street klar, dennoch fiel die Marktreaktion mit einem mehr als fünfprozentigen Abschlag negativ aus. Für Enttäuschung sorgten die Geschäftsziele für das erste Quartal 2019. Finanzchef Brian Olsavsky stellte die Anleger auf höhere Ausgaben ein.

Der Kursrutsch bei Amazon dehnte sich auf den ganzen Handelssektor aus, wie Kursverluste von bis zu 2,5 Prozent bei Walmart, Target oder Costco zeigten. Ein Rückschlag für die Branche kam auch aus Indien – ein Land, für das Amazon und Walmart große Pläne haben. Berichtet wurde von neuen Regularien für den dortigen Internethandel, die das Potenzial in dem Wachstumsmarkt massiv einschränken könnten.

Bei ExxonMobil ging es im Dow sogar um 3,6 Prozent hoch. Der starke Rückgang der Ölpreise hatte den Ölriesen zum Jahresende nicht aus der Spur gebracht. Er übertraf die Gewinnerwartungen der Wall Street genauso wie der Branchenkollege Chevron, dessen Aktien um 3,2 Prozent stiegen.

Die Quartalsberichtssaison ist also in vollem Gang. Bisheriges Fazit: Die Senkung der Gewinnschätzungen im Vorfeld macht sich bemerkbar. Vor allem bei den Tech-Werten gibt es deshalb nun viele positive Abweichungen, etwa bei Facebook, aber auch einzelne negative Überraschungen wie beim Chipkonzern Qualcomm. 259 der 500 börsenschwersten US-Konzerne haben berichtet, 182 davon blieben beim Gewinn über den Erwartungen. In Europa ist das Bild noch undeutlich, im Euro Stoxx 50 haben bislang erst neun Unternehmen berichtet, fünf blieben unter den Vorgaben.

Fed-Chef Jerome Powell hat gewiss auch das schwächere Gewinnwachstum der US-Konzerne im Blick. Die US-Notenbank gibt sich handzahm und hat eine ausgedehnte Pause bei den Zinsanhebungen angekündigt. Die Aktien an der Wall Street sprangen an. Der DAX nahm den Schwung nicht auf, was wohl vor allem am steigenden Euro lag, der die Exportwerte im Leitindex belastete. ​

Griechenland ist zurück auf dem Kapitalmarkt. Neun Jahre nach dem Ausbruch der griechischen Finanzkrise und vielen hundert Milliarden Euro schweren Hilfsprogrammen von ESM, EZB und IWF konnte Athen vergangene Woche wieder eine Staatsanleihe platzieren. Das Papier mit fünfjähriger Laufzeit war dank einer Rendite von 3,6 Prozent stark nachgefragt. „Die griechische Regierung ist aufgrund von Barreserven in Höhe von 26 Milliarden Euro derzeit nicht auf den Emissionserlös angewiesen“, meint Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten bei Union Investment. Und trotz hoher Arbeitslosigkeit und geringen Steueraufkommens hat die griechische Regierung 2018 einen Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen von 7,5 Milliarden Euro. Das sind 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Unsicher bleibt weiter, wie die EU und Großbritannien in den verbleibenden zwei Monaten eine Lösung für die Beziehungen nach dem Brexit finden. Interessant ist, dass es durchaus ökonomische Ursachen für einen EU-Austritt der Briten gibt. So hat das Vereinigte Königreich zuletzt von der EU nicht so stark profitiert wie andere Länder: Die Messung von Handelsströmen der letzten Jahrzehnte zeigt, dass in den 90er-Jahren der Höhepunkt des EU-Anteils im Handel des Vereinigten Königreichs erreicht war. „Dieser Vorteil ist in den letzten 20 Jahren wieder auf das Niveau des Jahres 1973 gesunken, dem EU-Beitrittsjahr des Vereinigten Königreichs“, so Gabriel Felbermayr, Leiter des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft, bei einer Tagung des Spängler IQAM Research Center. Dagegen hat der Nettobeitrag, den das Vereinigte Königreich in das EU-Budget leistet, im Jahr 2015 mit zwölf Milliarden Euro sein höchstes Niveau erreicht, das entspricht 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit war die Mitgliedschaft im Jahr vor dem Referendum so teuer wie noch nie und der Wert der Mitgliedschaft historisch niedrig.

Premiere für den neuen Deutsche Bank-Chef Christian Sewing. Er stellte erstmals die Zahlen der Bank für das vorausgegangene Ygeschäftsjahr vor. Wie das größte deutsche Geldhaus am Freitag in Frankfurt mitteilte, lag das Ergebnis 2018 unter dem Strich bei 341 Millionen Euro. Hätten die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die imageschädigenden Fernsehbilder der Geldwäsche-Razzia im November dem Institut nicht das Schlussquartal verhagelt, wäre womöglich sogar noch mehr drin gewesen. 2017 hatte die Deutsche Bank einen Verlust von 735 Millionen Euro geschrieben.
Die Wirecard-Aktie ist am Freitag das zweite Mal innerhalb weniger Tage abgestürzt. Das im DAX notierte Papier fiel in der Spitze um bis zu 31 Prozent auf 99,86 Euro, weit unter den Tiefstkurs vom Mittwoch. Damit markierte es den tiefsten Stand seit April 2018. Ein Börsenwert von mehr als vier Milliarden Euro löste sich in Luft auf. Ein weiterer kritischer Bericht der „Financial Times“ ließ den Kurs erneut einbrechen. Zuletzt notierte die Aktie noch 20 Prozent im Minus bei 115 Euro.

Dem „FT“-Bericht vom Freitag zufolge soll eine von Wirecard beauftragte Anwaltskanzlei ein Fehlverhalten des Unternehmens festgestellt haben. Die „FT“ beruft sich auf einen vorläufigen Bericht der Anwälte, in den sie Einsicht gehabt habe.

Eine Sprecherin von Wirecard wies den erneuten „FT“-Bericht als „irreführend und diffamierend“ zurück. Die Berichterstattung der Zeitung sei verleumderisch. Laut Staatsanwaltschaft München gibt es keine Anhaltspunkte für Straftaten, wie sie von der Zeitung geschildert würden.

Ein Händler bezeichnete das Vorgehen der Zeitung als „ausgesprochen unseriös“. Es habe den Anschein, als solle gezielt gegen den Aktienkurs des Unternehmens spekuliert werden. Ein weiterer Händler war der Ansicht, dass eine Feststellung möglicher unseriöser Praktiken von Wirecard durch externe Anwälte den Anschuldigungen möglicherweise größeres Gewicht verleihe. Dies könne den massiven Kurseinbruch an der Börse erklären.

Der neue FT-Bericht stehe im krassen Gegensatz zu den Stellungnahmen von Wirecard, sagte ein Händler. „Das Vertrauen der Investoren leidet unter solchen Kursabstürzen“, ergänzte ein anderer Marktteilnehmer.

Aber wie sagt der Börsianer: Rauf oder runter, das macht die Börse munter.


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Kommentare ( 2 )

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2 Comments
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Fred Katz
5 Jahre her

Wirecard sagte ausdrücklich nicht „unwahr“, sondern „irreführend“!
Davon abgesehen muß jeder Anleger selber wissen, ob er an eine mittelfristige Verdreifachung der Gewinne bei Wirecard glaubt.

Marc Hofmann
5 Jahre her

Man sollte genauer hinschauen…dann sieht man mit einen Blick, wie sich die Gewichte zu Gunsten der Trump USA verschoben haben… Super Bowl Mercedes Benz Stadium…und in EU Deutschland… Industrie und Wirtschaft feindliche Politik..Grüne Klimareligion/CO2 Verbotspolitik… Stillstand und Rückschritt in EU-DEUTSCHLAND